“Geset­ze sind nichts, die Gesin­nung ist alles … Zu beob­ach­ten ist der Tri­umph der Gesin­nung über die Demo­kra­tie: Dazu gehö­ren Bun­des­rich­ter, die sich im Hoch­mut ihres Amtes zu Gesetz­ge­bern auf­schwin­gen und Volks­ent­schei­de wegen angeb­lich über­ge­ord­ne­ten inter­na­tio­na­len Rechts aus­ser Kraft setzen”.

Offen­sicht­lich sägen nicht nur ille­ga­le “Kli­ma-Extre­mis­ten” an den Grund­la­gen der Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft. Inzwi­schen machen auch Bun­des­rich­ter mun­ter mit! So wenigs­tens die Mei­nung unse­res Chefredaktors.

Vor lan­ger Zeit, 1748, ver­öf­fent­lich­te ein gewis­ser Charles-Lou­is de Secon­dat, Baron de La Brè­de et de Mon­tes­quieu eine staats­po­li­ti­sche Abhand­lung mit dem Titel “De l’e­sprit des lois”. Das war die Geburts­stun­de des Prin­zips der Gewal­ten­tei­lung in die Berei­che Gesetz­ge­bung (Legis­la­ti­ve), Recht­spre­chung (Judi­ka­ti­ve) und Regie­rungs­ge­walt (Exe­ku­ti­ve) . Die­se neue Idee erschien der Katho­li­schen Kir­che aller­dings so sub­ver­siv, dass sie das Werk flugs auf den Index der ver­bo­te­nen Bücher setz­te, wo es bis zu des­sen Abschaf­fung 1967 blieb.

Trotz dem kirch­li­chen Anathe­ma setz­te sich die staat­li­che Gewal­ten­tei­lung lang­sam durch und wur­de zum Grund­pfei­ler jeder Demo­kra­tie, weil die drei Gewal­ten völ­lig unab­hän­gig sind und sich macht­mäs­sig gegen­sei­tig die Waa­ge hal­ten — theo­re­tisch wenigstens.

Dass poli­ti­sche Kräf­te immer wie­der ver­sucht haben, Ein­fluss auf die drit­te Gewalt zu neh­men, ist eine geschicht­li­che Tat­sa­che, — am aus­ge­präg­tes­ten wahr­schein­lich im “real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus”, und heu­te — um wenigs­tens ein aktu­el­les Bei­spiel zu nen­nen — in der Tür­kei. Zur­zeit spielt sich in den USA gera­de ein Dra­ma um die Ernen­nung des neu­en Bun­des­rich­ters ab, wel­che die Repu­bli­ka­ner unbe­dingt noch vor der Wahl des Prä­si­den­ten im Novem­ber durch­bo­xen wol­len, um ihre Macht lang­fris­tig zu sichern. Die Unab­hän­gig­keit der drit­ten Gewalt steht auf höchst wacke­li­gen Füssen.

Die Schweiz gilt als strah­len­des Vor­bild für ein wirk­lich gut funk­tio­nie­ren­des demo­kra­ti­sches Staats­ge­bil­de. Wir sind stolz auf unse­re direk­te Demo­kra­tie, — zu Recht. Wenn da nur nicht die Geschich­te um den SVP-Bun­des­rich­ter Don­zal­laz wäre, auf die sich obi­ge Bemer­kung Roger Köp­pels bezieht. Da wag­te es Herr Don­zal­laz doch tat­säch­lich, Ent­schei­de zu fäl­len, die der SVP radi­kal gegen den Strich gin­gen, z.B. bei der Aus­lie­fe­rung von 40’000 Bank­kun­den­da­ten an Frank­reich. Toben­de Partei.

Bun­des­rich­ter wer­den heu­te in der Schweiz nach dem Par­tei­buch gewählt. Aber es wird aus­drück­lich fest­ge­hal­ten, dass die Rich­ter nach eige­nem Ermes­sen und nach bes­tem Wis­sen und Gewis­sen rich­ten sol­len, — genau­so, wie sich das Herr Mon­tes­qieu vor­ge­stellt hat.

Das sieht die SVP offen­sicht­lich ziem­lich anders. Als es 2004 nach einem für die SVP miss­lie­bi­gen Skin­head-Urteil kam  — das Bun­des­ge­richt stuf­te eine Ver­samm­lung von Rechts­ex­tre­men in einer Wald­hüt­te als “nicht pri­vat” ein -, droh­te die Par­tei den zwei invol­vier­ten SVP-Rich­tern: “Mit ein­schnei­den­den Kon­se­quen­zen bei der nächs­ten Wahl des Bun­des­ge­richts muss gerech­net wer­den.” Nach einem Tref­fen mit der SVP-Frak­ti­on erzähl­te einer der Rich­ter, dort habe Chris­toph Blo­cher als Bun­des­rat und Jus­tiz­mi­nis­ter das Wort geführt und den Rich­tern “den Tarif durch­ge­ge­ben”.

