Dass Helvetia auch heute frisch und munter in der Schweizer Politik mitmischt, davon zeugen unter anderem die Cartoons des Solothurner Karikaturisten Silvan Wegmann :
Aber wie sah es mit Helvetia-Karikaturen im 19. Jahrhundert aus?
Die erste bekannte stammt noch aus der turbulenten Zeit vor der Entstehung des Bundesstaates 1848. Die 1845 gegründete satirische Solothurner Zeitschrift “Der Postheiri” stellte 1847 Frau Helvetia zwischen die Konservativen (Klösterherstellung) und Liberalen (Jesuitenaustreibung) und sagt von ihr: Sie besitzt zwar nicht mehr die erste Jugendfrische, was ihr aber Niemand übel nehmen kann, der bedenkt, dass sie schon Anno 15 (Bundesvertrag von 1815) ihre “entrée dans le monde” gemacht hat.
Das war die Zeit, als der Entscheid der damaligen Luzerner Regierung, dem Jesuitenorden Gastrecht zu gewähren, die Gemüter der liberal Gesinnten erhitzte. In dieser 1848 im “Postheiri” erschienen Karikatur thront die siegreiche Helvetia über ihren Feinden, die Österreich für ihre Ziele zu Hilfe holen wollten.
Wie stark die Aversion gegen die Jesuiten noch Jahrzehnte später war, zeigt diese 1875 entstandene Karikatur aus dem “Nebelspalter”:
Nach der Bundesstaatsgründung wurde das Söldnerwesen bald verboten. Aber offensichtlich hinderte das ausländische Agenten nicht, weiterhin Soldaten für Fremde Dienste anzuwerben. (Wie Oberst Dickson der Madame Helvetia eine Nase dreht, im “Postheiri” 1855)
Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in der Schweiz das Eisenbahnfieber ausbrach und es zur Gründung einer Vielzahl von Privatbahnen kam, die sich konkurrenzierten, zeigte sich 1875 unsere Landesmutter als Mahnerin zur Einigkeit in der Frage der Linienführung der ersten Alpentransversale und verwies auf den “Bölimaa” Reichskanzler Bismarck:
1891 schliesslich, als die Frage der Verstaatlichung der Eisenbahnen zur Diskussion stand, zeigte sich unsere Helvetia als eigentliche Nemesis im Kampf gegen die Eisenbahn-Kapitalisten. (Ein antisemitischer Einschlag ist hier unverkennbar)
(Sämtliche Bilder sind dem spannenden Buch “Helvetia im Wandel der Zeiten. Die Geschichte einer nationalen Repräsentationsfigur” von Georg Kreis entnommen.)
Nächste Folge am kommenden Donnerstag, den 28. September
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