Aldous Huxley war ein Leben lang an alternativen Schulprojekten interessiert. So besuchte er immer wieder einmal in Ojai, dem Wohnsitz Krishnamurtis, die Schule, die von Krishnamurti und seiner Mentorin Annie Besant konzipiert worden war. Sie hatten sie mit dem Ziel gegründet,
ihre Vorstellungen von alternativer Schulbildung in die Praxis umsetzen zu können. Kooperation und Forschung statt Konformität und Karriere, ausgewogene Förderung von intellektuellen wie kreativen Potenzialen, insbesondere herausragender individueller Fähigkeiten, integrales, interdisziplinäres Lernen in einer sinnstiftenden Atmosphäre, die Achtsamkeit, Veranwortlichkeit und Bewusstsein für Zusammenhänge fördert. Die Direktorin von Happy Valley, Rosalind Rajagopal, war Vertraute und Geliebte von Krishnamurti und eine gute Freundin der Huxleys.
Aldous hielt in diesem Jahr die Schulabschlussrede, deren Titel “Aun aprendo” (“Ich lerne immer noch”) nicht nur Huxleys eigenes Motto war, sondern auch Schulmotto werden sollte. Der Satz steht auf einer Goya-Zeichnung, die einen alten gebeugten Mann am Stock zeigt. (…) Zu den Rednern und Gästen der Schulabschlussfeiern gehörten im Laufe der Jahre auch Christopher Isherwood, Alan Watts, Arnold Schönberg sowie andere bekannte Künstler und Persönlichkeiten.
Die Happy Valley School existiert heute unter dem Namen “Besant Hill School” immer noch und blickt mit Stolz auf ihre Geschichte zurück. Annie Besant, heute vor allem als Nachfolgerin der Theosophin Helena Petrovna Blavatsky bekannt, war eine eindrückliche Persönlichkeit:
Nach schwerer Krankheits- und Leidenszeit ihrer Tochter beginnt die früher ekstatisch fromme Annie Besant am Glauben zu zweifeln und trifft auf der Suche nach einer Neuorientierung auf den Atheisten und Freidenker Charles Bradlaugh. Als mitreißende Rednerin setzt sie sich für die Sache der FreidenkerInnen und zunehmend auch für Notleidende ein: Nicht christliche Nächstenliebe benötigen die Armen, sondern Gerechtigkeit. Sie spricht auf dem Protestmarsch am “Bloody Sunday”, einem Aufstand der Arbeitslosen Londons, am Trafalgar Square und organisiert einen Streik der Arbeiterinnen der Streichholzfabrik Bryant and May, der zwar nur zu geringfügigen Verbesserungen führt, aber für die Gewerkschaftsbewegung in Großbritannien bedeutend ist. Mit 40 Jahren wird sie Vorsitzende der Londoner Schulaufsicht und sorgt dafür, daß die Grundschulkinder medizinisch versorgt werden und eine warme Mahlzeit pro Tag bekommen.
In ihrer noch immer fortwährenden Suche nach dem rechten Glauben trifft sie auf Madame Blavatsky, die Gründerin der Theosophischen Gesellschaft. Hier, im Okkultismus und Spiritualismus, glaubt sie, das gefunden zu haben, wonach sie ihr Leben lang suchte.
Nach Blavatskys Tod wird sie Vorsitzende der Gesellschaft und geht schließlich nach Adyar/Madras in Indien, wo sie nach anfänglich rein spiritueller Betätigung schließlich doch wieder ihrer Berufung zum Kampf für soziale Gerechtigkeit folgt. Sie setzt sich für die Selbstverwaltung Indiens ein, für eine Reform der Kinderehe, des Kastensystems sowie für die Rechte der indischen Frauen. Ihre Mittel sind weiterhin brillante Reden und zwei von ihr herausgegebene Zeitschriften, Commonweal und New India.
Im Nationalkongress, dessen Vorsitz sie mit 70 für kurze Zeit innehat, arbeitet sie zunächst mit Mahatma Ghandi zusammen. Später werden sie zu politischen GegnerInnen. Mit Ghandis Aufstieg gerät Besant immer mehr in Vergessenheit. Ihre letzten Lebensjahre gelten wieder der Arbeit für die Theosophische Gesellschaft. Müde und erschöpft stirbt sie 86jährig in Indien, das für 40 Jahre ihre Wahlheimat geworden war.
(aus: fembio.org)
Nächste Folge am kommenden Samstag, den 20. Juli
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