Im Jahr 1785 brach am franzö­sis­chen Königshof ein Skan­dal aus, der in Paris über Monate immer wieder für Schlagzeilen sorgte, die Rep­u­ta­tion von Köni­gin Marie-Antoinette nach­haltig beschädigte und so indi­rekt zur Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion vier Jahre später beitrug:
die berühmt-berüchtigte Hals­bandaf­färe. Mit­ten drin: Eine mit allen Wassern gewasch­ene Betrügerin, die Comtesse de la Motte und der Kar­di­nal Rohan.

Kurz zusam­menge­fasst: Rohan, der als franzö­sis­ch­er Botschafter bei Kaiserin Maria There­sia in Ung­nade gefall­en war und deshalb auch von deren Tochter, Marie-Antoinette, abgelehnt wurde, ver­suchte, ihre Gun­st — und damit vielle­icht auch den Posten des Pre­mier­min­is­ters —  mit der Ver­mit­tlung eines fan­tastisch schö­nen und fan­tastisch teuren Hals­ban­des zu gewin­nen: “Le Col­lier de la Reine”, dessen Kauf­preis heute umgerech­net min­destens 10 Mil­lio­nen Franken betra­gen würde.

Marie-Antoinette war gemäss der Comtesse de la Motte geneigt, auf den Kauf einzuge­hen. Ein Briefwech­sel zwis­chen der Köni­gin und dem Kar­di­nal bezeugte ihre Gun­st, gefol­gt von einem heim­lichen mit­ternächtlichen Stelldichein in den Gärten von Ver­sailles. Rohan glaubte sich schon am Ziel, — doch dann ver­schwand das Col­lier. Es stellte sich her­aus, dass die Unter­schrift Marie Antoinettes in den Briefen gefälscht war und Rohan in den Gärten nicht mit der Köni­gin, son­dern ein­er Pros­ti­tu­ierten gesprochen hat­te, die der Köni­gin glich.

Wenn damals Trash-TV und die Boule­vard­presse existiert hät­ten, sie hät­ten über Monate hin­weg Reko­rd-Ein­schaltquoten und — Aufla­gen erlebt, denn Kar­di­nal Rohan und wenig später auch die Comtesse de la Motte wur­den ver­haftet und der skan­dal­trächtige Vor­fall dem vor kurzem wieder ein­berufe­nen Paris­er Par­la­ment zur Unter­suchung übergeben. Es stellte sich dabei später unter anderem her­aus, dass der Ehe­mann der Komtesse die Dia­man­ten des Col­liers in Lon­don ver­hök­ert hatte.

Die ganze Geschichte kann auf Wikipedia im Detail nachge­le­sen werden.

Doch wie wurde Cagliostro in diese Affäre hineinge­zo­gen? — Er war im Jan­u­ar 1785 auf Bit­ten des Kar­di­nals aus Lyon angereist und wurde sofort wieder zum Mit­telpunkt “der besseren Gesellschaft”: Der Stern des Magiers ste­ht im Zen­it. Alle Welt ist begeis­tert von sein­er Liebenswürdigkeit, den tre­ff­sicheren Diag­nosen, den Ratschlä­gen und Vorher­sagen und der Anmut der Gräfin. Das Hôtel Saint-Claude, wie es wegen der Stat­ue des heili­gen Claudius auf der Kreuzung heisst, ist bald ein vielbe­sucht­es Haus. Die Kutschen versper­ren die Strasse. … Cagliostros Bild taucht in allen Schaufen­stern auf. Tabaks­dosen und Fäch­er tra­gen sein Kon­ter­fei.  (Rib­adeau Dumas). Der Heil­er, Magi­er und Alchimist trat in Kon­takt mit den führen­den Freimau­r­ern in Paris, um ihnen seinen “ägyp­tis­chen Rit­us” vorzustellen. Da an diesen Rit­ualen auch kirch­liche Wür­den­träger teil­nah­men, hoffte er, mit Hil­fe des Erzbischofs von Bourges sog­ar die Anerken­nung durch den Papst zu erlangen.

Offen­sichtlich wei­hte Rohan Cagliostro — obwohl er ihn mit der Comtesse de la Motte bekan­nt gemacht hat­te — erst in die Hals­bandgeschichte ein, als er kalte Füsse bekam, weil das Col­lier plöt­zlich ver­schwun­den war. Cagliostro schlug dem Kar­di­nal vor, Louis XVI. sofort rück­halt­los zu informieren und die Comtesse anzuzeigen. Doch dieser zögerte, weil er inzwis­chen auch mit ihr eine Lieb­schaft pflegte und so in ein­er “Honig­topf-Falle” sass …

