In den 70-er Jah­ren war das Inter­es­se an öst­li­chen und indi­ge­nen Tra­di­tio­nen bei vie­len jun­gen Men­schen gross. Im offi­zi­el­len Kir­chen­chris­ten­tum war der medi­ta­ti­ve Weg der Erfah­rung tie­fer spi­ri­tu­el­ler Wahr­hei­ten aus­ge­trock­net und nur noch in Rand­grup­pen halb­wegs lebendig.
Von den USA her kom­mend roll­te eine ers­te New Age-Wel­le über Euro­pa. Hin­du­is­ti­sche Gurus und bud­dhis­ti­sche Mön­che fan­den im Wes­ten eine nach tie­fe­ren spi­ri­tu­el­len Erfah­run­gen dürs­ten­de Gesell­schaft vor. Timo­thy Lea­ry pre­dig­te die Erleuch­tung mit­tels LSD, und Hip­pies mach­ten sich im Jura auf die Suche nach Psylo­bicin-hal­ti­gen Pil­zen. Die Gestalt­the­ra­pie von Fritz Perls wur­de bekann­ter, und bei Arthur Janov konn­te man sich vom eige­nen Geburts­trau­ma (der Urschrei) befrei­en lassen.

In die­sem Zusam­men­hang ist auch das Inter­es­se zu sehen, das für indi­ge­ne nord­ame­ri­ka­ni­sche Hei­lungs­ri­tua­le erwach­te, an ers­ter Stel­le die Schwitz­hüt­ten-Zere­mo­nie, die der see­li­schen und kör­per­li­chen Rei­ni­gung dient. Die Teil­nah­me ist für Weis­se bei ent­spre­chen­der ernst­haf­ter und kom­pe­ten­ter Vor­be­rei­tung sicher eine wert­vol­le Erfah­rung, aber schon bald ent­deck­ten Anbie­ter von NewA­ge-Spi­ri­tua­li­tät, aber auch Indi­ge­ne sel­ber  die kom­mer­zi­el­len Ausschlachtungsmöglichkeiten.

Tra­di­tio­nel­le “Elders”, die im sog. “Elders Cir­cle” zusam­men­ge­schlos­sen waren, um die indi­ge­ne Spi­ri­tua­li­tät vor kom­mer­zi­el­ler Aus­beu­tung zu bewah­ren, warn­ten uns vor den “Plastic Medi­ci­ne Men” — Scha­ma­nen, die durch­aus ent­spre­chen­des Wis­sen besas­sen, aber ohne spe­zi­el­len Auf­trag durch die indi­ge­nen Gemein­schaf­ten nach Euro­pa kamen, um hier gegen gutes Geld Ein­wei­hun­gen, Visi­ons­su­chen und Schwitz­hüt­ten-Ritua­le durch­zu­füh­ren. Als zusätz­li­chen Bonus gab es öfters jun­ge Frau­en, die in die­sen Scha­ma­nen ihre Gurus zu erken­nen glaub­ten und von ihnen scham­los aus­ge­nutzt wurden.

Wie vie­le ande­re Ritua­le ist auch das Schwitz­hüt­ten­ri­tu­al zum Gegen­stand kul­tu­rel­ler Aneig­nung, Ent­frem­dung und kom­mer­zi­el­ler Aus­beu­tung durch kul­tur­frem­de Per­so­nen und Grup­pen gewor­den. Welch stellt fest, dass indi­ge­ne Spi­ri­tua­li­tät meis­tens von west­li­chen oder New-Age-beein­fluss­ten Autoren beschrie­ben und aus deren Per­spek­ti­ve wahr­ge­nom­men und inter­pre­tiert wer­de. Dies bie­te Anknüp­fungs­punk­te für die New-Age-Bewe­gung und Neo­pa­ga­nis­mus, die als Ant­wort auf den west­li­chen Zwie­spalt zwi­schen Natur und Tech­no­lo­gie nach Hei­lig­keit im All­tag such­ten und indi­ge­ne Spi­ri­tua­li­tät als „gol­de­nes Zeit­al­ter“ eines fan­tas­ti­schen indi­ge­nen Lebens betrach­te­ten. In die­ser west­lich gepräg­ten Vor­stel­lung neh­me die Schwitz­hüt­te die Funk­ti­on des Scho­ßes der „Mut­ter Erde“ ein.

Die Durch­füh­rung von an Zere­mo­nien indi­ge­ner nord­ame­ri­ka­ni­scher Kul­tu­ren ange­lehn­ten Schwitz­hüt­ten­ri­tua­len außer­halb ihres ursprüng­li­chen Kon­texts wird ins­be­son­de­re wegen ihres kom­mer­zi­el­len Cha­rak­ters kri­ti­siert. Ver­tre­ter indi­ge­ner nord­ame­ri­ka­ni­scher Grup­pen leh­nen die­se Kom­mer­zia­li­sie­rung ihrer Zere­mo­nien durch „pseu­do-india­ni­sche Schar­la­ta­ne und New-Age-Möch­te­ger­ne“ (sie­he auch „Plas­tik­scha­ma­ne“) scharf ab. Ange­hö­ri­ge der Lako­ta ver­öf­fent­lich­ten 1994 eine sym­bo­li­sche „Kriegs­er­klä­rung“ gegen „Pro­fi­teu­re“ und „Aus­beu­ter der Lako­ta-Spi­ri­tua­li­tät“ auch indi­ge­ner Her­kunft. 2003 ver­kün­de­ten Medi­zin­leu­te ver­schie­de­ner Natio­nen, so der Ara­pa­ho, Che­yenne, Cree, Sioux, unter der Lei­tung von Arvol Loo­king Hor­se den Beschluss, Nicht­in­dia­ner von hei­li­gen Riten aus­zu­schlie­ßen. (Wiki­pe­dia)

