Diese Woche haben unzählige neue Studierende ihre ersten Vorlesungen besucht. Vielleicht haben frischgebackene Jus-Studenten die Titelfrage bereits in einem Tutorat erörtert. Sie tangiert nämlich ziemlich grundlegende Definitionen unseres Staatsverständnisses. Aber auch ohne Studium und mit ein bisschen Prof. Google findet man schnell (z.B. hier):
Gemäss verwaltungsrechtlicher Definition ist die Gebühr das Entgelt für eine Amtshandlung oder die Entschädigung für die Benutzung einer öffentlichen Anlage. […] Die staatliche (Gegen-)Leistung ist denn auch der Hauptunterschied zwischen der Gebühr und den Steuern. Letztere verlangt der Staat in der Regel, um Aufgaben für das gesamte Gemeinwesen zu finanzieren. Anders als bei den Gebühren werden damit aber keine speziellen Leistungen oder besondere Vorteile für Einzelne erbracht.
Soweit alles klar. Doch kommen wir zur Frage, wie hoch eine Gebühr sein darf:
In der Regel bemessen sich die Gebühren nach dem Wert der staatlichen Leistung. Entsprechend dürfen Gebühren grundsätzlich nie die Kosten übersteigen, die der betreffenden Behörde durch ihre Leistungen entstehen. Dieses Kostendeckungsprinzip gilt allerdings nicht absolut: Es gibt Gebühren, die vom Gesetz ausdrücklich für kostenunabhängig erklärt werden können, etwa Parkgebühren. Dies, um ihnen eine gewisse Lenkungswirkung zu geben.
Das lassen wir jetzt mal so stehen und kommen zu den Traktanden der Gemeindeversammlung (Erläuterungen) vom kommenden Montag. Auch da geht es – Überraschung – um Gebühren. Dies im engeren und weiteren Sinn.
1. Teilrevision „Reglement über das unbeschränkte Parkieren“
Die Parkgebühren für’s Tag- und Nachtparkieren in der blauen Zone sollen angepasst werden. Schon wieder. Denn erst 2012 wurde das entsprechende Reglement neu formuliert und beinhaltet seither – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – den Satz:
Die Parkiergebühren sind kostendeckend auszugestalten.
Und dieser soll jetzt wegen dem Spardruck wieder entfernt werden. Ist das korrekt? Die Argumentation, dass Mehreinnahmen bei der Senkung des strukturellen Defizits helfen, stimmt soweit. Doch darf man das mit Gebührenerhöhungen erreichen?
Rufen wir uns oben zitierte Grundsätze in Erinnerung, dann könnte das rechtlich gesehen gemacht werden, weil man ja immer auch eine Lenkungswirkung mit einer Gebühr verknüpfen kann. Bei Parkplätzen ist das der Fall. Und eine Lenkung kann unter Umständen nur im Vergleich mit den umliegenden Gemeinden erreicht werden. Teilweise ist das Argumentatorium also korrekt. Eine Gebührenerhöhung könnte gemacht werden, auch wenn sie primär als Mehreinnahme zu Gunsten der Staatskasse daherkommt.
2.Teilrevision „Reglement über die Gross-Gemeinschaftsantennenanlage (GGA) und das Multimedianetz (MMN) Birsfelden“ sowie Teilrevision „Gebührenordnung zum Reglement über die Gross- Gemeinschaftsantennenanlage (GGA) und das Multimedianetz (MMN) Birsfelden“
Hier treibt der Gemeinderat mehr oder weniger das gleiche Spiel: Mehr Einnahmen mit Gebühren, weil im Vergleich mit anderen Gemeinden und der privaten Konkurrenz zu günstig. In der Vernehmlassung hatte der Gemeinderat sich sogar noch zur folgenden, völlig absurden Aussage verleiten lassen:
Eine finanztechnische Betrachtung der Gebührensituation zeigt, dass der Steuerzahler der Gemeinde Birsfelden die GGA Abonnenten indirekt mit rund CHF 1 Mio. pro Jahr subventioniert.
