… so wurde er von Luther betitelt. Aber er war auch “ein Schwätzer” (Eras­mus), “Ver­spöt­ter gottes­fürchtiger Lehrer und Kaiser” (Mar­tin Bucer, lutherisch­er The­ologe), “gar ein grober und ungelehrter Geselle“ (Niko­laus von Ams­dorf, lutherisch­er Super­in­ten­dent), “unver­schämt und frech” (Mar­tin Frecht), ein “hirn­los­er Träumer” (Jean Calvin), ein “fanatis­ch­er und hochmütiger Heuch­ler”, durch dessen Frech­heit Gott schw­er belei­digt würde (lutherisches Konsistorium).

Es gab auch einige wenige Vertei­di­ger, darunter Sebas­t­ian Castel­lio,  den nur der Tod vor ein­er Ket­zerun­ter­suchung in Basel ret­tete, — und Michael Serve­tus, dessen Leben dank Calvin in Genf auf dem Scheit­er­haufen endete.

Kurz: Es scheint sich bei Franck um eine ausseror­dentlich inter­es­sante Fig­ur zu handeln 😉

Und das ist er tat­säch­lich auch! Bis heute gehen die Urteile über ihn und sein Werk je nach der weltan­schaulichen Posi­tion der Kri­tik­er weit auseinan­der. Es lohnt sich also dur­chaus, neben Hans Denck auch diese Per­sön­lichkeit der Frühre­for­ma­tion etwas dem Vergessen zu entreissen.

Welche Ideen trieben denn seine Geg­n­er so zur Weiss­g­lut? Hier eine kleine Auswahl:

  • Die Gemein­schaft echter Chris­ten ist rein geistig, unor­gan­isiert und daher unsichtbar.
  • Dazu gehören auch “viele Türken und Heiden”
  • Sie beziehen ihre religiöse Gewis­sheit wed­er aus Dog­men noch aus der Bibel, son­dern aus ihrem eige­nen Innern.
  • Erst wer den “ver­grabenen Schatz” in sich find­et, entwick­elt das richtige Ver­ständ­nis für die “heili­gen Schriften”.
  • Diese göt­tliche Erken­nt­n­is­fähigkeit ist in jedem Men­schen gle­ich angelegt, unab­hängig von sein­er jew­eili­gen Religion.
  • Gott ist unpartei­isch und wen­det sich allen zu, die ihm “in der Stille zuhören”.
  • Deshalb ist jegliche religiöse Bevor­mundung des Teufels.
  • Jesus ist nicht der Erlös­er, aber sein Leben und sein Wirken soll uns Vor­bild sein.

Das allein stand schon in radikalem Gegen­satz sowohl zur katholis­chen, lutherischen und calvin­is­tis­chen “Ortho­dox­ie”. Doch Franck griff auch die mit­te­lal­ter­liche und früh­neuzeitliche “christliche” Stän­de­ord­nung frontal an:

  • Die herkömm­liche Sakral­isierung der Herrschaft ist unchristlich.
  • Christliche Kaiser und Könige ver­hal­ten sich genau­so despo­tisch wie ihre hei­d­nis­chen Vorgänger.
  • Sie sind räu­berisch, uner­sät­tlich und verblendet. Ihre Herrschaft beruht auf Gewalt.
  • Sie zetteln mutwillig Kriege an und tra­gen sie dann auf dem Rück­en der Bevölkerung aus.
  • In diesem Fall beste­ht die unbe­d­ingte Pflicht zur Gehorsamsverweigerung.
  • Der Herrschaft­sanspruch des Adels ist halt­los, weil wahre Herrscher­tu­gen­den nicht vererbt werden.
  • Gewalt ist schlimm, aber Gegenge­walt kann nie die Lösung sein.

Angesichts dieser radikalen Herrschaft­skri­tik wird ver­ständlich, warum Franck für Hein­er Koech­lin ein Vor­bild war 🙂

Und mit diesen rev­o­lu­tionären Ideen machte er sich selb­stver­ständlich keine Fre­unde. Wie Hans Denck zog er mit sein­er Fam­i­lie unfrei­willig von Stadt zu Stadt. Und wie schon bei Denck entwick­elte sich seine radikalre­for­ma­torische Hal­tung zuerst in Nürn­berg, anschliessend in Strass­burg, wo er wahrschein­lich auf Michael Serve­tus traf. In Strass­burg veröf­fentlichte er 1531 auch seine umfan­gre­iche “Chron­i­ca, Zeit­buch und Geschichts­bibel”, die eine ver­nich­t­ende Kri­tik des Papst- und Kaiser­tums enthielt. Die direk­te Kon­se­quenz war die Ausweisung.

