Mit dem fol­gen­den, zugegeben­er­massen drastis­chen Beispiel zeigt Forbes, dass “Wetiko” nicht nur nicht vor Bil­dung, son­dern auch vor Reli­gion nicht halt macht. Er zitiert aus dem Tage­buch eines englis­chen Mis­sion­ars, der im Kon­go eine Mis­sion­ssta­tion übernehmen sollte:

Kurz nach­dem wir den Kon­go über­quert hat­ten, gelangten wir in den Wald, und zum ersten Mal fühlte ich richtige Angst … Denn der Wald war böse. Ich fühlte es, sobald ich ihn sah … Ich entschloß mich, daß ich es zu mein­er Auf­gabe machen würde, die Hei­den aus dem Wald zu brin­gen, um ihnen das Son­nen­licht zu geben, um ihnen zu zeigen, wie sie in Gottes freier Welt leben kön­nen …
Als wir schließlich die Mis­sion­arssta­tion erre­icht­en, fand ich zu meinem Entset­zen, daß sie nicht viel anders aus­sah als die »nativ­en« Lager in der Umge­bung. Sie stand auf ein­er kleinen Lich­tung mit dem Wald dicht hin­ter dem Haus … Die Gebäude sahen genau wie »native« Hüt­ten aus.
Natür­lich war ich auf Müh­sal vor­bere­it­et, und es war nicht die Aus­sicht auf Unbe­quem­lichkeit, die mich aus der Fas­sung brachte, son­dern ich fühlte vielmehr, daß wir ein Exem­pel sta­tu­ieren soll­ten … nicht leben soll­ten wie sie … Ich hätte niemals geglaubt, daß die Macht des Satans Gottes Krea­turen so völ­lig per­vertieren kön­nte. Die Män­ner und Frauen waren in jed­er Beziehung unmoralisch. Sie schliefen miteinan­der, bevor sie ver­heiratet waren, sie nah­men mehr als eine Frau und trieben alle Arten von hei­d­nis­chen Riten miteinan­der. Gott allein weiß, wie schreck­lich sie waren. Ich kon­nte mich niemals dazu brin­gen, sie zu beobacht­en. …

Es waren ein­same Tage, ohne jeman­den, mit dem man in ein­er zivil­isierten Sprache hätte reden kön­nen … Einige Male ver­suchte ich mit Amboko zu reden (ein Assis­tent), aber … es war schw­er, mit ihm zu reden, und ich hat­te Angst, mit ihm die Bibel zu disku­tieren, da sein Ver­ständ­nis begren­zt war. Mehrere Male ertappte ich ihn, wie er das »Wort« falsch ver­stand, und ein­mal behauptete er mir gegenüber vor den Kindern, daß seine Inter­pre­ta­tion genau­so gut wäre wie meine …

