Wie Hasi die Adventszeit erlebte

Es war ein­mal ein Schog­gi-Oster­hase – nen­nen wir ihn Hasi – der erlebte eine him­meltrau­rige Kind­heit. Schon bei sein­er Geburt ging es gehörig schief. Auf dem Lauf­band, wo die Guss­for­men der Hasen mit heiss­er Schoko­lade gefüllt wur­den, war Hasi der Let­zte, der an die Rei­he kam. Unglück­licher­weise war dann aber nicht mehr genü­gend Schog­gi­masse vorhan­den, um die Form ganz aufzufüllen. Statt makel­los aus der Guss­form gepellt zu wer­den, fehlte dem armen Hasi ein halbes Ohr. Er war deshalb während sein­er Jugendzeit dem Gespött sein­er Mit-Oster­hasen aus­ge­set­zt, die dank ihrem fehler­freien Ausse­hen zuvorder­st im Schaufen­ster der Kon­di­tor­ei aus­gestellt wur­den, und die Kund­schaft riss sich darum, einen solch gluschti­gen Lecker­bis­sen zu ergat­tern. Sie gin­gen weg wie frische Weg­gli und zwei Tage vor Ostern stand Hasi ganz alleine und ver­loren auf dem Verkauf­s­re­gal. Er fand keinen Käufer, obschon er wegen seinem Dachschaden speziell gün­stig ange­boten wurde. Tage, ja Wochen vergin­gen, ohne dass sich jemand für Hasi inter­essierte. Ostern war längst vor­bei, alle seine Oster­hasen Schwest­ern und Oster­hasen Brüder waren ver­mut­lich schon längst mit Genuss verzehrt, aber Hasi stand immer noch auf dem Regal.
Doch dann, kurz nach dem 1. August, geschah das Wun­der! Eine nette junge Dame erk­lärte der ver­dutzten Kon­di­tor­eiverkäuferin, sie habe eine tolle Idee, wozu Hasi gebraucht wer­den könne und kaufte den jet­zt zu einem Schnäp­pchen erhältlichen Oster­hasen. Die junge Dame war näm­lich eine got­tbeg­nadete Bast­lerin und auf Adventskränze spezial­isiert, die sie dann jew­eils am Advents­markt im Ster­nen­feld feil­bot. Und so wurde Hasi plöt­zlich zum Mit­telpunkt eines Adventskranzes! Dieser bestand aus geflocht­e­nen Tan­nen­zweigen und roten Kerzen, mon­tiert auf ein sil­bernes Tablett und gefüllt mit gold­e­nen Christ­baumkugeln. Und inmit­ten dieser glänzen­den Kugeln thronte unser stolz­er Hasi!
Am Advents­markt war dann dieser Kranz der absolute Ren­ner, nie­mand störte sich mehr am fehlen­den hal­ben Ohr. Der Kranz kam in den Birs­felder Anzeiger und selb­st im Regio-TV war er zu sehen! Für einem Super-Verkauf­spreis ging er an eine wohlhabende Birs­felder Fam­i­lie. Dort war der Adventskranz auf dem Salon­tisch der absolute Hin­guck­er. Höhep­unkt waren jew­eils die Advents-Son­ntage, wenn die Kerzen angezün­det wur­den. Am vierten Son­ntag bran­nten dann alle vier Kerzen. Es wurde dadurch so heiss, dass Hasi, mit seinem Leben vol­lkom­men zufrieden, friedlich dahin­floss

Walo Wälch­li

Aldous Huxley - Wahrheitssucher 59
Aus meiner Fotoküche 181

Deine Meinung