Und das obwohl der Überschuss und das angesammelte Kapital der GGA seit der Auflösung der Spezialfinanzierung auf’s Jahr 2014 die Gemeindekasse mit Millionenbeträgen aufgeschönt hat. Eine mittelgrosse Frechheit eigentlich, denn bei der Aufhebung der Spezialfinanzierung hat man noch das blaue vom Himmel versprochen. Wir wurden also über’s Ohr gehauen. Doch kommen wir zum springenden Punkt der Vorlage: Solange der Gemeinderat mit der Gebührenerhöhung keine Lenkung anstrebt und nicht schlüssig belegen kann, dass die Gebühr zur Deckung einer im Zusammenhang mit der GGA stehenden Leistung benutzt wird, ist die Erhöhung eigentlich illegal und muss dringend zurückgewiesen werden.
Alternativen (auch zu einem Verkauf) wären:
- Die Gebühr als Lenkungsabgabe umzugestalten und damit z.B. Kulturförderung zu betreiben.
- Die Antenne ins Finanzvermögen zu verschieben und über privatrechtliche Verträge (also z.B. eine Firma im Staatsbesitz) Erträge legal in die Gemeindekasse fliessen zu lassen (siehe auch birsfälder.li-Vorschlag von 2013).
3. Umstellung von der Objekt- auf die einkommensabhängige Subjektfinanzierung: Einführung des neuen „Reglements über die familienergänzende Kinderbetreuung (FEB-Reglement)“
Private Tagesheime und andere familienexterne Angebote verkaufen eine Dienstleistung und erheben dafür (privatrechtliche) Gebühren. Die wenigsten davon sind gewinnorientiert. Der Elternbeitrag sichert die Existenz. So war (bzw. ist es derzeit immer noch) beim gemeindeeigenen Tagesheim, obwohl dieses nie darauf angewiesen war, kostendeckend zu wirtschaften. Die Plätze waren subventioniert. Wenn nun die Gemeinde dazu übergeht, anstatt ein eigenes Tagesheim zu betreiben, Eltern bei der Finanzierung der Betreuungsplätze zu helfen, dann ist dies völlig legitim. Dass die Gemeinde dabei Geld spart, deutet darauf hin, dass das momentane System nicht effizient war. Es kann aber auch heissen, dass sich künftig einige den Betreuungsplatz nicht mehr leisten können. Da sind wir gespannt, wie sich die jetzt bezuschussten Heime allenfalls äussern werden…
Die Vernehmlassungsantworten und die Gemeindekommissions-Beschlüsse lassen erahnen, dass der Gemeinderat mit seinen Gebührenspielchen am Montag leichtes Spiel haben und wir die teureren “Gebühren” bezahlen werden. Eines wird sich aber ganz sicher nicht ändern: Für die Gemeindeversammlung wird auch künftig keine Eintrittsgebühr erhoben. In den umliegenden Gemeinden ist das schliesslich auch gratis.
hasira
Sep 23, 2016
Die Zumutung des Gemeinderates sei hier noch einmal wiederholt:
»Eine finanztechnische Betrachtung der Gebührensituation zeigt, dass der Steuerzahler der Gemeinde Birsfelden die GGA Abonnenten indirekt mit rund CHF 1 Mio. pro Jahr subventioniert.«
Ich stelle seit einiger Zeit immer wieder fest, dass unsere Gemeinde immer wieder nur finanztechnisch verstanden wird. Das wird sich mit den Zumutungen der Unternehmenssteuerreform III garantiert noch verschlimmern.
Wer ein Gemeinwesen nur noch finanztechnisch und grossunternehmensfreundlich versteht, hat offenbar das Wort »Gemeinwesen« mit dem Wort »gemein« assoziiert.
Alex Gasser
Sep 23, 2016
Der GR strampelt zur Decke, weil er sonst keine Lösung hat resp. es keine gibt. All die Kritiker, die bislang noch nie einen richtungsweisenden Vorschlag einbrachten, müssten uns doch einen Plan B präsentieren: zum Beispiel die Null-Lösung mit anschliessender Bankrotterklärung und Übernahme durch den Kanton. Wir haben eine tolle Gemeinde mit vielen, leider totgeschwiegenen Vorteilen. Es gehört leider zu unserer Zeit, dass sich Probleme meist nur auf der finanziellen Ebene abspielen.
Es ist daher notwendig, dass auf der Gebührenseite gehandelt wird.
annacarla
Sep 23, 2016
Ich kannte bis heute nur das Wort “ungebührlich”.
Ich habe nachgeschaut. “gebührlich” bedeutet “gesellschaftsfähig”.