Welche Aktu­al­ität auch heute noch in diesem Werk steckt und welche Par­al­le­len man plöt­zlich zu Bakunin und Berd­ja­jew ziehen kann, zeigte 2005 Jean Claude Col­bus in sein­er Analyse der “Chron­i­ca”. Col­bus “sieht in Franck den Urhe­ber eines „Gegen­pro­jek­ts“ zu den kirch­lichen Pro­jek­ten, die aus der Sicht des dis­si­den­ten Kri­tik­ers Gott nach dem Bilde des Men­schen erschaf­fen und dann dieses Götzen­bild und damit sich selb­st verehren. Das Gegen­pro­jekt ist – so Col­bus – die For­mung des Men­schen nach dem Bilde Gottes auf der Grund­lage ein­er indi­vidu­ellen Beziehung zu dem pan­the­is­tisch aufge­fassten Gott. Dabei erscheint der Men­sch als Frag­ment des Göt­tlichen. Eine Voraus­set­zung für den Erfolg des Gegen­pro­jek­ts ist die Erlan­gung der Unparteilichkeit und der damit ver­bun­de­nen Frei­heit. Dadurch wird man Teil ein­er überzeitlichen und über­räum­lichen, strikt informellen Gemein­schaft. Col­bus beze­ich­net dies als einen Prozess der Homin­i­sa­tion (Men­schw­er­dung). Er hält Francks indi­vid­u­al­is­tis­ches Gesellschaft­skonzept für den Aus­gangspunkt ein­er neuen Epoche.” (Wikipedia)

Es fol­gte ein Aufen­thalt in Esslin­gen, wo er sich mit wenig Erfolg als Seifen­sieder ver­suchte. Die Nach­frage war zu  ger­ing, da sich damals offen­sichtlich nur der Adel mit Seife wusch … In Ulm fand er schliesslich Arbeit in ein­er Druck­erei, ja es gelang ihm sog­ar, eine eigene Druck­erei zu eröff­nen. Der Stad­trat hat­te ihm das Bleiberecht unter der Bedin­gung gewährleis­tet, sich ein­er strik­ten städtis­chen Zen­sur zu unter­w­er­fen. Als Franck die Vorschrift umging, indem er eine weit­ere brisante Schrift, “Die Guldin Arch”, in Augs­burg druck­en liess, war sein Schick­al besiegelt: neue Ausweisung! Näch­stes Ziel: Basel mit seinen blühen­den Druckereien.

Und in Basel war ihm das Schick­sal schliesslich hold. Er kon­nte seine Arbeit als Autor und Buch­druck­er fort­set­zen. 1541 erwarb er gar das Basler Bürg­er­recht, wurde in die Safranzun­ft aufgenom­men und kaufte sich ein Haus für stolze 60 Pfund. 1541 pub­lizierte er auch eine riesige Samm­lung von über 7000 Sprich­wörtern, die er zum Teil ablehnend oder zus­tim­mend kom­men­tierte. Er starb ein Jahr später im Alter von 43 Jahren.

Wer sich etwas detail­liert­er mit Denck auseinan­der­set­zen möchte, find­et auf Wike­pe­dia einen gehaltvollen und umfan­gre­ichen Artikel, auf dem auch dieser kleine Exkurs grössten­teils basiert.

In der näch­sten Folge sprin­gen wir vom 16. zurück ins 20. Jahrhun­dert und machen Bekan­ntschaft mit ein­er wider­ständi­gen und muti­gen jun­gen Frau, die sich wie Denck und Franck respek­t­los mit diversen Autoritäten anlegte: Simone Weil,

und dies wie immer am kom­menden Sam­stag, den 12. September

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das jüngste Gerücht: 4.9.2020
Da war wieder einmal ein Hetztrablatt im Briefkasten

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