Der birsfaelder.li-Schreiberling meldet sich nach der Feiertagspause wieder zurück und wünscht allen birsfaelder.li-Leserinnen und Lesern ein neues Jahr in Gesundheit und voller bereichernder Erfahrungen, — nicht nur schöne, denn oft sind Erfahrungen, die wir zuerst als herausfordernd oder negativ erleben, im Nachhinein einiges wertvoller …
Helvetia hatte dem Schreiberling im Dezember im Zusammenhang mit dem “Königreich des Vaters”, das nicht gesucht werden muss, weil es schon da ist, wir es aber in unserer Blindheit nicht erkennen, als Hausaufgabe eine echte “Knacknuss” auf den Weg gegeben. Er fand über die Feiertage etwas Zeit, sich dazu Gedanken zu machen, und begab sich deshalb am ersten Jänner 2024 Punkt Mitternacht wieder auf die Mittlere Brücke, um das Zwiegespräch mit unserer Landesmutter zu suchen. Hier ist es:
Schreiberling: Hochedle Helvetia, ich erlaube mir, dich anfangs des neuen Jahres aufzusuchen und danke dir erneut, dass du mir gewährst, mit dir zu sprechen.
Helvetia: Das ist keine Gunst meinerseits, sondern eine Notwendigkeit. Grosse Herausforderungen kommen auf die Eidgenossenschaft zu.
Sch: So freut es mich umso mehr, mich mit dir austauschen zu können. Um ehrlich zu sein, freue ich mich allerdings angesichts all der Kriege und Herausforderungen verschiedenster Art, denen wir gegenüberstehen, nicht besonders auf die kommende Zeit.
H: Warum das? Herausforderungen sind Gelegenheiten aufzuwachen.
Sch: Schön, dass du mir gleich das Stichwort lieferst, um den Dialog vom letzten Mal weiterzuführen. Es ging darin ja um die Feststellung, dass es unsere Blindheit ist, die uns hindert, das schon vorhandene “Königreich des Vaters” — wie Jesus es im Thomas-Evangelium nennt — zu erkennen. Und es ging auch darum, dass wir alle im Grunde “schlafen”, auch wenn wir am Morgen aufstehen und unseren alltäglichen Beschäftigungen nachgehen. — Da taucht in mir eine Überlegung auf: Ist mit “schlafen” und “blind sein” im Grunde nicht dasselbe gemeint?
H: Selbstverständlich!
Sch: Dann stellt sich jetzt die Frage, was damit gemeint sein könnte.
H: Selbstverständlich!
Sch: Na ja, selbstverständlich ist bei mir gar nichts … Aber ich habe mir über Weihnachten doch ein paar Gedanken dazu gemacht.
H: Ich bin ganz Ohr!
Sch: Letzthin bin ich nämlich auf einen Artikel gestossen, worin behauptet wurde, dass in der Regel nicht wir denken, sondern dass es sozusagen “in uns denkt”. Wenn ich mich selbst beobachte, scheint mir diese Behauptung ziemlich zutreffend zu sein: Es kommen laufend Gedanken in mir hoch, die ich eigentlich gar nicht bewusst gerufen habe. Manchmal habe ich den Eindruck, dass da in meinem Kopf eine Art “Gedankenradio” auf Dauersendung ist …
H: Ein durchaus zutreffendes Bild! Dann hat also dein “Gedankenradio” über Weihnachten auch mal eine Sondersendung zum “Schlafen” und “Blindsein” gebracht?
Sch: … nein, da war eine andere Qualität dabei …
H: Und worin bestand deiner Ansicht nach diese “andere Qualität”?
Sch: (überlegt lange) … Mir scheint, es gab zwei wesentliche Unterschiede zum “Radio”: Ich habe mir bewusst Gedanken gemacht, aber — da merke ich plötzlich etwas — das hat nur funktioniert, weil ich die “Dauersendung” abgeschaltet habe.
H: Interesssant! Was ist deiner Meinung nach geschehen, nachdem du den entsprechenden Knopf gedreht hast?
Sch: Na ja, es wurde dann in mir still. Und jetzt realisiere ich plötzlich, dass das die Voraussetzung war, um bewusst denken zu können!
H: Kluges Köpfchen!
Sch: Du machst dich über mich lustig!
H: Ganz und gar nicht. Du hast gerade eine entscheidende Voraussetzung entdeckt, um bewusst denken zu können.
Sch: Das freut mich. Aber ich muss dir was gestehen: Das Drehen am Knopf ist verdammt schwierig. Manchmal schaffe ich es überhaupt nicht …
H: Was macht man, wenn man etwas nicht schafft?
Sch: Na ja, man lässt es entweder bleiben oder, wenn es einem wichtig ist, übt man, bis man es kann.
H: Kluges Köpfchen! Nur — wie stellst du dir denn dieses Üben vor?
Sch: Man übt halt, diese innere Stille immer länger zu erfahren. Moment mal: Es geht es hier nicht etwa um Meditation?
H: Bingo!
Sch: Aber Meditation ist doch etwas aus dem Osten für Birkenstock-Sandalen-Trägerinnen und Träger.
H: Das behaupten alle jene, die ein Interesse daran haben, dass dein “Gedankenradio” für immer auf Dauersendung bleibt.
Sch: Jetzt ziehe ich einen kühnen Schluss: Denkst du, dass Meditation — ich würde in diesem Falle von “Stille”-Meditation sprechen — im Zusammenhang mit unserer “Blindheit” und unserem “Schlafen” wichtig sein könnte?
H: Es ist nicht nur wichtig, es ist überlebenswichtig.
Sch: Dann werde ich mich in der nächsten Zeit gleich ans Üben machen und dir von meinen Erfahrungen berichten. Kannst du mir noch einen Ratschlag geben?
H: Sehr wohl. Wichtig ist, sich jeden Tag — ich wiederhole: jeden Tag — etwas Zeit zu nehmen, diese innere Stille zu suchen. Am besten morgens, bevor dich der Alltag gefangen nimmt. Sonst ist jedes Bemühen hoffnungslos.
Sch: Danke, hochedle Helvetia! Aber sag mal, woher weisst du das alles?
H: Dummkopf! Ich bin schliesslich die Helvetia!!
Sch: Ähem … habe ich wieder mal vergessen. Trotzdem freue ich ich auf unser nächstes Gespräch.
H: Das sei dir gewährt!
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