Ich habe gele­sen, daß zu Anfang des 20. Jahrhun­derts die Welt voller Opti­mis­ten war, die glaubten, daß Wis­senschaft und Tech­nolo­gie, par­la­men­tarische Regierungs­for­men und poli­tis­che Reform­be­we­gun­gen eine bessere Zeit für alle Men­schen ver­sprachen. Natür­lich bin ich mir sich­er, daß diese Opti­mis­ten Weiße waren und nicht Indi­an­er, Afrikan­er oder Asi­at­en, deren Leben abwärts und nicht aufwärts ging. Aber in jedem Fall, let­ztlich kon­nte die herrschende weiße Klasse opti­mistisch sein. Wie auch immer, heute, nach einem weit­eren Jahrhun­dert der Abschlach­tun­gen, Dik­taturen und der Zer­störung der Umwelt, ist es offen­sichtlich, daß die Welt entwed­er ihrem Unter­gang oder ein­er Ära von Super­polizeis­taat­en ins Auge blickt (sehr ähn­lich dem, was Orwell in »1984« vorher­sagte).

So leit­et Jack D. Forbes das Kapi­tel “Wenn Jesus zurück­käme” ein, und er analysiert unsere aktuelle Gesellschaft­sor­d­nung als  eine “machi­avel­lis­tis­che” Mas­sen­ge­sellschaft, die den Erwerb von Wohl­stands­gütern wertschätzt und durch aus­beu­ter­ische Beziehun­gen geken­ntze­ich­net ist. … So eine Gesellschaft wird sich selb­st zer­stören, da ihre Gier sie dazu treibt, ihre Ressourcen und sog­ar ihre eige­nen Leute zu ver­brauchen. 

Über­triebene Schwarz­malerei? — Vielle­icht. Aber wenn die NZZ 2020 in einem Beitrag titelt: Burnout. Arbeit­saus­fälle steigen auf ein Reko­rd­hoch, hängt das doch wohl doch mit dem “Ver­brauch der eige­nen Leute” zusam­men?

Und dann kommt Forbes auf seine Frage zurück:
Und wenn Yesh­wa ben Yusef zurück­käme? Wenn er in Europa irgend­wann zwis­chen 300 und vielle­icht 1800 n.Chr. zurück­gekom­men wäre, wäre er höchst­wahrschein­lich auf dem Scheit­er­haufen ver­bran­nt wor­den. Vielle­icht kam er und es geschah so. “Weisse Amerikan­er sind gele­gentlich so eng­stirnig, dass ich befürchte, würde Jesus zurück­kehren, kön­nte er nicht ein­mal die Strasse hin­un­terge­hen …” (Boni­ta Calachaw in Stein­er (ed.), Spir­it Woman).
Wie oft wurde Jesus von den Chris­ten getötet? Jedes­mal, wenn sie einen Ket­zer oder einen Hei­den töteten, jedes­mal, wenn sie ein Opfer ihres unter­drück­enden Kolo­nial­is­mus sich zu Tode arbeit­en oder ver­hungern liessen.

Ihr habt einen “Blondie” aus Jesus gemacht, zitiert er den Lako­ta Medi­z­in­mann Lame Deer. Ich habe nichts für diese blonden, blauäugi­gen Bilder eines ster­ilen, geschore­nen, mit Ajax gere­inigten Chris­tus übrig  … Jesus war ein Jude. er war kein Angel­sachse mit gelbem Haar. Ich bin sich­er, dass er schwarzes Haar und dun­kle Haut wie ein Indi­an­er hat­te. Die weis­sen Ranch­er hier hät­ten ihm nicht erlaubt, mit ihren Töchtern auszuge­hen … Seine Reli­gion kam aus der Wüste, in der er lebte, aus den Bergen, seinen Tieren, seinen Pflanzen. Ihr habt ver­sucht, ihn zu einem angel­säch­sis­chen “Fuller”-Bürsten-Vertreter zu machen …

Wieviel Pro­jek­tion hier nun von indi­an­is­ch­er Seite in das Bild von Jesus hinein­spielt, sei offen­ge­lassen. Aber es ist eine in den Evan­gelien bezeugte Tat­sache, dass Jesus sich zum Beten immer wieder “in die Wüste” zurück­zog. Er brauchte offen­sichtlich die Natur und die Stille, um mit “dem Vater” kom­mu­nizieren zu kön­nen.

Um die Par­al­le­len mit dem Beten auf “indi­an­is­che Weise” aufzuzeigen, zitiert Forbes den San­tee-Lako­ta Ohiye­sa, der später als Charles East­man in Boston Medi­zin studierte und 1911 in seinem Buch “The Soul of the Indi­an” indi­an­is­che und christliche Glaubensin­halte und Gebräuche gegenüber­stellte:
Bei uns gab es keine Tem­pel und Schreine außer denen, die die Natur schafft … Er würde es als ein Sakri­leg anse­hen, für Ihn ein Haus zu bauen, Er den man vielle­icht von Angesicht zu Angesicht trifft in den geheimnisvollen schat­ti­gen Kirchen­schiffen des Urwaldes oder auf den son­nenum­spiegel­ten Busen der jungfräulichen Prärie, auf den schwindel­er­re­gen­den Spitzen und Gipfeln nack­ten Gesteins und drüben unter dem mit Juwe­len beset­zten nächtlichen Him­mels­gewölbe, Er, der sich in hauchdünne Schleier von Wolken hüllt, dort am Rand der sicht­baren Welt, wo unser Urgroß­vater, die Sonne, sein abendlich­es Feuer anzün­det, Er, der auf den rauhen Winden des Nor­dens reit­et oder der seinen Geist in die aro­ma­tis­chen Lüfte des Südens ausat­met, dessen Kriegskanu auf den majestätis­chen Flüssen und Bin­nenseen fährt – Er braucht keine gerin­gere Kathe­drale!

Wir fol­gen dem Kom­men­tar Forbes zu Jesus weit­er in der näch­sten Folge am kom­menden Don­ner­stag, den 8. Juni.

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Mattiello am Mittwoch 23/22
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