Weihnachten zuhause in der Fremde
Ich bin in Birsfelden gross geworden. Die Weihnachtszeit war mir schon immer wichtig. Nicht nur, weil ich christlich aufgewachsen bin. Nein, auch das ganze Drumherum. Das Leuchten der Lichter, die frühe Dunkelheit, die Kälte, der Glühwein, der Adventskranz, der Adventskalender, der Schnee. OK, kein Schnee! Doch für mich nimmt die Vorweihnachtszeit mit dem Ende der Herbstmesse langsam Fahrt auf. Weihnachten wurde in unserem Haus ausgiebig gefeiert, beginnend mit dem Gottesdienst am Heiligabend, Weihnachtsfest 1, Kurrendesingen, selbstverständlich vierstimmig und die obligate Nach-Weihnachts-Baisse.
Mit 25 entschied ich mich, Birsfelden zu verlassen und ein Jahr in Kambodscha zu leben. Ich wusste, vieles würde anders sein. Und tatsächlich: Vieles war anders. In Kambodscha ist es heiß und es gibt keine Jahreszeiten. Das Essen, die Gebräuche, die Gerüche, die Sprache. Alles in sich selbst ein neues Abenteuer. Langsam richtete ich mir ein neues Zuhause ein in einer kleinen Wohnung in Phnom Penh. Ich fand neue Freunde und die zukünftige Mutter meiner Kinder lernte ich auch schon kennen. Ich durfte viele spannende Orte in fernen Ländern sehen. Im November wird in Kambodscha das Wasserfest mit Bootsrennen gefeiert. Und da dämmerte es mir: Die Vorweihnachtszeit ist nah. Aber von Weihnachten keine Spur weit und breit. Darauf war ich nicht vorbereitet. Weihnachten ohne Familie, Kitsch, Singen und ohne Weihnachtsbeleuchtung? Oder zählt die Beleuchtung des Karaoke-Clubs? Eher nicht.
Ich musste meine Vorweihnachtszeit neu erfinden. Dafür musste ich ein paar Tabus brechen. Tatsächlich fand ich einen Plastikbaum samt einer Lichterkette und ein paar Weihnachtskugeln. Ich stellte alles entgegen meiner Gepflogenheiten bereits am ersten Advent auf, geschmückt mit kitschiger Weihnachtsverzierung, gefunden im Gewusel eines Marktes. Und tatsächlich konnte ich ein Fondue organisieren. Das war doch schon passabel.
Aus einem Jahr wurden viele Jahre. Jedes Jahr wuchs unser Weihnachtsbrauch weiter. Jedes Jahr füllte sich unsere Wohnung mit Menschen, die keine Familie hatten und in dieser Heiligen Nacht zu unserer Familie wurden. Trotz ungewöhnlicher Umstände war es jedes Jahr weihnachtlich.
Und jetzt sind wir wieder in Birsfelden und führen diese Tradition weiter. Mit vielen lieben Menschen, die weit weg von zuhause sind und Familie suchen und am Weihnachtsabend etwas Familie finden. Und dieses Mal mit einem richtigen Baum und Kerzen!
Christoph Lüthy