Das Geschenk des Sommers
Sommer für Sommer fahren wir voller Vorfreude in unser Herzensland. Ja, wer uns kennt, weiss bereits, um welche Destination es sich handelt. Allen anderen sei an dieser Stelle verraten, dass dabei von Griechenland die Rede ist.
Während unsere Freunde von den Malediven, Kopenhagen oder Island träumen, sind wir überglücklich, wenn wir endlich wieder das wohlklingende «kalimera sas» hören.
Immer wieder entdecken wir dort Neues, lassen uns von Unbekanntem begeistern und suchen aber auch das Vertraute, bereits Ersehnte, und können davon nicht genug bekommen.
Zugegeben, wer kann schon von wunderbaren Landschaften, archäologischen Schätzen, kulinarischen Genüssen, Wärme, Sonne, Meeresrauschen, zirpenden Zikaden und herzlichen Menschen genug bekommen? Wir jedenfalls nicht!
Doch wie jedes Jahr naht irgendwann auch der Abschied und wir nehmen uns beim Geruch von gegrilltem Lammfleisch, Oktopus und Gemüse vor, dieses Jahr die gefundene Lockerheit und Entspannung in unseren herbst- und winterlichen Alltag zu integrieren.
Doch gleich einem ewigen Muster gelingt das jeweils nur sehr bruchstückhaft, und spätestens wenn im November die kühlen, feuchten und kürzer werdenden Tage anbrechen, ist das Rauschen der Wellen verklungen, die Wärme der Sonne abgekühlt und der Oktopus zäh geworden.
Dann kommt der Dezember und beehrt uns mit noch kühleren, noch kürzeren Tagen, Matschschnee, Adventsstress und Weihnachtsreizüberflutung.
Wie sehnen wir uns dann nach den Tagen im griechischen Sommer und bereuen es, dass auch in diesem Herbst die sommerlichen Gefühle irgendwo zwischen Regenschirm und Wollmütze auf der Strecke geblieben sind.
Doch dieses Jahr ist etwas anders… der Postbote klingelt: Ein Paket! woher bloss? Sämtliche Zalando-Bestellungen für Weihnachten sind doch bereits eingetroffen? Absender: unlesbar.
Doch beim Aufschneiden des Klebebandes wird schne klar, woher das Paket stammt, denn schon bevor die Schachtel ganz geöffnet ist, steigt uns der unverkennbare Geruch getrockneten Oreganos in die Nase — der Geruch Griechenlands. Und ganz unvermittelt befinden wir uns mitten in Hellas auf einer besonnten Platia, schlürfen frisch gepressten Orangensaft und riechen den Duft des im Umland wild wachsenden Oreganos, welcher abends in der Altstadt, getrocknet und in Säcklein verpackt, verkauft wird. Was für ein Geschenk!
Danke, lieber Sommer, für dieses Geschenk – getrockneter Oregano – Sommergefühl auch in der Winterzeit!
Regula Nyffenegger