Wir haben schon ein­mal über den Unmut gewis­ser Kreis geschrie­ben, die fin­den, dass Kir­che kei­ne Poli­tik zu machen habe. Die­se Krei­se haben selbst eine »Ethik-Kom­mis­si­on« gege­rün­det, die sich gegen die Kon­zern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­ti­ve stellt. Also doch Poli­tik der Kirche?
Die nach­fol­gen­de Pre­digt stammt von der Web­site Kir­che für Kon­zern­ver­ant­wor­tung. Sie ist ein Vor­schlag, eine Anre­gung, wie man eine Pre­digt gestal­ten könnte.
Und ich fra­ge mich, wo denn nun die Aus­gren­zung der Kirch­gän­ger sein soll, die gegen die Kon­zern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­ti­ve sind. Amen.

Pre­digt: Bin ich der Hüter mei­nes Bruders?

Bild­be­trach­tung zum MISE­RE­OR-Hun­ger­tuch «Got­tes Schöp­fung bewah­ren – damit alle leben kön­nen» von Tony Nwa­chu­ku­wu, sie­he Titelbild

Mut­ter­see­len­al­lein, mit fra­gen­dem und ver­ängs­tig­tem Blick treibt das Kind auf dem Fass fluss­ab­wärts. Der Toten­kopf auf dem Fass und das Fisch­ge­rip­pe im Was­ser wei­sen auf die töd­li­che Gefahr der Sub­stanz hin, die in den Fluss läuft und das Was­ser ver­gif­tet. Im Hin­ter­grund sind rau­chen­de Fabrik­schlo­te erkenn­bar. Der Boden ist braun, kaum ein Halm wächst mehr. Die Hüt­ten am Ufer dro­hen in den Fluss zu rut­schen. Mensch­li­ches Leben hat hier kei­nen Platz mehr. Das Kind im Fluss hat in die­ser Welt kei­ne Zukunft. Da ist nie­mand, der sich sei­ner annimmt, sich küm­mert, sich sorgt.

«Bin ich denn der Hüter mei­nes Bru­ders?», fragt Kain, als Gott sich nach sei­nem Bru­der Abel erkun­digt. Kain wüss­te es eigent­lich, denn er hat ihn erschla­gen. Aus Neid. Aus Zorn.

«Bin ich denn der Hüter mei­nes Bru­ders?» So fra­gen sich viel­leicht auch jene, die bei ihren Geschäf­ten kaum oder zu wenig Rück­sicht neh­men auf das Wohl­erge­hen von Mensch und Natur. Was zählt, sind Wirt­schafts­wachs­tum und Erfolg. Die Men­schen und ihre Lebens­grund­la­ge sind für sie nicht wich­tig.  Sie neh­men in Kauf, dass durch ihr Wirt­schaf­ten im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes alles «den Bach runtergeht»!

Ganz anders die Atmo­sphä­re in der rech­ten Bild­hälf­te. Das Kind, das links ver­las­sen im Fluss trieb, ist hier nun auf­ge­ho­ben in einer Gemein­schaft von Men­schen. Es sind Men­schen, die glück­lich und zufrie­den schei­nen. Viel­leicht, weil sie für­ein­an­der und auch für ihr Lebens­um­feld, die Natur, Hüte­rin­nen und Hüter sind? Viel­leicht spü­ren sie, dass sie nicht allein sind, son­dern auf­ge­ho­ben in einer Gemein­schaft. In einer Gemein­schaft, zu der das Lämm­chen, der Getrei­de­halm, der Vogel, der Fisch, das Was­ser, die blü­hen­de Blu­me und auch die Schät­ze die­ser Erde genau­so dazu­ge­hö­ren wie sie sel­ber. Die Erde als gros­se Tisch­ge­mein­schaft, zu der sich alle ver­sam­meln, trägt sie. Und sie hüten sie, die Gemein­schaft, die Erde und ihre Schätze.

«Bin ich denn der Hüter mei­nes Bru­ders?» Die Ant­wort ist klar: Ja, sicher!

Die Fabrik im Hin­ter­grund auf der rech­ten Bild­hälf­te ist kein Fremd­kör­per, son­dern ein inte­grier­ter Bestand­teil des Lebens. Die Umwelt scheint hier intakt. Im Fluss schwim­men Fische. Tie­re wei­den in der Nähe. Das Gras ist grün und die Luft sau­ber. Hier lässt sich leben. Das Wachs­tum beschränkt sich hier wohl nicht auf die Wirt­schaft. Gewinn­ma­xi­mie­rung und Pro­fit sind nicht obers­tes Kri­te­ri­um. Wich­tig scheint auch das Wohl­erge­hen der Men­schen, die hier leben und arbei­ten, eben­so wie die Sor­ge um die Umwelt. Wer so wirt­schaf­tet, dient dem Leben. Wo die Unter­neh­men zu «Hüte­rin­nen und Hütern ihres Bru­ders, ihrer Schwes­ter» wer­den, da geht nichts «den Bach run­ter». Da bleibt das Leben im Fluss.

Autorin: Vere­na Soll­ber­ger Schwar­zen­bach, refor­mier­te Pfar­re­rin, Luzern
Der Künst­ler: Tony Nwa­chuk­wu wur­de 1959 in Nige­ria gebo­ren. Er stammt aus dem Süden des Lan­des, wo die rei­chen Erd­öl­vor­kom­men geför­dert wer­den. Dadurch wer­den gan­ze Land­stri­che ver­seucht. Er ist ver­hei­ra­tet und hat vier Kin­der. Der jüngs­te Sohn, Dabe­re, lieh dem Kind auf dem Hun­ger­tuch sein Gesicht.

KVI: Die REPUBLIK will es wissen
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