Zwei gewich­ti­ge india­ni­sche Stim­men, Vine Delo­ria und Oren Lyons, kri­ti­sier­ten die­se ober­fläch­li­che Aneig­nung indi­ge­ner Spi­ri­tua­li­tät deutlich:
Die Beharr­lich­keit des ame­ri­ka­ni­schen Main­streams, sol­chen Unsinn zu kau­fen, hat Delo­ria zu der Schluss­fol­ge­rung ver­an­lasst, dass “die Wei­ßen in die­sem Land so ent­frem­det von ihrem eige­nen Leben und so hung­rig nach einer Art ech­tem Leben sind, dass sie nach jedem Stroh­halm grei­fen, um sich zu ret­ten. Aber die High-Tech-Gesell­schaft hat sie auf den Geschmack der schnel­len Lösung” gebracht. Sie wol­len, dass ihre Spi­ri­tua­li­tät so ver­packt wird, dass sie sofor­ti­ge Erkennt­nis­se lie­fert, je sen­sa­tio­nel­ler und absur­der, des­to bes­ser. Sie zah­len viel Geld an jeden, der unehr­lich genug ist, ihnen spi­ri­tu­el­le Erlö­sung anzu­bie­ten, nach­dem sie das rich­ti­ge Buch gele­sen oder die rich­ti­ge 15-minü­ti­ge Sit­zung besucht haben. Und das macht sie natür­lich offen für jede Art von Abzo­ckern, die man sich vor­stel­len kann. Eigent­lich ist das alles sehr erbärmlich.”

Oren Lyons, ein tra­di­tio­nel­ler Häupt­ling der Onon­da­ga Nati­on, räumt Delo­ri­as Argu­men­te ein, meint aber, das Pro­blem gehe viel tie­fer. “Die Nicht-India­ner haben sich so sehr an den gan­zen Rum­mel um Hoch­stap­ler und Lüg­ner gewöhnt, dass ein ech­ter india­ni­scher spi­ri­tu­el­ler Füh­rer, der ver­sucht, ihnen nütz­li­che Rat­schlä­ge zu geben, abge­wie­sen wird. Er ist nicht ‘india­nisch’ genug für all die­se nicht-india­ni­schen Exper­ten für india­ni­sche Reli­gi­on. Das ist nicht nur ent­wür­di­gend für das india­ni­sche Volk, es ist auch ein gera­de­zu wahn­haf­tes Ver­hal­ten sei­tens der Instant-Exper­ten, die glau­ben, sie hät­ten alle Ant­wor­ten, bevor sie über­haupt die Fra­gen gehört haben. (aus: culturalsurvival.org)

Aber auch die Zusam­men­ar­beit zwi­schen dem Ame­ri­can Indian Move­ment und den Dele­ga­tio­nen indi­ge­ner Natio­nen ver­lief nicht immer ohne Kon­flik­te. Das ist ver­ständ­lich ange­sichts der Tat­sa­che, dass die “jun­gen Wil­den” im AIM aus den gros­sen Städ­ten sich mit ihrer eige­nen spi­ri­tu­el­len Tra­di­ti­on wie­der ver­traut machen muss­ten, dabei Feh­ler mach­ten, und in ihrem unbe­ding­ten Wil­len, für die Aner­ken­nung india­ni­scher Rech­te zu sor­gen, manch­mal überbordeten.

Dass der Scha­ma­nis­mus auch eine dunk­le Sei­te haben kann und ein Scha­ma­ne tat­säch­lich mit Kräf­ten arbei­tet, die zwar aus dem Bewusst­sein west­li­cher Wis­sen­schaft völ­lig ent­schwun­den, aber durch­aus real sind, erfuhr der birsfaelder.li-Schreiberling eines Tages am eige­nen Lei­be. Das war für ihn damals eine ziem­lich scho­ckie­ren­de Erfah­rung und führ­te dazu, sein Enga­ge­ment für die indi­ge­ne Cau­sa Schritt um Schritt zu redu­zie­ren, weil er spür­te, dass es für eine sinn­vol­le Zusam­men­ar­beit von sei­ner Sei­te her mehr Rei­fe brauch­te, — und die hat­te er nicht.

Inzwi­schen hat der Schrei­ber­ling ein paar Jähr­chen mehr auf dem Buckel und ist viel­leicht dabei sogar ein wenig wei­ser gewor­den. “A Basic Call of Con­scious­ness” blieb die gan­ze Zeit irgend­wo in sei­ner Biblio­thek, und als sie ihm im Juni wie­der ein­mal in die Hän­de fiel und er dar­in blät­ter­te, wur­de für ihn das Doku­ment zu einer Her­aus­for­de­rung, sich mit sei­nem Inhalt erneut aus­ein­an­der­zu­set­zen. Hält es für uns viel­leicht eine ernst­zu­neh­men­de Bot­schaft bereit, — und wenn ja, wor­in könn­te sie bestehen?

Mit die­ser Fra­ge­stel­lung stei­gen wir in die Dis­kus­si­on ein, und dies wie immer

am kom­men­den Don­ners­tag, den 25. August

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