Heu­re­ka! Hel­ve­tia war vor kur­zem bereit, trotz scheuss­li­chem Regen­wet­ter in der Geis­ter­stun­de den Dia­log mit dem birsfaelder.li-Schreiberling wei­ter­zu­füh­ren. Beharr­lich­keit zahlt sich offen­sicht­lich aus!

Sch: Wer­tes­te Hel­ve­tia, es freut mich aus­ser­or­dent­lich, dass du wie­der bereit bist, mit mir zu spre­chen. Ich möch­te dich gleich dar­an erin­nern, dass du zwar mit dem SVP-Tell nichts anfan­gen kannst (Hel­ve­tia schnaubt indi­gniert), unse­rem Natio­nal­hel­den aber trotz­dem einen Ehren­platz in der Geschich­te der Eid­ge­nos­sen­schaft ein­räu­men willst. Wie passt das zusammen?
Hel­ve­tia: Hast du schon ein­mal etwas von Joseph Camp­bell gehört?
Sch: Nanu, den kennst du auch!? Natür­lich ist mir die­ser gros­se Mythen­for­scher ein Begriff. Er hat ja aus Aber­hun­der­ten von Mythen auf der gan­zen Welt den Mono­my­thos der Hel­den­rei­se sozu­sa­gen her­aus­de­stil­liert, und ich lie­be ihn für sei­ne Aus­sa­ge: “Fol­low your bliss!” — Aber war­um kommst du auf Cam­pell zu sprechen?
Hel­ve­tia: Weil er als ers­ter dar­auf hin­ge­wie­sen hat, wie macht­voll Mythen oft unbe­wusst in unser Leben und in die Poli­tik ein­grei­fen können.
Sch: Das sieht man tat­säch­lich bei der SVP sehr deut­lich. War­um warst du denn das letz­te Mal so wütend, als wir auf ihren Umgang mit dem Tell-Mythos zu spre­chen kamen?
Hel­ve­tia: Sie möch­te Tell als Exklu­siv­be­sitz der Eid­ge­nos­sen pach­ten und setzt ihn als Spalt­pilz gegen ein zukünf­ti­ges wirk­lich ver­ein­tes Euro­pa ein. Sie hat die Tell-Geschich­te auf ein mani­pu­la­ti­ves und pri­mi­ti­ves Niveau heruntergedrückt.
Sch: Ach so? Was wäre denn das ange­mes­se­ne Niveau für den Mythos?
Hel­ve­tia: Der wah­re Wil­helm Tell lebt in euch allen, — und ich mei­ne mit “allen”: alle Men­schen. Genau so lebt der Gess­ler in euch, ein Tyrann, der euch die inne­re Frei­heit weg­neh­men will, der über euch herr­schen möch­te. Psy­cho­lo­gen wür­den heu­te sagen: Sein wah­rer Name ist “Ego”. 
Sch: Inter­es­sant! Aber damit bist du doch ziem­lich weit weg vom Tell, wie ihn Fried­rich Schil­ler — übri­gens kein Schwei­zer, ein Deut­scher! — uns so ein­drück­lich vor Augen führt.
Hel­ve­tia: Das ist eine Täu­schung. Kein deut­scher Dich­ter hat das Hohe­lied der Frei­heit so schön besun­gen wie Schil­ler. Hat er nicht vor dem Tell inten­siv und lan­ge an der “Geschich­te des Abfalls der ver­ei­nig­ten Nie­der­lan­de von der spa­ni­schen Regie­rung” gearbeitet?
Sch: Ja schon, aber damit sind wir wie­der bei äus­se­ren Gescheh­nis­sen, bei poli­ti­schen Freiheits-kämpfen!
Hel­ve­tia: Das stimmt durch­aus. Aber hin­ter die­sen Frei­heits­kämp­fen steht der tie­fe Durst aller Men­schen, wahr­haft und ganz frei zu sein, — nicht nur im Äus­se­ren, auch im Inne­ren. Was hat Schil­ler 1793 in einem Brief an Gott­fried Kör­ner geschrie­ben?: “Frei sein und durch sich selbst bestimmt sein, von innen her­aus bestimmt sein, ist eins.”
Sch: Potztau­send! Wie­vie­le Bücher hast du eigent­lich schon gelesen?
Hel­ve­tia: Dumm­kopf! Ich brau­che kei­ne Bücher zu lesen. Ich bin schliess­lich die Helvetia!
Sch: Ähem — ich muss dir wohl glau­ben …  Hast du mir noch eine ande­re Erkennt­nis zum Tell mitzuteilen?
Hel­ve­tia: Nein, es genügt, was ich dir sag­te. Medi­tie­re über die tie­fe Ein­sicht Schil­lers, dann wirst du Tell immer bes­ser ver­ste­hen … Aber eine Fra­ge gebe ich dir noch mit: Ist es Zufall, dass Tell sein Leben beim Ret­ten eines Kin­des aus der reis­sen­den Schä­chen verliert?
Sch: Ich wer­de ger­ne dar­über nach­den­ken und dan­ke dir, hoch­ed­le Hel­ve­tia, für die­ses Gespräch! Darf ich mich wie­der mel­den, wenn ich dei­ne Hil­fe brau­che? Das mit dem “Ehren­platz” in der Schwei­zer Geschich­te ist mir noch nicht ganz klar.
Hel­ve­tia: Das sei dir gewährt.

Inzwi­schen ist der birsfaelder.li-Schreiberling auf das inter­es­san­te Buch “Hel­ve­tia im Wan­del der Zei­ten” des Bas­ler His­to­ri­kers Georg Kreis gestos­sen. In der nächs­ten Fol­ge wer­fen wir einen ers­ten Blick hinein.

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Mattiello am Mittwoch 23/35
Die Reichsidee 101

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