Das Adjektiv “okkult” — (von übersinnlichen Dingen) verborgen, geheim — hat heute einen eher schlechten Ruf. Viele Christen — die meisten von der evangelikalen Spezies — bringen Okkultes sogleich mit bösartigen und negativen Kräften in Verbindung. Dabei bezieht sich der Begriff im Grunde nur auf jene geistigen/spirituellen Strömungen, die im Westen sowohl vom dogmatischen Christentum als später auch von einem sich ebenfalls immer dogmatischer gebärdenden Materialismus in den Untergrund gedrängt wurden.
Aber sowohl die Kabbalah, die Alchemie, die Magie — und um das Quartett vollständig zu machen — die Astrologie sind über die Jahrhunderte hinweg immer wieder aus dem Untergrund auferstanden. Heute existieren verschiedene universitäre Lehrstühle, die Licht in diese verdrängte Seite in der westlichen Kultur zu bringen trachten.
Es ist hier natürlich unmöglich, diese Gebiete inhaltlich auch nur ansatzweise vorzustellen. Aber auf drei entscheidende Aspekte soll doch hingewiesen werden:
● Alle vier okkulten Wissensgebiete gehen von einem grundlegenden Axiom aus: dass nämlich das materielle Universum sozusagen nur die unterste Stufe eines gewaltigen und immer noch andauernden Schöpfungsprozesses ist, der noch sehr viel grössere feinstofflichere “Welten” umfasst. Eine der wichtigsten Glyphen der Kabbalah, der sog. Lebensbaum, macht das anschaulich:
Zwischen dem Ursprung allen Seins — dem unfassbaren EinSof — und dem materiellen Universum (Malkuth) liegen viele vorausgehende Schöpfungsschritte. Jede der 9 feinstofflichen Sefirot ist Heimat unendlicher Heerscharen von spirituellen Wesen. Die Kabbalah postuliert vier Welten, die energetisch jeweils verschieden hoch schwingen. Ein Okkultist hat die Grössenverhältnisse zwischen dem materiellen Universum und den spirituellen Welten einmal so dargestellt:
Albert Einstein machte mit seiner berühmten Formel E = mc2 klar, dass unsere “feste” Materie im Grunde einfach tief schwingende Energie ist. Das wird sofort klar, wenn wir die Formel anders schreiben, nämlich m = E/c2! Unsere Sinne sind höchst beschränkt und gaukeln uns lediglich vor, dass “Materie” und “Energie” von einander getrennt und verschieden seien.
Alle vier okkulten Wissensgebiete arbeiten mit feinstofflicheren Ebenen.
● Eigentlich ist der Ausdruck “Wissensgebiet” irreführend. Es ist sicher notwendig, sich für jedes der Gebiete ein gewisses Mass an äusserem Wissen anzueignen. Aber um sich wirklich damit vertraut zu machen, ist intensive innere Arbeit gefragt, die man am bestem mit dem Begriff “Gnosis” umschreibt. Frühchristliche Gnostiker waren Menschen, die nicht einfach von aussen verkündeten Dogmen folgten, sondern das Göttliche in der Tiefe ihres ureigensten Seins erfahren wollten getreu des Ausspruches von Jeshua ben Joseph: “Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch” (Lukas 17.21).
Um das an einem konkreten Beispiel zu veranschaulichen: Es gibt heute ein riesiges, qualitativ mehr oder weniger wertvolles Bücherangebot zur Kabbalah, das einem erlaubt, sich mit den Grundbegriffen vertraut zu machen, — und die sind schon recht komplex. Aber um wirklich Nutzen daraus zu ziehen, braucht es den Kontakt zu einem kompetenten Lehrer oder zu einer Schule. Erst dann beginnt die eigentliche Arbeit, die Schritt um Schritt zu einer inneren Umwandlung des ganzen Wesens — und damit zu Gnosis, zu tiefer innerer Erkenntnis führt.
Gleiches gilt sowohl für die Alchemie wie auch für die Magie, die oft auch als “praktische Kabbalah” bezeichnet wird.
● Ein dritter wichtiger Hinweis: Diesen okkulten Wissenschaften sollte man sich nur mit innerer Ehrfurcht nähern. Wer mit der Beschäftigung mit diesen Gebieten irgendwelche egoistische Ziele verfolgt wie z.B. Reichtum oder Erlangung von Macht über andere, wird früher oder später in gewaltige Schwierigkeiten geraten. So wie es in den feinstofflichen Ebenen lichte Kräfte gibt, existieren auch dunkle, negative Kräfte. Man unterscheidet deshalb in der Magie zwischen der Theurgie, die nur mit lichten Kräften arbeitet, von der grauen und schwarzen Magie.
Graf Cagliostro besass offensichtlich auf allen Gebieten Kenntnisse. Dies wissen wir unter anderem aufgrund eines ausführlichen Erlebnisberichts einer jungen adeligen Dame, die im heutigen Lettland lebte und für einige Zeit zu seiner Schülerin wurde, bevor sie sich enttäuscht von ihm abwandte:
Nachricht von des berüchtigten Cagliostro Aufenthalte in Mitau im Jahre 1779 und von dessen dortigen magischen Operationen, von Elisabeth von der Recke.
Ihren Erfahrungen wollen wir uns am kommenden Samstag, den 7. August zuwenden.
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