… kann sich das leisten. Das Komitee zur Bewahrung der direkten Demokratie mit Sitz in 8966 Oberwil-Lieli, zufälligerweise auch der Wohnort von SVP Nationalrat Andreas Glarner (das ist der, der einmal einen Stacheldrahthag rund um die Schweiz ziehen wollte), hat zweimal mit doppelseitigen 20-Minuten-Titelblattanzeigen zugeschlagen. Im wahrsten Sinne des Wortes, in alter SVP Manier, nichts mehr mir orangegelb kuscheln. Auf Seite 1 der Inserate werden »Minarette« und »Hereinspaziert« thematisiert, respektive geschlagwortet.
Auf Seite zwei folgen dann z.B. Fälle des EGMR, die beweisen sollen, wie böse diese fremden Richter sind. Bei beiden Fällen war übrigens immer eine Schweizer Richterin dabei! Dazu zwei Beispiele:
Aussage in der Glarner-Postille:
Wer aber die Schweizer Kultur vor der Ausbreitung des Islam schützen will, darf als Rassist bezeichnet werden.
Hier das entsprechende Urteil des EGMR:
»Urteil GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus gegen die Schweiz
vom 9. Januar 2018 (Nr. 18597/13)
Freiheit der Meinungsäusserung (Art. 10 EMRK); Bezeichnung der Äusserungen des Präsidenten einer Sektion der Jungen SVP auf der Internetseite der Beschwerdeführerin als verbaler Rassismus
Der Fall betrifft die Publikation eines Artikels auf der Internetseite der Beschwerdeführerin, die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), unter der Rubrik „Chronologie – verbaler Rassismus“. Zum Inhalt hatte der Artikel insbesondere die Äusserungen von B.K., Präsident einer Sektion der Jungen SVP, anlässlich eines Treffens zur Initiative „Gegen den Bau von Minaretten“. B.K. zufolge sei es an der Zeit, der Ausbreitung des Islams ein Ende zu setzen. Die Schweizer Leitkultur, der das Christentum zu Grunde liege, dürfe sich nicht von anderen Kulturen verdrängen lassen. Das Minarettverbot sei ein Zeichen für die Wahrung der nationalen Identität.
Die von B.K. in der Sache erhobene Klage wegen Persönlichkeitsverletzung wurde vom Bezirksgericht abgewiesen. Das Obergericht befand hingegen, dass die Rede keinen rassistischen Charakter hatte, und verpflichtete die Beschwerdeführerin, den Artikel von ihrer
Internetseite zu entfernen und durch das zweitinstanzliche Urteil zu ersetzen. Das Bundesgericht bestätigte dieses Urteil. Vor dem Gerichtshof machte die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Freiheit der Meinungsäusserung (Art. 10 EMRK) geltend.
Der Gerichtshof stellte fest, dass die Sache einen Konflikt zwischen dem Recht der Beschwerdeführerin auf freie Meinungsäusserung und dem Recht von B.K. auf Achtung seines Privatlebens betrifft. Er untersuchte, ob die innerstaatlichen Gerichte die Rechte der
beiden Parteien entsprechend seiner Rechtsprechung gegeneinander abgewogen hatten und ob die Gründe für die getroffenen Massnahmen stichhaltig und hinreichend waren. Er berücksichtigte insbesondere, dass der Artikel Teil einer intensiven öffentlichen Debatte war, dass B.K. in seiner Eigenschaft als Akteur des politischen Lebens einen erhöhten Grad an Toleranz gegenüber Kritik an den Tag legen musste und dass die Klassifizierung der Rede von B.K. unter der Rubrik „Chronologie – verbaler Rassismus“ eine sachliche Grundlage aufwies. Verletzung von Art. 10 EMRK (einstimmig).«
Gemäss dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verletzte das Bundesgericht die Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK) der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), als es der Stiftung verbot, eine Rede des Präsidenten der Jungen SVP Thurgau im Kontext der Debatte um die Anti-Minarett-Initiative als «verbalen Rassismus» zu einzustufen.
Aussage in der Glarner Postille:
Wer den islamischen Propheten Mohammed herabwürdigt, kann sich nicht auf die freie Meinungsäusserung berufen und darf bestraft werden.
Da die Daten Bank mit den Urteilen noch nicht nachgeführt ist, konnte ich das entsprechende Urteil auf die Schnelle nicht finden. Aber gefunden habe ich in der Bundesverfassung, die ja laut SVP über allem anderen Recht stehen sollte:
»• Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
• Bund und Kantone können im Rahmen ihrer Zuständigkeit Massnahmen treffen zur Wahrung des öffentlichen Friedens zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften.
• Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
• Und Artikel 78 (Heimatschutz) scheint das Herabwürdigen des Propheten auch nicht zu rechtfertigen ;-)«
So, jetzt wissen Sie wenigstens zum Teil um was es geht. Ja, die Meinungsfreiheit und die Meinungsäusserungsfreihet sind halt immer noch zwei Dinge. Das erstere lässt alles zu, für das Zweite muss man dann halt geradestehen, den Kopf hinhalten.