Am letzten Samstag war Vollmond, — die ideale Gelegenheit, um Helvetia an der mittleren Rheinbrücke um die Weiterführung des Dialogs anzufragen. Und tatsächlich, sie liess sich nicht zweimal bitten!
Sch: Sei gegrüsst, edle Helvetia, und sei bedankt für deine Bereitschaft, mich erneut anzuhören.
Helvetia: Und was gibt es denn von dir zu hören, Mensch?
Sch: Du hast mir ja das letzte Mal geholfen, den Zusammenhang zwischen Freiheit und Gott zu klären. Offen blieb die Frage, wie darin die „Ewige Eidgenossenschaft“ einzuordnen sei, und du hast mich aufgefordert, mir meine eigenen Gedanken dazu zu machen.
Helvetia: Ich bin ganz Ohr!
Sch: Nun, ich habe mir überlegt, dass diese „Ewige Eidgenossenschaft“ mit unserer geschichtlichen Schweizerischen Eidgenossenschaft nicht unbedingt gleichzusetzen sei …
Helvetia: Wie bist du denn auf diese Idee gekommen?
Sch: Na ja, wer sich etwas intensiver mit deren Geschichte auseinandersetzt, stellt bald einmal fest, dass dieses politische Gebilde ein kunterbunter Mix von dunklen und hellen Seiten war und noch ist.
Helvetia: - was selbstverständlich für alle Gebilde und Ereignisse auf eurer materiellen Ebene zutrifft.
Sch: Du hast natürlich recht. Das musivische Pflaster der Freimaurer zeigt das sehr schön auf. Wie oft war „Freiheit“ im Laufe der Geschichte der Eidgenossenschaft nur noch ein Feigenblatt für Gier und Machttrieb gewesen und zu einer reinen Worthülse verkommen. Die Bauernkriege im 17. Jahrhundert legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Doch trotz all dieser dunklen Seiten hat sich die oft nahe am Abgrund taumelnde Eidgenossenschaft erhalten und sich stetig weiterentwickelt. Das ist im Grunde höchst erstaunlich.
Helvetia: Warum das?
Sch: Es gab im Mittelalter ja viele Eidgenossenschaften, aber nur die unsere hat überlebt. Als 1798 das alte, morsch gewordene lockere Bündnissystem auseinanderbrach, trauerten ihm gerade noch die Gnädigen Herren in den Städten nach, weil ihre Pfründen entschwanden. Sie hätte anschliessend leicht auseinanderfallen können. Aber sie tat es nicht.
Helvetia: Warum das?
Sch: (sinnt nach) … Da kommt mir ein Gedanke. Könnte es sein, dass bei der Antwort auf diese Frage die „Ewige Eidgenossenschaft“ in Spiel kommt?
Helvetia: Wie würdest du denn diese „Ewige Eidgenossenschaft“ definieren?
Sch: Nun, ich stelle sie mir so als eine Art „Blueprint“ für eine Gesellschaft vor, die auf sozialer Gerechtigkeit aufbaut und in Frieden lebt, — auch in Frieden mit der Natur. Und dieser „Blueprint“ wäre auch eine Art Kraftquelle.
Helvetia: Wie kommt man denn aus deiner Sicht mit ihr in Kontakt?
Sch: Gute Frage … Ich denke, indem wir versuchen, diesen „Blueprint“ im täglichen Leben umzusetzen, ihn sozusagen in der Materie verankern. Aber ob das reicht!?
Helvetia: Lass doch die Schweizer Geschichte nochmals vor deinem inneren Auge Revue passieren.Vielleicht gibt es darin ja vielleicht den einen oder anderen ganz realen Verknüpfungspunkt zwischen den beiden Eidgenossenschaften.
Sch: Moment mal, — könnte zum Beispiel das Auftreten eines Niklaus von Flüe eine solche Brücke gewesen sein?
Helvetia: Wenn ich nicht die Helvetia wäre, würde ich sagen: Bingo!
Sch: Da kommt mir gleich noch ein Gedanke: Als Josef Munzinger 1848 nach der Annahme des Verfassungsentwurfs von Ignaz Troxler durch die Verfassungskommission freudig bewegt ausrief: “Gewiss ist dieser Beschluss vom Himmel gefallen, und es war der Tag des Niklaus von Flüe!”, war das auch so ein realer Verknüpfungspunkt gewesen, wie du das nennst?
Helvetia: Die Antwort überlasse ich deiner Intuition.
Sch: Edle Helvetia, eine weitere Überlegung: Da diese „ewige Eidgenossenschaft“ als „Blueprint“ jenseits von Zeit und Raum existiert, kann sie sich jederzeit in einer Nation manifestieren, die sich ihr öffnet, — und das muss beileibe nicht nur die Schweiz sein, oder?
Helvetia: Natürlich nicht. Glaubst du, der göttliche Urgrund, aus dem alles Leben immerwährend strömt, habe besondere Lieblinge und Präferenzen? Glaubst du, Schiller habe, als er die Schwörenden deklamieren liess: „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern“, dabei lediglich an ein paar Innerschweizer Bauern oder an die jetzige real existierende Schweiz gedacht?
Sch: Solche ketzerischen Ansichten würden der grössten Partei der Schweiz aber gar nicht gefallen …
Helvetia: bleibt stumm, verdreht die Augen und macht deutlich, dass sie wieder allein sein möchte. Die Erwähung besagter Partei scheint ihr definitiv auf’s Gemüt zu schlagen …
Sch: Edle Helvetia, das Gespräch mit dir ist jedes Mal eine echte Bereicherung für mich. Darf ich mich bei Gelegenheit wieder einmal bei dir melden?
Helvetia: Das sei dir gewährt.
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