1932 erschien das Buch, das — ähn­lich wie “1984″ von George Orwell — zu einem Dauer-Best­seller wurde: Brave New World. Hux­ley stellte die Vision, oder bess­er gesagt, die Dystopie ein­er entseel­ten zukün­fti­gen Welt als iro­nis­che Antwort der pos­i­tiv­en Utopie “Men Like Gods” von H.G. Wells gegenüber. (In seinen Büch­ern “Time Machine” (1895) und “The War of the Worlds” (1895 — 97) hat­te Wells allerd­ings dur­chaus düstere Sci­ence Fic­tion-Szenar­ien geze­ich­net)

Uwe Rasch und Ger­hard Wag­n­er fassen den Inhalt von Hux­leys Dystopie aus­geze­ich­net zusam­men:
Hux­ley ver­ar­beit­et darin all seine Bedenken, die er angesichts der poli­tis­chen, ökonomis­chen und wis­senschaftlichen Entwick­lung der Welt hegte, und trieb sie auf die Spitze. Dabei wirkt der fik­tive Welt­staat im Jahre 632 nach Ford ober­fläch­lich gese­hen paradiesisch.
(“nach Ford”? Hux­ley war auf sein­er Indi­en­reise auf eine Biogra­phie von Hen­ry Ford gestossen und war fasziniert und abgestossen zugle­ich von der Entwick­lung der Fliess­band­pro­duk­tion, welche die Arbeit völ­lig dem Rhyth­mus und Dik­tat der “Mas­chine” unter­warf. Sie wurde für ihn zum Sym­bol ein­er see­len­losen, durchge­planten und mech­a­nisierten Gesellschaft:
An die Stelle der Reli­gion tritt ein Verehrungskult für den Auto­mo­bil­bauer Hen­ry Ford. Wichtige Per­sön­lichkeit­en wer­den als „Ford­schaft“ (Orig­i­nal: „Ford­ship“) ange­sprochen. Sym­bol des Kultes ist der Buch­stabe T in Erin­nerung an das Mod­ell T des Ford-Konz­erns und auch in Anlehnung an das christliche Kreuz, welch­es durch ein T erset­zt wurde. (Wikipedia)

Es gibt keine Kriege mehr, es herrscht gross­möglich­ste Sta­bil­ität und Sicher­heit. Jed­er Bürg­er hat seinen Platz in der Gesellschaft, besitzt eine Arbeit, kann sor­g­los und glück­lich seinem Leben nachge­hen und die Freizeit geniessen. Aber dieser Zus­tand ist sehr teuer erkauft, denn dafür haben die weni­gen Machthaber den Bürg­ern ihre geistige Frei­heit und damit ihre Iden­tität ger­aubt

Schon als kün­stlich gezeugter Embryo ist das Indi­vidu­um für seine spätere Tätigkeit und seine Posi­tion in der gesellschaftlichen Hier­ar­chie vorge­se­hen und wird dementsprechend von Wis­senschaftlern gezielt manip­uliert und stan­dar­d­isiert. Spezielle Kon­di­tion­ierung von früh­ester Kind­heit an sorgt dafür, dass sich der Einzelne ganz mit sein­er Rolle in der Gesellschaft iden­ti­fiziert und sie stolz ver­tritt. So bildet jed­er Men­sch ein mehr oder weniger kleines Zah­n­rad in der riesi­gen Maschiner­ie des Welt­staats, der sich voll­ständig Hen­ry Fords Leitvorstel­lun­gen von Pro­duk­tiv­ität und Kon­sum ver­schrieben hat.

Kri­tis­ches oder kreatives Denken, wie es in der Ver­gan­gen­heit in Lit­er­atur, Philoso­phie und Reli­gion zum Aus­druck gekom­men ist, stellt für das Sys­tem eine ele­mentare Bedro­hung dar und wird deshalb von vorn­here­in so weit wie möglich aus­geschal­tet. Wenn es inner­halb der höheren und damit intel­li­gen­teren Kas­ten der Gesellschaft doch hin und wieder zum Vorschein kommt, kann als Gegen­mit­tel die glück­lich machende Droge “Soma” einge­set­zt wer­den. Hil­ft auch sie nicht nach­haltig, wird der Betr­e­f­fende an den Rand des Welt­staats ver­ban­nt.

