Wahrscheinlich haben einige Leserinnen und Leser erkannt, von welchem geheimnisvollen Inder am Schluss der letzten Folge die Rede war: Jiddu Krishnamurti, der von Annie Besant, der Leiterin der Theosophischen Gesellschaft, noch als Jugendlicher zum neuen “Weltlehrer” erklärt wurde, sich später von dieser Rolle distanzierte und als Philosoph lehrte, jeder Mensch müsse letztlich auf sich allein gestellt seinen Weg zu Gott finden. Bis zu seinem Tod 1986 fand er dank seiner intensiven internationalen Vortragsreisen weltweit eine grosse Anhängerschaft. Er stand auch in regem Austausch mit Wissenschaftlern wie den Physikern David Bohm, Richard Feynman und dem Biologen Rupert Sheldrake.
Rudolf Steiner, der anfangs des 20. Jahrhunderts die deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft leitete, brach wegen der Krishnamurti-“Geschichte” mit den Theosophen und ging mit der Anthroposophie seinen eigenen Weg.
(Krishnamurti) war zu der Überzeugung gekommen, dass “Wahrheit ein pfadloses Land ist”, das jeder nur allein erfahren könne, ohne Führer, Guru, Institutionen, Religion, Philosophie und ohne Methode. Dieser Einsicht bedingungslos folgend, hatte er sich in Ojai (Kalifornien) niedergelassen .…
Aldous, der ebenfalls organisierte Religion und religiöse Führer ablehnte, musste Krishnamurtis rigoros individualistische Haltung gefallen. Krishnaji, wie er von seinen Freunden genannt wurde, sollte nach D.H. Lawrence und Gerald Heard nicht nur den grössten Einfluss auf Huxleys weitere pragmatisch-philosophische Entwicklung haben, sondern zwischen den beiden entstand auch eine aussergewöhnliche und andauernde Freundschaft. Bis zum Ende von Huxleys Leben verbrachten sie von 1039 an oft Zeit miteinander, sofern sie nicht jeweils auf Reisen waren. Krishnamurti beschrieb ihre Beziehung als eigentümlich, warmherzig und rücksichtsvoll sowie von wortlosem Verständnis. Häufig würden sie einfach schweigend beisammen sitzen oder ausgedehnte Spaziergänge machen (…)
Wie sehr die beiden intellektuell miteinander im Einklang waren, lässt sich an Huxleys langem Vorwort zur Krishnamurtis Buch “The First and the Last Freedom” (dt. Schöpferische Freiheit) von 1948 ablesen. Andererseits konnte Aldous Krishnaij mit anschaulichen Beispielen davon überzeugen, dass der Intellekt, das Denken, das nach Krishnamurtis Überzeugung die Wurzel allen menschlichen Übels war, auch wundervolle Dinge zu erbringen vermochte.
Hier einige Zitate von Jiddu Krishnamurti:
● Du musst das ganze Leben verstehen, nicht nur einen Teil davon. Deshalb musst du lesen, deshalb musst du in den Himmel schauen, deshalb musst du singen, tanzen und Gedichte schreiben, und leiden und verstehen, denn all das ist Leben.
● Die Gesellschaft ist eine Abstraktion. Abstraktion ist keine Realität. Was Wirklichkeit ist, ist Beziehung. Die Beziehung zwischen den Menschen hat das geschaffen, was wir Gesellschaft nennen.
● Ich muss mich in der Wirklichkeit studieren – so wie ich bin, nicht wie ich sein möchte.
● Vergiss alles, was du über dich weißt; vergiss alles, was du jemals über dich gedacht hast; beginne, als ob du nichts wüsstest.
● Bewusst zu sein bedeutet, feinfühlig zu sein, lebendig für die Dinge um einen herum, für die Natur, die Menschen, die Farben, die Bäume, die Umwelt, die soziale Struktur, das Ganze; sich dessen bewusst zu sein, was im Äußeren geschieht, und sich dessen bewusst zu sein, was im Inneren geschieht.
● Es beginnt in der Schule, und man geht durchs Leben, indem man wiederholt, was andere gesagt haben. Ihr seid also Menschen aus zweiter Hand.
● Die Entleerung des Bewusstseins von all seinen Inhalten bedeutet die totale Bewegung von Wahrnehmung und Handeln.
● Man hat nie Angst vor dem Unbekannten; man hat Angst davor, dass das Bekannte zu Ende geht.
● Glück ist seltsam; es kommt, wenn man es nicht sucht. Wenn du dich nicht bemühst, glücklich zu sein, dann ist das Glück unerwartet und auf geheimnisvolle Weise da, geboren aus der Reinheit, aus der Lieblichkeit des Seins.
Fortsetzung wie immer am kommenden Samstag, den 24. Februar
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