12 Jah­re nach “Sci­ence, Liber­ty and Peace” erschien 1958 ein wei­te­rer Band mit zwölf gesell­schafts­kri­ti­schen Essays unter dem Titel “Bra­ve New World Revi­si­ted”, auf deutsch “Wie­der­se­hen mit der Schö­nen Neu­en Welt”.

Schon 1946 hat­te er im Vor­wort zur Neu­aus­ga­be des Welt­best­sel­lers “Bra­ve New World” geschrie­ben, er emp­fin­de es inzwi­schen als Defekt,
dass er John Sava­ge am Ende nur zwei Aus­we­ge offen­lässt, bei­de unge­sun­de Alter­na­ti­ven: ent­we­der der uto­pi­sche Irr­sinn des tota­li­tä­ren Staa­tes oder der pri­mi­ti­ve Stumpf­sinn der Wild­nis. Heu­te wür­de er Sava­ge einen drit­ten Weg anbie­ten: den der geis­ti­gen Gesund­heit und der Vernunft.
Er umreisst ein kon­kre­tes Bild die­ses drit­ten Wegs:

Es wäre eine Gesell­schaft, die wirt­schaft­lich und poli­tisch dezen­tra­lis­tisch, lokal, koope­ra­tiv, mit Ach­tung für die All­men­de orga­ni­siert wäre. Wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gie wären strikt den Bedürf­nis­sen der Men­schen unter­wor­fen und nicht umge­kehrt. Und Reli­gi­on schliess­lich wäre “die geziel­te und intel­li­gen­te Erfor­schung des letz­ten Sinns und Zwecks mensch­li­chen Daseins, die Uranfäng­li­che Ein­heit und Imma­nenz des Tao bezie­hungs­wei­se die Gesamt­sicht des Logos, gött­li­che Tran­szen­denz bezie­hungs­wei­se Brah­man”  (Rasch, Wag­ner: Aldous Huxley)

Im Vor­wort von “Bra­ve New World Revi­si­ted” hielt er nun u.a. fest:
Das The­ma der Frei­heit und ihrer Fein­de ist uner­schöpf­lich, und was ich hier geschrie­ben habe, ist sicher­lich zu kurz, um ihm gerecht zu wer­den, aber ich habe wenigs­tens vie­le Sei­ten des Pro­blems berührt. Jede die­ser Sei­ten ist in der Dar­le­gung viel­leicht ein wenig zu sehr ver­ein­facht wor­den; die­se auf­ein­an­der­fol­gen­den über­mä­ßi­gen Ver­ein­fa­chun­gen sum­mie­ren sich jedoch zu einem Bild, wel­ches, wie ich hof­fe, eine Andeu­tung des Aus­ma­ßes und der Viel­fäl­tig­keit der Sache selbst vermittelt.
Nicht berück­sich­tigt in die­sem Bild … sind die mecha­ni­schen und mili­tä­ri­schen Fein­de der Frei­heit – die Waf­fen und Werk­zeu­ge, wel­che die Macht der Welt­be­herr­scher über ihre Unter­ta­nen so außer­or­dent­lich ver­stärkt haben, und die immer rui­nö­se­ren kost­spie­li­gen Vor­be­rei­tun­gen für immer sinn­lo­se­re und selbst­mör­de­ri­sche­re Krie­ge. Beim Lesen der fol­gen­den Kapi­tel soll­te man sich als Hin­ter­grund den unga­ri­schen Auf­stand und sei­ne Nie­der­schla­gung (1956) den­ken, die Was­ser­stoff­bom­ben, die Kos­ten des­sen, was jede Nati­on »Ver­tei­di­gung« nennt, und jene end­lo­sen Kolon­nen uni­for­mier­ter jun­ger Män­ner, wei­ßer, schwar­zer, brau­ner und gel­ber Haut­far­be, die gehor­sam dem gemein­sa­men Mas­sen­grab entgegenmarschieren.

Im Vor­der­grund stand also erneut die Fra­ge nach wah­rer Frei­heit und deren viel­fäl­ti­ger Bedrohungen.

Wie­der zeigt sich die erstaun­li­che Aktua­li­tät sei­ner Ana­ly­sen, wenn er im ers­ten Kapi­tel feststellt:
Sie­ben­und­zwan­zig Jah­re danach, in die­sem drit­ten Vier­tel des 20. Jahr­hun­derts n. Chr. und lan­ge vor dem Ende des 1. Jahr­hun­derts n. F. (“nach Ford”, der neu­en Zeit­rech­nung), den­ke ich beträcht­lich weni­ger opti­mis­tisch denn damals, als ich Schö­ne neue Welt schrieb. Die Pro­phe­zei­un­gen von 1931 wer­den viel frü­her wahr, als ich dach­te. Die seli­ge Zeit zwi­schen zu wenig Ord­nung und dem Alb­traum aus zu viel Ord­nung hat nicht begon­nen und scheint nicht begin­nen zu wol­len. Zwar erfreu­en sich die Men­schen im Wes­ten ver­ein­zelt noch immer eines gro­ßen Maßes an Frei­heit. Aber auch in jenen Län­dern, die seit jeher demo­kra­tisch regiert wer­den, scheint die­se Frei­heit und sogar das Ver­lan­gen danach im Schwin­den zu sein. In der übri­gen Welt ist die Frei­heit des Indi­vi­du­ums schon ver­schwun­den oder ganz offen­sicht­lich unmit­tel­bar im Ver­schwin­den begrif­fen. Der Alb­traum tota­ler Orga­ni­sa­ti­on, den ich ins 7. Jahr­hun­dert n. F. ver­legt hat­te, ist aus der unge­fähr­lich fer­nen Zukunft her­aus­ge­tre­ten und erwar­tet uns nun unmit­tel­bar vor unse­rer Tür.

Und das tut sie heu­te mehr denn je. Wir wer­den uns des­halb in den nächs­ten Fol­gen mit den Gedan­ken Hux­leys in die­sen Essays aus­ein­an­der­set­zen, die für uns 66 Jah­re nach deren Erschei­nen hilf­reich sein könn­ten, — und dies wie immer

am kom­men­den Sams­tag, den 27. April

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