Nach der Ver­haf­tung beschuldigte de la Motte Cagliostro sofort der Mit­täter­schaft. Deshalb kam es am 23. August zu ein­er Haus­durch­suchung und zur anschliessenden Ver­haf­tung des Ehep­aars. Damit begann eine fast ein­jährige Lei­den­szeit in der Bastille:
Die Bastille, die königliche Fes­tung mit dem ver­has­sten Gefäng­nis an der Porte Sainte-Antoine, stand im übel­sten Geruch. Ein Wink des Königs genügte, um ohne Ver­fahren lebenslänglich darin zu ver­schwinden; selb­st die Philosophen blieben nicht ungeschoren: Voltaire sass 1717 und 1726 sein .… Der Haupthof war von sechs Tür­men eingeschlossen … In jedem Turm gab es ein unterirdis­ches Ver­liess ohne Luft und Licht für die Auf­ständis­chen. Darüber auf jedem Flur einen Kerk­er mit drei Türen und dreifach ver­git­tertem Fen­ster, durch das man jedoch nicht hin­auss­chauen kon­nte … Das “Tur­mver­liess” oben unter dem spitzbogi­gen Gewölbe war beson­ders unwirtlich.

Cagliostro war verzweifelt: Der plöt­zliche Abbruch sein­er Tätigkeit­en, die ehren­rührige Beschuldigung des Dieb­stahls, der Gaunerei und Majestäts­belei­di­gung ver­set­zten ihn in die düster­ste Laune. Da ihn die Ein­samkeit bedrückt und man für seine Gesund­heit — vielle­icht glaubt man, er könne Hand an sich leg­en — schickt ihm der Kom­man­dant einen Unterof­fizier zur Unter­hal­tung und zum Karten­spie­len. Doch den quälend­sten Kum­mer bere­it­et ihm, dass er nicht weiss, was aus sein­er Frau gewor­den ist (man ver­heim­licht ihm, dass auch sie in der Bastille sitzt, und zwar im vierten Stock des Lib­erté­turms). Die Tren­nung stimmt ihn verzweifelt, macht ihn krank. (Rib­adeau Dumas).

Immer­hin wurde ihm erlaubt, mit sein­er Frau brieflich in Kon­takt zu treten. Am 17. Jan­u­ar 1786 schrieb er ihr z.B.: … Aus Angst, der Kopf kön­nte mir schwindeln, empfehle ich mich Gott. Meine Fre­unde ermah­nen mich, wie ich sehe, mich gut zu nähren. Aber Appetit und Schlaf sind mir ver­gan­gen. Ich danke La Bor­de für die Pastete, Frau von Flam­mofens für das Reb­huhn, die Schnepfe, die Kas­tanien und die Orangen. Ich bitte sie nichts­destoweniger, uns nicht zu vergessen. Die bei­den Büch­er über die Schweiz, um die ich gebeten hat­te, habe ich erhalten. …

Während dessen tobte im Paris­er Par­la­ment ein Kampf um die Deu­tung­shoheit in der Affäre. Die Comtesse de la Motte liess über ihren Advokat­en mit­teilen: … Ich, Gräfin von La Motte aus dem Geschlecht der Val­ois, die man des Dieb­stahls zu bezichti­gen wagt, ich werde den Schuldigen ent­lar­ven. Dieser Schuldige ist ein­er von jenen, die der unge­bildete Pöbel aussergewöhn­liche Men­schen nen­nt: ein Quack­sal­ber der Heilkun­st, ein lieb­di­enern­der Alchimist, ein Träumer, der sich im Besitz des Steins der Weisen wäh­nt, ein falsch­er Prophet der Sek­ten, die er zu ken­nen vorgibt, ein Schän­der des einzig wahren Kults, der sich selb­st den Grafen­ti­tel ver­liehen hat. Ihm hat Herr von Rohan das grossar­tige Hals­band zur Ver­wahrung gegeben, und er hat es auseinan­dergenom­men, um damit sein uner­hörtes Ver­mö­gen, dessen Höhe nie­mand bekan­nt ist, noch zu vergrössern .…

Cagliostro liess diese Ver­leum­dun­gen nicht auf sich sitzen. Am 20. Feb­ru­ar erschien “Die Recht­fer­ti­gungss­chrift des Grafen von Cagliostro, Angeklagter, gegen die im Prozess gegen ihn, den Her­rn Kar­di­nal von Rohan, die Gräfin von La Motte und andere vom Her­rn Ober­staat­san­walt erhobe­nen Ankla­gen” in ein­er hohen Auflage und machte bald die Runde in ganz Europa.

Dazu mehr in der näch­sten Folge am Sam­stag, den 11. Sep­tem­ber.

An anderen Serien interessiert?
Wil­helm Tell / Ignaz Trox­ler / Hein­er Koech­lin / Simone Weil / Gus­tav Meyrink / Nar­rengeschicht­en / Bede Grif­fiths / Graf Cagliostro /Sali­na Rau­ri­ca / Die Welt­woche und Don­ald Trump / Die Welt­woche und der Kli­mawan­del / Die Welt­woche und der liebe Gott /Lebendi­ge Birs / Aus mein­er Fotoküche / Die Schweiz in Europa /Die Reich­sidee /Voge­sen Aus mein­er Bücherk­iste / Ralph Wal­do Emer­son / Fritz Brup­bach­er  / A Basic Call to Consciousness

 

Die Reichsidee 5
Impfen! Herrgottdonnerwetternochmal!

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.