Wer in den let­zten Jahren die Entwick­lung des inofiziellen SVP-Sprachrohrs — die Welt­woche — ver­fol­gt hat, kommt nicht umhin, einen klaren Trend und eine damit ver­bun­dene Absicht festzustellen: Die Schweiz soll — wenn es nach dem Willen des Ver­legers und Chefredak­tors Roger Köp­pel geht — sachte und stetig in das Umfeld ein­er autokratis­chen Achse geschoben wer­den, die in dieser Wochen­zeitung seit langem eine pos­i­tive Würdi­gung findet.

Allen voran natür­lich Don­ald Trump, bei dessen Wahl der Welt­woche-Chefredak­tor — wie er damals schrieb — vor Freude durch sein Büro tanzte. Einen Tag vor dem rus­sis­chen Über­fall auf die Ukraine lobt er Putin für die Vertei­di­gung von Tra­di­tion, Fam­i­lie, Patri­o­tismus, Krieg, Reli­gion, Männlichkeit, Mil­itär, usw. Seit kurzem hat er aus der Sicht Köp­pels im Grunde mit dem Ein­marsch gar kein Völk­er­recht ver­let­zt. Bol­sonaro sein­er­seits war der Ret­ter Brasiliens vor den Linken und Net­ten, und dass man die Poli­tik von Netanyahu — mit Bol­sonaro, Trump und Orban bestens befre­un­det — in Frage stellte, war für die Welt­woche seit jeher ein “No go”.

In der neuesten Welt­woche stimmt Roger Köp­pel nun das grosse Loblied auf Vik­tor Orban an. Im Inter­view “Wir beten und ver­trauen auf den lieben  Gott” mit dem ungarischen Präsi­den­ten, der bekan­ntlich die “gelenk­te Demokratie” predigt, wan­delt sich Orban zum Friedensen­gel und grossen Mahner.

Welt­woche: Ist die Europäis­che Union heute eine Bedro­hung für Europa? Orban: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Ich zwei­fle nicht daran, dass die Poli­tik­er in Brüs­sel guten Wil­lens sind. Sie glauben, etwas aufzubauen. In Wahrheit reis­sen sie etwas Funk­tion­ieren­des ein, ohne zu wis­sen, was nach­her kom­men soll .…
Welt­woche: Die gute Nachricht lautet: Der Ukraine-Krieg ist der grosse Schock, der die EU von sich sel­ber heilen könnte.
Orban: Wollen wir es hof­fen. Nur kann ich diese Fähigkeit zur Selb­stre­flex­ion nicht erken­nen. Ein gross­er Teil Vorteil christlich fundiert­er Poli­tik ist, dass man sich vor Gott prüft. Europas grosse Erfolge entstam­men dem Geist der ständi­gen Selb­stre­flex­ion. Lei­der ist diese Tra­di­tion verkümmert. … (…)
Welt­woche: Kön­nte ein Don­ald Trump, der “deal­mak­er”, mit Putin einen “Deal” schaf­fen? Ist Don­ald Trump die let­zte Frieden­shoff­nung der Welt?
Orban: Nicht die let­zte. Aber er ist eine Hoffnung.
Welt­woche: Kön­nte er den gordis­chen Knoten im Ukraine-Krieg durchtrennen?
Orban: Er würde das wohl in ein paar Wochen tun.

Span­nende Frage, wie er das wohl tun würde … Die Ukraine wie einen Sack heiss­er Kartof­feln fall­en lassen?
Span­nend auch die Tat­sache, dass Trump, Putin, Orban, Bol­sonaro — und seit kurzem auch der Welt­woche-Chefredak­tor — sich ein christlich­es Män­telchen umhän­gen. Trump und Bol­sonaro kamen dank Mith­il­fe der Evan­ge­likalen an die Macht. Putin betet in sein­er Privatkapelle.

Aber ist die Vertei­di­gung der christlichen Reli­gion angesichts des heute grassieren­den Mate­ri­al­is­mus nicht legit­im? Hat­te der Ex-Berater von Don­ald Trump, Steve Ban­non, nicht recht, wenn er zur Vertei­di­gung des christlichen Abend­lands aufrief, als er auf Ein­ladung der Welt­woche in Zürich sprach?

Der The­ologe Leon­hard Ragaz, der aktuell in ein­er birsfaelder.li-Serie vorgestellt wird, sagt in seinem Buch “Die Botschaft vom Reiche Gottes. Ein Kat­e­chis­mus für Erwach­sene” in einem Dia­log mit einem Suchen­den Schockierendes:
J.: Was lehrt denn Jesus? Er lehrt doch wohl das Christentum?
M: Jesus lehrt nicht das Chris­ten­tum, bei weit­em nicht, eher das Gegenteil.
J: Das über­rascht mich. So etwas habe ich noch nie gehört. Geht denn das Chris­ten­tum nicht auf ihn zurück?
M: Es geht, wenig­stens teil­weise, auf ihn zurück, ist aber zum grossen Teil auch eine Entar­tung sein­er Sache, ja in hohem Masse das Gegen­teil von dem, was er gewollt hat; es ist im besten Fall nur eine unvol­lkommene und vorüberge­hende Form sein­er Sache.
J: Wie, ste­ht denn nicht das Chris­ten­tum in der Bibel?
M: Keineswegs. Keine Spur davon. Es ste­ht auch nicht ein­mal das Wort “Chris­ten­tum” im Neuen Tes­ta­ment und das Wort “Chris­ten” nur ein paar Mal und zwar als Über­name im Munde der Heiden.
J: Also lehrt Jesus nicht das Chris­ten­tum, son­dern bloss im All­ge­meinen Religion?
M: Jesus lehrt nicht Reli­gion, keine Spur davon. Er bekämpft die Reli­gion und wird von ihr bekämpft, ja sie hat ihn getötet.
J: Also hat Jesus auch nicht die Kirche gewollt, die sich auf ihn beruft?
M: Er hat auch die Kirche bekämpft und ist von ihr bekämpft wor­den. Sie hat ihn als Trägerin der Reli­gion — und ich möchte fast sagen: des Chris­ten­tums — ans Schand­kreuz geschlagen.

Schreck — lass nach … !! Da wollen wir uns doch lieber an den “lieben Gott” von Putin, Orban, Trump und Roger Köp­pel halten 🙂
Oder vielle­icht doch eher an “Hütet euch am Morgarten”!?

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