Die Wahl nach Par­tei­buch ist an sich pro­ble­ma­tisch. Die Idee dahin­ter ist, dass so das gan­ze Spek­trum an Wert­hal­tun­gen reprä­sen­tiert wird. Aber die Fol­ge ist, dass top qua­li­fi­zier­te Juris­ten, die kei­ner Par­tei ange­hö­ren, gar kei­ne Chan­ce haben, Bun­des­rich­ter zu wer­den. Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit also vor Qua­li­tät der Kan­di­da­ten. Und Druck­ver­su­che sei­tens der SVP sind aktenkundig.

Bun­des­rich­ter Don­zal­laz hat sich zu Recht gewehrt. Der Zür­cher Ober­ge­richts­prä­si­dent Mar­tin Bur­ger ist aus Pro­test aus der SVP aus­ge­tre­ten, als die Par­tei im Juli auch Rich­ter ihrer “Ehren­char­ta” unter­wer­fen wollte.

Aus­zug aus dem REPUBLIK-Interview:
Was soll die­se Ehrencharta?
Es geht um die Ver­pflich­tung der Man­dats­trä­ger, also auch der Rich­ter, sich dau­er­haft für die Par­tei zu enga­gie­ren, vor allem im Wahl- und im Abstim­mungs­kampf. Oder um die Zustim­mung zum Par­tei­pro­gramm, zu den Grund­sät­zen der SVP sowie um die Bereit­schaft, die Par­tei nach aus­sen zu ver­tre­ten und zu reprä­sen­tie­ren. Und es wird die Pflicht auf­ge­führt, eine Man­dats­steu­er zu zah­len. In der alten Fas­sung war noch ein Ehren­ge­richt erwähnt, das Wider­hand­lun­gen gegen die Char­ta ahn­den soll­te. Auf mei­ne Inter­ven­ti­on hin wur­de das Ehren­ge­richt wie­der ent­fernt, und es wird neu die rich­ter­li­che Unab­hän­gig­keit erwähnt. Das hat jedoch die Funk­ti­on eines Fei­gen­blatts. Als ich an der Vor­stands­sit­zung gegen die Ehren­char­ta inter­ve­nier­te, ging ein Bashing los – gegen mich und gegen die Rich­ter­schaft ins­ge­samt. Das war ein nega­ti­ver Höhe­punkt mit mei­ner Partei.

Wer muss das Papier unterschreiben?
Rich­ter­kan­di­da­ten, wenn sie sich bewer­ben, und bestehen­de Rich­te­rin­nen vor den Wie­der­wah­len. Ich weiss, dass Kan­di­da­ten die frü­he­re, schär­fe­re Fas­sung unter­schrie­ben haben. Nach mei­ner Inter­ven­ti­on beschloss der Vor­stand, die Char­ta den Man­dats­trä­gern vor­zu­le­gen und zu erklä­ren. Ande­re Rich­ter und Staats­an­wäl­tin­nen reg­ten sich hef­tig auf. Aber sie wagen es nicht, öffent­lich und nament­lich Kri­tik zu äus­sern, sie machen die Faust im Sack. Sie haben Angst. Sie befürch­ten Nach­tei­le für ihre Lauf­bahn. Eini­ge dach­ten dar­über nach, aus der Par­tei aus­zu­tre­ten, und taten es doch nicht.

Das gan­ze höchst lesens­wer­te REPU­BLIK-Inter­view fin­det sich hier.

Und damit kom­men wir zum ein­lei­ten­den Kom­men­tar Roger Köp­pels zurück. Für ein­mal hat er die Hal­tung sei­ner eige­nen Par­tei prä­gnant und luzi­de umschrie­ben ;-). Mit der SVP an der allei­ni­gen Macht hät­ten wir tat­säch­lich eine Bananenrepublik …

Klei­ner Nach­trag: Was pas­sie­ren könn­te, wenn eine sich immer stär­ker radi­ka­li­sie­ren­de Par­tei unter einem ruch­lo­sen Anfüh­rer alles dar­an setzt, demo­kra­ti­sche Wah­len zu sabo­tie­ren und in einem Cha­os enden zu las­sen, hat soeben The Atlan­tic in einer in die Tie­fe gehen­de Ana­ly­se dar­ge­legt: The Elec­tion That Could Break America
Die Aus­sich­ten sind düster …

 

 

Simone Weil - Wanderin zwischen den Welten 3
Wochenrückblick

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