In den ver­bor­ge­nen Tie­fen und Wei­ten der Men­schen­na­tur, die ins Jen­seits hin­über­ge­hen, sind grös­se­re und wich­ti­ge­re Ent­de­ckun­gen zu machen als in Him­mels- und Erdkunde.

Der inners­te höchs­te Sinn ist der unbe­kann­te Gott in uns.

Jeder Ein­zel­mensch muss umge­wan­delt werden.

Klei­nes Rate­spiel: Wer hat wohl die­se Aus­sa­gen getrof­fen? Ein Guru aus dem Osten? Ein welt­be­kann­ter Phi­lo­soph oder Theo­lo­ge? Ein New-Age Anhän­ger? oder …?
Ant­wort: Es war ein Schwei­zer, gebo­ren 1780 in Bero­müns­ter, gestor­ben 1866 in Aar­au. Sein Name war Ignaz Paul Vital Troxler.

Schon mal von ihm gehört? Wenn ja, herz­li­che Gra­tu­la­ti­on: Sie gehö­ren zu dem einen Pro­zent, für die Trox­ler ein Begriff ist. Für die rest­li­chen 99% der Schwei­zer Bevöl­ke­rung bedeu­tet die­ser Name nichts.

Und das ist jam­mer­scha­de und im höchs­ten Mas­se unge­recht, denn ohne Ignaz Paul Vital Tro­xer gäbe es die moder­ne Schwei­ze­ri­sche Eid­ge­nos­sen­schaft, wie sie heu­te exis­tiert, schlicht­weg nicht.

Eine über­trie­be­ne Aus­sa­ge? Um das zu ent­schei­den, schla­ge ich Ihnen vor, in den kom­men­den Wochen jeweils am Sams­tag in das beweg­te und fas­zi­nie­ren­de Leben die­ser aus­ser­ge­wöhn­li­chen Per­sön­lich­keit ein­zu­tau­chen und sich dann Ihr eige­nes Urteil zu bilden.

Um es vor­weg­zu­neh­men: Trox­ler war tat­säch­lich Phi­lo­soph. Er lehr­te an der Uni­ver­si­tät Basel und Bern.
 Aber er war auch Arzt, und vor allem war er ein Voll­blut-Poli­ti­ker, der in den poli­ti­schen Wir­ren nach dem Zusam­men­bruch der Alten Eid­ge­nos­sen­schaft wie ein Löwe dafür kämpf­te, dass die­ses locke­re Staats­ge­bil­de auf eine neue poli­ti­sche Grund­la­ge gestellt wer­den konn­te, wel­che das Über­le­ben der Schweiz auch in Zukunft sichern wür­de. Es ist ihm gelun­gen, und dafür ver­dient er unser aller Dank und Anerkennung.

Als Ignaz Paul Vital Trox­ler am 17. August 1780 in Bero­müns­ter als ältes­ter Sohn eines Tuch­händ­lers gebo­ren wur­de, sah die poli­ti­sche Land­kar­te der Schweiz und ganz Euro­pas ziem­lich anders aus als heute:
Die Eid­ge­nos­sen­schaft war ein locke­res Gebil­de von unter­ein­an­der mehr oder weni­ger eng ver­bün­de­ter Klein­staa­ten mit höchst unter­schied­li­chen Regie­rungs­for­men, die von der direkt­de­mo­kra­ti­schen Lands­ge­mein­de in den länd­li­chen Gebie­ten bis zu den aris­to­kra­ti­schen „gnä­di­gen Her­ren“ in den Städ­ten reich­ten. Es gab gros­se Unter­ta­nen­ge­bie­te (Thur­gau, Aar­gau, Tes­sin, Waadt) die von Vög­ten der ent­spre­chen­den Her­ren ver­wal­tet wur­den. Das gan­ze poli­ti­sche Sys­tem war im Lau­fe der Jahr­hun­der­te immer ver­krus­te­ter, unge­rech­ter und die „alt-eid­ge­nös­si­sche Frei­heit“ zu einem fer­nen Mythos geworden.

1780 herrsch­ten In Euro­pa abso­lu­te Mon­ar­chen: Lud­wig XVI. in Frank­reich, Maria The­re­sia erleb­te ihr letz­tes Lebens­jahr als Kai­se­rin über das gewal­ti­ge Habs­bur­ger­reich, in Russ­land herrsch­te Katha­ri­na II., und das Deut­sche Reich war in einen rie­si­gen Fli­cken­tep­pich ver­schie­dens­ter Klein­rei­che zer­fal­len, domi­niert von Preus­sens Fried­rich dem Grossen.

Die­se alte Ord­nung wur­de, wie wir alle wis­sen, zum ers­ten Mal erschüt­tert, als 1789 in Frank­reich eine Revo­lu­ti­on aus­brach. Schon 9 Jah­re spä­ter ver­schwand die Alte Eid­ge­nos­sen­schaft von der Bild­flä­che, über­rollt von revo­lu­tio­nä­ren fran­zö­si­schen Arme­en. Ein klei­ner kor­si­scher Offi­zier über­nahm in Frank­reich die Macht und pflüg­te als „emper­eur“ in weni­gen Jah­ren die poli­ti­sche euro­päi­sche Land­schaft regel­recht um.

Trox­ler erleb­te die Fol­gen des poli­ti­schen Erd­be­bens in Frank­reich als Jun­ge haut­nah mit. Im Klos­ter St. Urban, wo er bei sei­nem Onkel regel­mäs­sig die Feri­en ver­brach­te, leb­ten vie­le fran­zö­si­sche Ade­li­ge und Geist­li­che, die vor der Revo­lu­ti­on geflüch­tet waren. Im Kon­takt mit ihnen lern­te der auf­ge­weck­te, aber schüch­ter­ne Trox­ler rasch Fran­zö­sisch. Wäh­rend eines Mah­les kam es zu einem Vor­komm­nis, wel­ches sei­nem Leben eine ent­schei­den­de Rich­tung geben soll­te: Eini­ge Emi­gran­ten neck­ten den Jun­gen gut­mü­tig dar­über, dass er den Ideen der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on posi­tiv gegen­über stand. Was dann geschah, las­sen wir Trox­ler gleich sel­ber erzäh­len: 
Und da brach ich los, und ant­wor­te, und ant­wor­te wie­der und zwar, wie man sag­te, tref­fend und wit­zig, scharf und bit­ter und mit einer Geläu­fig­keit und Stär­ke des Worts, dass die gan­ze Gesell­schaft still und auf­merk­sam ward, mei­ne wirk­lich besieg­ten Geg­ner belach­te und mir rau­schen­den Bei­fall gab. Das ent­schied für mein Leben; jetzt war Scheu und Blö­dig­keit wie durch Zau­ber gebro­chen und ich mir selbst gege­ben, und frei beweg­te ich mich fort­an nach mei­nem eige­nen Sinn und Trieb.“

Die­se Uner­schro­cken­heit soll­te ihn sein gan­zes Leben lang nicht mehr verlassen.

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