Man nahm ihr das Kind weg, sper­rte sie mit 17 Jahren ins Frauenge­fäng­nis Hin­del­bank: Zu dieser »erzieherischen Mass­nahme« griff die Vor­mund­schafts­be­hörde 1966, weil Ursu­la Bion­di sich in einen geschiede­nen Mann ver­liebt hat­te und mit 17 schwanger wurde.

»Die Zeit in Hin­del­bank hat tiefe seel­is­che Wun­den und eine jahrzehn­te­lange Stig­ma­tisierung hin­ter­lassen. Sie nah­men mir mein Kind und meine Würde weg. Zehn­tausende von Men­schen wur­den so vom Staat gebrochen.«

Ein Jahr ver­brachte Ursu­la Bion­di als soge­nan­nte »admin­ist­tra­tiv Ver­sorgte« ohne Gricht­surteil in der Frauen­st­trafanstalt. Kaum war ihr Sohn geboren, wurde er ihr weggenom­men, um ihn zur Adop­tion freizugeben.

»Ich durfte ihn nicht in die Arme nehmen. Sie sagten mir nicht ein­mal, ob es ein Junge oder ein Mäd­chen ist.«

Ursu­la Bion­di wehrte sich und schaffte es, ihren Sohn zehn Tage bei sich zu haben. Dann nahm man ihr ein zweites Mal weg — für immer, wie sie sagten.
Nach drei Monat­en erhielt sie ihr Kind zurück nach einem uner­bit­tlichen Kampf und mit viel Glück. Daraufhin musste sie noch fünf weit­ere Monate mit ihrem Sohn im Gefäng­nis bleiben, bevor sie knapp 18-jährig wegen »guter Führung« ent­lassen wurde.

Die junge Frau grün­dete in Genf eine Fam­i­lie und machte Kar­riere in ein­er Organ­i­sa­tion der UNO. Doch all das half nicht, um das »Stig­ma Hin­del­bank« loszuw­er­den. Die Ungerechtigkeit quält Ursu­la Bion­di bis heute. Erst viele Jahre später hat sie den Mut gefun­den, öffentlich über ihre Geschichte zu reden und zusam­men mit anderen betrof­fe­nen Frauen eine moralis­che Wiedergut­machung von den Behör­den zu fordern.
Tausende Jugendliche wur­den bis 1981 ohne Grichtsver­hand­lung wegen »lieder­lichen Lebenswan­dels, Vagan­terei und Arbeitss­cheu« einges­per­rt.

Und jet­zt kommt die EMRK!
Erst unter dem Druck der Europäis­chen Men­schen­recht­skon­ven­tion passte die Schweiz 1981 das Zivilge­set­zbuch entsprechend an. Die admin­ist­tra­tive Ver­wahrung gibt es nicht mehr. Und erst nach Jahrzehn­ten, am 1. August 2014, trat in der Schweiz ein Gestz in Kraft, das admin­is­tra­tiv Ver­sorgte bis 1981 reha­bil­i­tierte.


Dies ist eine Artikel­rei­he, die sich mit der SVP-Ini­tia­tive »Schweiz­er Recht statt fremde Richter« beschäftigt. Die Über­sicht über alle bis jet­zt erschiene­nen Artikel bekom­men Sie HIER.
Quellen für diese Artikelserie: Schutz­fak­tor M, Amnesty inter­na­tion­al, Humanrights.ch, Frau Huber geht nach Strass­burg (WOZ), admin.ch

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