80 km von Los Angeles entfernt fanden die Huxleys im Antelope Valley eine Ranch, die 1914 Schauplatz eines Experiments in kooperativer Kollektivwirtschaft — wohl eine Art Kibbuz-Vorläufer — gewesen war.
Am Ende hatte die Kolonie 1100 Bewohner. Wasserknappheit und Isolation beendeten das Experiment 1918. Huxley sprang auf diese Geschichte natürlich sofort an, nicht nur wegen der dezentralisierten, kommunalen Wirtschaftsform, sondern auch, weil es sich um eine Kommune von pazifistischen Kriegsdienstverweigerern während des ersten Weltkriegs gehandelt hatte.
Der Krieg holte sie auch in diesem abgelegenen Rückzugsort wieder ein. Die britische Presse warf ihm und anderen Engländern wie Isherwood, W.H. Auden und Bertrand Russell angesichts Hitlers Bombardierung von London feige Vaterlandsflucht vor. Die Huxleys schickten zwar Care-Pakete nach Belgien, Geld nach England, Belgien und Frankreich und unterstützten zwei jüdische Kinder, die Zuflucht in England gefunden hatten, aber die Ungewissheit über das Schicksal ihrer Familienmitglieder und vieler Freunde wurde zu einer grossen seelischen Belastung.
Dennoch tat das friedliche und ländliche Leben den beiden gut. … Dem permanenten gesellschaftlichen Trubel in Los Angeles, den Partys und den Diskussionen über den Krieg waren er und Maria entkommen, aber wie Mönche lebten sie auch nicht. Immer wieder mussten sie die Rundreise nach L.A. auf sich nehmen, sei es wegen Aldous’ Arbeit für die Filmstudios, ärztlicher Termine oder anderer Treffen.
Nach dem Kriegseintritt der USA im Anschluss an den Angriff auf Pearl Harbor wurde allerdings bald einmal Benzin und Autoreifen rationiert.
Treibstoff wurde angespart, um Krishnaji und seine Geliebte Rosalind in Ojai besuchen zu können. “Unsere Freundschaft wird immer enger und wir vermissen sie, schrieb Maria Ende November 1943- Besser als alle Bücher seien die Gespräche mit Krishnamurti, hatte Huxley an Christopher Isherwood geschrieben.
Die Beziehung Huxleys mit Hollywood bliebt weiterhin ambivalent. Einerseits hatte er mit dem Filmskript für “Jane Eyre” von Charlotte Bronté Erfolg. Sein Freund Orson Welles bekam die Hauptrolle und war am Drehbuch massgeblich beteiligt, und der Film wurde 1944 zu einem grossen Erfolg. Andererseits wurde seine Mitarbeit an einer Verfilmung von “Alice in Wonderland” durch Walt Disney, die als Mischung aus Real- und Zeichntrickfilm gedacht war, ein Flop:
Huxley sollte die Hintergrundgeschichte zu Alice-Autor Lewis Carroll beisteuern. Das Oxford der 1860-er Jahre — das war natürlich genau Huxleys Kragenweite. Und — unter den kleinen Mädchen, die Carroll so gerne fotografiert hatte, war auch Huxleys Mutter gewesen. Disneys Kommentar zu seinem historisch akribischen zehnseitigen Entwurf: “Ich verstand nur jedes dritte Wort. Wenn man in Hollywood arbeiten will, darf man nicht zuviel Grips haben.” Der Film kam 1951 als reiner Zeichentrickfilm in die Kinos. Der Beitrag von Huxley fand wieder einmal keine Verwendung. Immerhin hatte er 5000 Dollar verdient.
Die Auszeit in der Mojave-Wüste war vor allem für Maria eine echte Erholung:
Der weite Blick auf das Bergpanorama, das intensive Licht, das Spiel der Wolken, die Einsamkeit, die Ruhe — Maria war begeistert. “Ich wohne nicht in einer Wüste, ich wohne in einer Oase” … Dazu gab es neun kleine Katzen, die unter den Bäumen tollten, den Garten, die ikonischen Joshua Trees, Pappeln, Feigen, Äpfel, Tomaten, Pfirsiche, Trauben, die Farbenpracht des Wüstenfrühlings … Aber es gab auch Koyoten, die die Hunde jagten, und Klapperschlangen, vor denen man sich auf Spaziergängen in Acht nehmen musste. … Auch wenn das Leben auf der Ranch zwischen Haus und Garten Knochenarbeit war, auch wenn es noch Probleme mit der Wasserversorgung und dem Generator gab, und auch wenn ihr die Hände schmerzten und sie am Ende des Tages in einen erschöpften Zehn-Stunden-Schlaf fiel — Maria war glücklich.
Doch mit dem Krieg endete auch ihr Aufenthalt im Antelope Valley. Huxley entwickelte eine Allergie, die einen starken Hautausschlag und Schwellungen im Gesicht verursachte. Nach zwei Jahren erfolglosem Kampf dagegen und nach immer wieder auftauchenden Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung und dem Stromgenerator beschlossen die Huxleys, wieder in die “Zivilisation” zurückzukehren, — mit zwei literarischen “Früchten”: der “Kunst des Sehens” und dem Roman “Time must have a stop” (dt. “Zeit muss enden”)
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