Dann machte sich der Mis­sion­ar daran,  das “Böse” auszumerzen und seine fortschrit­tlichen Ideen Schritt um Schritt umzuset­zen:
Es war her­rlich zu sehen, wie der Wald an allen Seit­en ein­stürzte. Ich kon­nte fühlen, wie die Macht Satans mit jedem Baum, der fiel, zurück­wich. Er [Amboko] wollte nicht ein­mal, daß der Wald abge­holzt wurde. Er sagte, das würde nur Unglück brin­gen, es sei denn, wir wür­den den Boden für den Anbau nutzen … Er sagte, wir soll­ten zumin­d­est einige Bäume für den Schat­ten und zum Schutz der Erde ste­hen lassen.
… Wir ver­sucht­en Gärten anzule­gen und sie mit Blu­men zu bepflanzen, aber sie ver­welk­ten und star­ben bald. Die nack­te Erde ergab jedoch bewun­dern­swerte Ten­nis­plätze … Und es war gut, in der Lage zu sein, sich auszu­ruhen und für eine Weile zu vergessen, daß man in Afri­ka war, umgeben von Hei­den. Ich hat­te ver­sucht, mich mit ihnen anzufre­un­den, aber das war unmöglich, und das wird zumin­d­est für viele Jahre noch so bleiben …
In den Küchen gewöh­n­ten sie es sich an, ohne meine Erlaub­nis Essen an all ihre Fre­unde und Ver­wandten zu verteilen. Wenn ich sie tadelte, fragten sie mich, ob ich ihnen nicht beige­bracht hätte, alles, was sie hät­ten, zu teilen, denn desto mehr würde ihnen von Gott gegeben wer­den … Und das Schlimm­ste war, daß ich ihnen andro­hen mußte, sie mit ein­er Geld­strafe zu bele­gen, wenn sie nicht zur Kirche kämen, obwohl jede einzelne Per­son auf der Sta­tion ein Christ war – das war eine Ein­stel­lungs­be­din­gung.
Soweit möglich ver­suchte ich, die Kinder von den Eltern fernzuhal­ten …, weil ich weiß, daß man keinem der Älteren trauen kann. Wenn wir über­haupt die Kinder ret­ten wollen, müssen wir ihnen die Gele­gen­heit geben, unter wahren Chris­ten aufzuwach­sen, selb­st wenn das heißt, sie von ihren hei­d­nis­chen Fam­i­lien zu tren­nen … Ich weiß, daß es meine Auf­gabe ist, den Kindern das »Wort« nahezubrin­gen, damit sie es ver­ste­hen. Wenn sie das »Wort« nicht beacht­en, ver­di­enen sie, ver­dammt zu wer­den … Wenn sie es vorziehen, es abzulehnen, ist ihr Blut nicht an meinen Hän­den, son­dern an ihren und an den Hän­den des Bösen, das in ihnen allen wohnt.

(Rev. Hen­ry Spence in M. Turn­bull, The Lone­ly African)

Der Kom­men­tar dazu von Jack D. Forbes:
Dieser Auszug aus der Geschichte des englis­chen Mis­sion­ars gibt den Geist des Fanatismus, der Eng­stirnigkeit, des Führerprinzips, der Arro­ganz und der völ­li­gen Dummheit so »schön« wieder, den man oft in Tage­büch­ern, Briefen und Bericht­en von katholis­chen und protes­tantis­chen Mis­sion­aren in Nord- und Südameri­ka sieht. Aber dieser Auszug ist nicht nur auf­schlußre­ich bezüglich der Mis­sion­are. Er spiegelt auch die Feind­schaft gegen die Natur und den Wald, die heute in dem Ver­hal­ten viel­er europäis­ch­er »Pio­niere« in Nor­dameri­ka und Brasilien zu erken­nen ist, wider. Der Wald muß zer­stört wer­den, selb­st wenn daraus resul­tiert, daß die Erde hart (oder aus­ge­waschen) wird, so daß eine Wüste entste­ht.

Auf jeden Fall besitzt der Mis­sion­ar, außer sein­er Wah­n­vorstel­lung, daß der Wald vom Teufel besessen sei, viele deut­liche Sym­bole der Wétiko-Krankheit. Er ist ein Lügn­er und ein Heuch­ler (er lehrt die Grund­sätze des Teilens und der Liebe, prak­tiziert sie jedoch nicht selb­st). Er ist arro­gant, er hört anderen nie zu. Er manip­uliert das Leben ander­er Men­schen. Er ver­sucht, ihre See­len zu kon­sum­ieren, als wenn sie ihm gehörten. Er beutet andere Men­schen aus, wie z. B. Amboko, den er immer wie ein min­der­w­er­tiges Wesen behan­delt. (Zweifel­los unter­stützt er auch den weltlichen europäis­chen Impe­ri­al­is­mus, der das Leben und die Reichtümer der Native Kon­gole­sen zer­störte und für die »Sicher­heit« der Mis­sion­are garantierte.)

Müssen wir aus diesen Worten fol­gern, dass Forbes ein radikaler Geg­n­er jeglichen Chris­ten­tums war? Dieser Frage wollen wir am kom­menden Don­ner­stag anhand des Kapi­tels “Wenn Jesus zurück­käme” nachge­hen, — und dies wie immer in der näch­sten Folge am kom­menden Don­ner­stag, den 1. Juni

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