Ein Hoff­nungss­chim­mer für diese ster­ile Welt ist “der Wilde”, den zwei “Alphas” nach ihrem Besuch in einem Reser­vat zurück­brin­gen. Doch dieser zer­bricht an der Unvere­in­barkeit­en der zwei Wel­ten. Hux­ley bedauerte später, dass er dieser Roman­fig­ur keine Entwick­lungsmöglichkeit­en gelassen hat­te:
Dem Wilden wer­den nur zwei Möglichkeit­en geboten: ein wah­n­witziges Leben im Lande Utopia oder das Leben eines Einge­bore­nen in einem Indi­an­er­dorf, ein Leben, das in manch­er Hin­sicht men­schlich­er, in ander­er aber kaum weniger ver­schroben und anom­al ist. Zur Zeit, als das Buch ver­faßt wurde, war dieser Gedanke, daß den Men­schen die Wil­lens­frei­heit gegeben ist, zwis­chen Wahnsinn ein­er­seits und Irrsinn ander­er­seits zu wählen, etwas, was ich belusti­gend fand und für dur­chaus möglich hielt. (…)

Wollte ich das Buch aufs neue schreiben, böte ich dem Wilden eine dritte Möglichkeit. Zwis­chen der utopis­chen und der prim­i­tiv­en Alter­na­tive des Dilem­mas läge die Möglichkeit nor­malen Lebens — bere­its einiger­maßen ver­wirk­licht in ein­er Gemein­schaft von Ver­ban­nten und Flüchtlin­gen aus der »schö­nen neuen Welt«, die inner­halb ein­er Reser­va­tion leben. In dieser Gemein­schaft wäre die Wirtschaft dezen­tral­is­tisch …, die Poli­tik kropotki­nesk und koop­er­a­tiv. Natur­wis­senschaft und Tech­nolo­gie wür­den benutzt, als wären sie, wie der Sab­bath, für den Men­schen gemacht, nicht, als solle der Men­sch (wie gegen­wär­tig und noch mehr in der »schö­nen neuen Welt«) ihnen angepaßt und unter­wor­fen wer­den.
Reli­gion wäre das bewußte und ver­ständi­ge Streben nach dem höch­sten Ziel des Men­schen, nach der einen­den Erken­nt­nis des imma­nen­ten Tao oder Logos, der tran­szen­den­ten Got­theit oder des Brah­man.
1962, ein Jahr vor seinem Tod, ver­suchte sich Hux­ley dann mit “Island” an einem pos­i­tiv­en Aus­blick auf die Entwick­lung der Men­schheit. Dazu später mehr.

Schöne Neue Welt wurde sofort ein  gross­er Verkauf­ser­folg, — auss­er in den Vere­inigten Staat­en …

Wer sich “Schöne Neue Welt” in ein­er Hör­spielfas­sung anhören möchte, wird hier fündig.
Wer Lust auf eine von Hux­ley sel­ber gele­sene Radio­fas­sung hat, klickt das Bild an.

Näch­ste Folge am Sam­stag, den 25. Novem­ber

An anderen Serien inter­essiert?
Wil­helm Tell / Ignaz Trox­ler / Hein­er Koech­lin / Simone Weil / Gus­tav Meyrink / Nar­rengeschicht­en / Bede Grif­fiths / Graf Cagliostro /Sali­na Rau­ri­ca / Die Welt­woche und Don­ald Trump / Die Welt­woche und der Kli­mawan­del / Die Welt­woche und der liebe Gott /Lebendi­ge Birs / Aus mein­er Fotoküche / Die Schweiz in Europa /Die Reich­sidee /Voge­sen Aus mein­er Bücherk­iste / Ralph Wal­do Emer­son / Fritz Brup­bach­er  / A Basic Call to Con­scious­ness / Leon­hard Ragaz / Chris­ten­tum und Gno­sis / Hel­ve­tia — quo vadis? / Aldous Hux­ley / Dle WW und die Katholis­che Kirche /

Die Reichsidee 111
Freiwillige vor!

Deine Meinung