Unser etwas glückloser Aussenminister, Ignazio Cassis FDP, machte vor kurzer Zeit einen Versuch in Sambia die Ehre der Schweizer Firma Glencore zu retten. Die gleiche Firma, die über die Festtage in Peru Glencore-Wachmänner indigene Bäuerinnen mit Steinen bewerfen liess, um sie von ihrem angestammten Land zu vertreiben. Konzernverantwortung?
Da versenkt also der Nationalrat das CO2-Gesetz, vor allem weil nicht alle CO2-Zertifikate im Ausland wirksam sein sollen. Ja wie denn auch, wenn die Totalablehnerin SVP mit ihrem Chef-Öl-Lobbyisten Albert Rösti (Präsident von Swissoil) an der Parteispitze das Credo von Swissoil vertreten muss: »Swissoil ist der Dachverband der Brennstoffhändler in der Schweiz … Wir bezwecken die Erhaltung eines freien, leistungsfähigen Brennstoffhandels in der Schweiz … Eine Bevorzugung einzelner Energieträger durch die öffentliche Hand lehnen wir ab …« Lieber verkaufen die Schweizer Ölhändler minderwertigen Diesel in Afrika, dessen Schwefel- und CO2-Ausstoss dann mit Schweizer Zertifikaten geschönt werden soll.
Syngenta wurde in Brasilien in einem Zivilprozess zweitinstanzlich für Mord und Mordversuch zu Schadenersatz verpflichtet. Syngenta liess durch eine Privatmiliz auf demonstrierende Landarbeiter schiessen, die nur vier Kilometer von einem Nationalpark entfernt entdeckt hatten, dass Syngenta dort verbotenerweise genmanipulierten Mais anbaute. In irgendeiner Schweizer Zeitung davon gelesen?
Überall in der Schweiz hängen die roten Flaggen. Sie machen Sie darauf aufmerksam, dass eine Initiative eigentlich abstimmungsreif ist und nur noch von Ständerat verzögert wird. Und darum geht es:
Wenn ein Schweizer Grosskonzern im Ausland Kinder beschäftigt, das Trinkwasser vergiftet oder Bevölkerungsgruppen brutal von ihrem Land vertreibt, dann soll er für den angerichteten Schaden auch haften.
Heute haben Betroffene häufig keine Chance, Gerechtigkeit zu erlangen. Dass sich das ändern sollte, passt den Konzernen natürlich nicht. Schliesslich können sie heute tun und lassen, was immer sie wollen, ohne sich vor Konsequenzen fürchten zu müssen. Das muss jetzt aufhören!
Etwas genauer:
• Glencore verschmutzt Wasser in Kolumbien
• Polo von Syngenta vergiftet Landarbeiter (bei uns verboten)
• Valcambi im Tessin verarbeitet von Kindern geschürftes Gold
• Glencore vertreibt indigene Bauern (siehe oben)
• Credit Swiss finanziert die Dakota Öl-Pipeline und verletzt Indigenen-Rechte
• Schweizer Rohstoffhandelsfirmen sind zentrale Akteure im Geschäft mit schwefelreichen Treibstoffen in Afrika
• Über eine halbe Million Kinder arbeiten unter missbräuchlichen Bedingungen auf Kakaoplantagen
Noch genauer:
Sie erfahren die Fakten auf der Website der Konzernverantwortungsinitiative.
Im Juni hat der Nationalrat wenigstens einem Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative zugestimmt. Momentan wird das Geschäft in der Rechtskommission des Ständerats beraten. Diese Kommission hat am 17. Oktober kommuniziert, dass sie auf das Geschäft eintritt und eine Subkommission einsetzt.
Die Subkommission soll sich mit dem Text des Gegenvorschlages befassen. Sie will erst im ersten Quartal 2019 mit Vorschlägen zurück in die Kommission kommen. Das heisst: Der Gegenvorschlag und die Volksinitiative können nicht in der Wintersession behandelt werden. Damit ist klar, dass eine Abstimmung im Jahr 2019 nicht mehr möglich ist. Das Abstimmungsdatum Februar 2020 ist nun wahrscheinlicher.
Diese Verzögerungstaktik des Ständerats ist unverständlich. Schon der Nationalrat hat in mehreren Kommissionssitzungen über den Gegenvorschlag beraten. Für die Initianten ist klar: Es braucht bald eine Entscheidung, ob die Politik verbindliche Regeln für Konzerne will oder sich weiterhin davor drückt zu handeln. Sollte der Gegenvorschlag weiter abgeschwächt werden, wird die Stimmbevölkerung über die Initiative entscheiden.
Dass die grossen Konzerne und ihre Lobby von Economiesuisse bis Swissoil diese Initiative fürchten zeichnet sich jetzt schon ab. Warum sonst schalten sie schon Inserate, auch wenn noch kein Abstimmungstermin feststeht?
Und die Weisheit zur Sache:
Politik ist Gestaltung und konstruktive Problemlösung.
Entfernt sie sich von diesem Anspruch, wird sie zur Demagogie.
Philipp Brandenstein