Als Cagli­os­tro zur Ver­blüf­fung der Inqui­si­ti­on sein Geständ­nis wider­rief, insis­tier­te er, sein Werk auf Befehl Got­tes und mit Hil­fe der Macht, die er ihm ver­lieh, getan zu haben. Er  ver­lang­te erneut eine direk­te Unter­re­dung mit dem Papst und ver­wies dar­auf, dass vie­le Kir­chen­leu­te und Theo­lo­gen sei­nen ägyp­ti­schen Ritus gebil­ligt und sogar dar­an teil­ge­nom­men hät­ten: der Kar­di­nal von Rohan, die Erz­bi­schö­fe von Bour­ges, Char­tres und Lyon, der Bischof von Tri­ent, die Kar­di­nä­le Bon­com­pa­gni, Zel­eta, Colon­na, Alba­nic, die Mal­te­ser­rit­ter und diver­se Aris­to­kra­ten wie die Her­zö­ge von Mont­mo­ren­cy und Orléans.

Doch die Ankla­ge­schrift war geschrie­ben. Und sie begann so:
Cagli­os­tro hat die Majes­tät und Voll­kom­men­heit Got­tes ange­grif­fen und bestrit­ten, die Gött­lich­keit Jesu Chris­ti, sei­nen Tod, sein gros­ses Erlö­sungs­werk, die Jung­fräu­lich­keit Mari­ens, die Wirk­sam­keit der Sakra­men­te, die Anbe­tung der Hei­li­gen, die Exis­tenz des Feg­feu­ers, die Wür­de der kirch­li­chen Hierarchie …
Die Zeu­gen, die ihn ken­nen, schil­dern ihn als gott­los, … athe­is­tisch, böse, nie­der­träch­tig, … als einen Betrü­ger, Schur­ken, Schar­la­tan, Deisten! …

Um dies auch zwei­fels­frei zu bewei­sen, hat­ten die Inqui­si­to­ren in ganz Euro­pa sämt­li­che Schrif­ten gesam­melt, die Cagli­os­tro als moral­frei­en Betrü­ger und Schar­la­tan vor­stell­ten, — u.a. die Anschul­di­gun­gen der Baro­nin von Recke, von Thé­ve­ne­au de Moran­de, von Car­lo Sachi, und die Sati­ren Katha­ri­nas II. All dies wur­de 1791 in einem Pam­phlet zusam­men­ge­fasst, das sofort auch in ande­re Spra­chen über­setzt euro­pa­weit reis­sen­den Absatz fand und das Bild Cagli­ostros bis heu­te in der Öffent­lich­keit prägt.

Die Inqui­si­to­ren zeich­ne­ten ein Bild des Magi­ers, der in sei­ner Ver­wor­fen­heit kaum mehr zu über­bie­ten ist. Eine klei­ne Kost­pro­be gefällig?
Giu­sep­pe Bal­sa­mo war schon als Kind ein ganz gros­ser Schuft. Als früh­rei­fer und per­ver­ser drei­zehn­jäh­ri­ger Novi­ze der Ben­f­r­atel­limön­che von Car­ta­gi­ro­ne sang er mit­ten in den hei­li­gen Lita­nei­en mit lau­ter Stim­me die Namen der bekann­tes­ten Huren in der Stadt. Er war in die Ermor­dung eines Dom­her­ren ver­wi­ckelt, fälsch­te ein Tes­ta­ment, stahl, was das Zeug hielt, und sass des­we­gen mehr­mals im Gefängnis.
Nach der Ver­wen­dung eines für die hei­li­gen Ölun­gen bestimm­ten Baum­woll­läpp­chens für schwarz­ma­gi­sche Zwe­cke muss­te er Paler­mo ver­las­sen und lan­de­te wegen Ent­füh­rung einer Frau erneut im Gefäng­nis. Schliess­lich hei­ra­te­te er das Fräu­lein Loren­za Feli­cia­ni, aber nur, um sie in den fol­gen­den Jah­ren an schwer­rei­che Lüst­lin­ge zu ver­kup­peln. Auch er sel­ber ver­kauf­te sei­ne sexu­el­len Diens­te an ver­mö­gen­de älte­re Damen und zog sich dabei eine töd­li­che Geschlechts­krank­heit zu, die Car­lo Sachi aber zu hei­len ver­moch­te. Sein Ver­mö­gen ergau­ner­te er sich durch Dieb­stahl und Fäl­schun­gen von Pfand­brie­fen, Wech­seln und Empfehlungsschreiben …
● Aber wie stand es mit den Aber­hun­der­ten bezeug­ter Heilungen?
Manch­mal war ihm das Glück hold, durch Zufall gelang es ihm, ein paar Kran­ke zu kurie­ren. In Wahr­heit aber besass er alles in allem kei­ne grös­se­ren Kennt­nis­se als jeder Quack­sal­ber und Scharlatan.
● Und wie ist sein Frei­spruch durch das Pari­ser Gericht und die Ent­las­sung aus der Bas­til­le zu erklären?
Ganz ein­fach durch die Tat­sa­che, dass Cagli­os­tro den Pro­zess hin­ter­trieb, die Wachen und Minis­ter bestach und log, dass sich die Bal­ken bogen …
● War­um hat sich Bal­sa­mo den Titel “Graf von Cagli­os­tro” zugelegt?
Er setzt sich zusam­men aus caglia vom Verb cale­re, wol­len, und ost­ro, Pur­pur. Cagli­os­tro trach­te­te nach der roten Toga der Cäsa­ren, — ein Grössenwahnsinniger!
●  Doch wie kam es, dass der Magi­er sowohl in kirch­li­chen als auch aris­to­kra­ti­schen Krei­sen geach­tet wur­de, — ganz abge­se­hen von der gren­zen­lo­sen Bewun­de­rung und Dank­bar­keit durch das ein­fa­che Volk?
Es wird viel­leicht unwahr­schein­lich anmu­ten, dass Cagli­os­tro so viel Auf­se­hen erre­gen, sich so viel Anse­hen und Ach­tung ver­schaf­fen konn­te: und doch ist in die­sem Fal­le das Unwahr­schein­li­che wahr! muss­te die Inqui­si­ti­on zäh­ne­knir­schend eingestehen.

Der Ruf­mord an Cagli­os­tro war aber nur das Vor­spiel für den eigent­li­chen Zweck der inqui­si­to­ri­schen Bestre­bun­gen: Die direk­te Dis­kre­di­tie­rung sei­nes ägyp­ti­schen Ritus und damit ver­bun­den die indi­rek­te der gesam­ten Freimaurerei.

Dar­über mehr am kom­men­den Sams­tag, den 23. Okto­ber!

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