Drei Tage nach der Sparversammlung noch einen brühwarmen Matchbericht zu veröffentlichen, ist zwar nicht mehr ganz so brennend. Die fehlerstrotzige bz-Leistung vom Mittwoch war aber irgendwie trotzdem Motivation genug, dem zeitweilen sehr monotonen Sololauf Hiltmanns noch ein paar Worte hinterherzuschieben und zumindest diejenigen zu würdigen, die es dennoch gewagt haben, die Wege des Dribbelkünstler zu verlängern.
Wobei die wahre Kunst des Dribblings eigentlich nur von einem beherrscht wird. Denn wie wäre es sonst zu erklären, dass man über das noch nicht gelöste Tonprotokoll-Archivierungsproblem eine fünfminütige Zusammenfassung des Gesprächs mit dem Leiter des Kantonsarchivs hält. Oder hättet ihr gewusst, dass es für eine erfolgreiche Archivierung konstante Temperaturen und Luftfeuchtigkeitswerte braucht? Besonders für die nun gewählte Variante «digital» ist diese Information und das noch zu erarbeitende Schlüsselkonzept von grösster Wichtigkeit. Der Expertenbesuch hat sich also gelohnt und die gut 300 Besuchenden der Versammlung wissen jetzt, wie die immer schlanker werdende Verwaltung funktioniert: Man fokussiert sich auf die wichtigsten Geschäfte, ist auch in Grundlagenwissen lernfähig und perfektioniert bis ins letzte Detail.
Dafür hat man dann halt keine Ressourcen mehr für Anderes. Da wäre zum Beispiel die «kommunale Beihilfe». Trotz einem 7:7 Unentschieden in der Vorberatung durch die Gemeindekommission (ohne Enthaltungen!) müssen die durch EL ergänzten Rentnerinnen und Rentner künftig den Gürtel um 336 Fr. enger schnallen. Eigentlich zu erwartenden Widerstand von SP, Grünen und betroffenen Rentnern gab es keinen sichtbaren. Vielleicht haben die dürftigen DJ-Künste des Tonmeisters allfällige Stimmen davon abgehalten, sich vor dem grossen Publikum zu präsentieren?
Mehr zu reden (und für den DJ zu regeln) gab die Reduktion des Gemeinderates. Von 7 auf 5 war der ursprüngliche aber mittlerweile nicht mehr unterstützte Vorschlag des Gemeinderates. Wer Effizienz fordert, muss selber effizient werden, fand Minderheitsredner Hiltmann, dessen Argumente von Meschberger gekontert wurden: Man fände keine Leute mehr, wenn die Exekutivmitglieder noch mehr arbeiten müssen. Gleich neben ihr nutzten denn auch gleich mehrere Gemeinderäte die gesamte Versammlungszeit und ihre smarten Geräte dazu, digitale Weihnachtskorrespondenz zu verschicken, den Landratswahlkampf vorzubereiten oder den nächsten Level im Sudoku zu erreichen. So desinteressierte effiziente Gemeinderäte sind künftig also nicht mehr zu haben? Immerhin haben 4 von 7 auch noch Zeit für das Landratsamt. Ein fünfter, chronisch Überbeschäftigter kandidiert ebenfalls.
Klar ist, dass die Parteien lieber weiterhin 7 gehabt hätten und dafür teilweise sogar bereit gewesen wären, über die Höhe der individuellen Entschädigung zu diskutieren. Der Attraktivitätsverlust des Amtes wäre rein rechnerisch sogar weit weniger schlimm: Statt einer zu leistenden Mehrarbeit durch den Wegfall von 30% der Arbeitskraft, wäre mit einer 20%-Kürzung des Lohnes gemäss Schubladen-Antrag der gleiche Spareffekt zu erzielen gewesen. Aber egal.
Trotz leicht verwirrender Abstimmungsfrage (wer dagegen ist stimmt «ja», wer dafür ist «nein») war das Ergebnis relativ klar und der Gemeinderat spielt künftig als 5er Team, was an diesem Abend offensichtlich längstens gereicht hätte. Die anderen können ihre Smartphone-Spielchen dann in Ruhe zu Hause machen.
Weiter ging’s mit Sanieren, allerdings auf der Einnahmeseite. Die Verlängerung des Baurechtsvertrags mit dem Alterszentrum zur Einichtung eines Unterbaurechts zur Errichtung einer Altersüberbauung mit Wohnungen, KiTa-Räumen und Wohlfühlbädern war unbestritten, denn es bringt ziemlich bald Zaster ohne Risiko und sogar Altlasten verschwinden. Win-Win-Win für alle, ausser wahrscheinlich für die Stiftung des Alterszentrums, deren Stimme an diesem Abend stumm blieb.
Der Rede-Marathon des Gemeindepräsidenten ging auch bei der Vorstellung des Budgets ungehindert weiter. Ob Hiltmann nur Pacemaker ist, oder ob er die eingeschlagene Langstrecke bis zu Ende laufen kann, wird die Zukunft noch weisen. Fest steht jedenfalls, dass die Verwaltung bei diesem Lauf in durchaus ungesundem Mass Kalorien verliert. Daran kann an diesem Abend auch Patrick Rüegg nichts mehr ändern. Trotz auf fundiertem Wissen basierten Antrag-Abstimmungs Ping-Pong bleibt das Budget und damit der Stellenabbau, wie er vorgeschlagen wurde. Für die Birsfelderinnen und Birsfelder heisst das konkret: Weniger Öffnungszeiten, Nachweis von Bedürftigkeit bei Betreuungsleistungen und nichtdefinierte Outsourcing-Abstriche in vielen Bereichen. Ach ja, günstigere Abfallgebührenmarken sind auch noch irgendwo drin.
Besonders gespannt sind wir darauf, wie sich die Mitarbeitenden aus den Unterhaltsbereichen Wasser, Schwarz und Grün künftig in allen Bereichen aushelfen. Spezialwissen und Erfahrung zählen künftig nichts mehr, dafür sind Allrounder gefragt. Expertenwissen kann man sich schliesslich auch anders besorgen. Nur zu welchen Zusatzkosten? Wir werden es in der Rechnung 2015 ff. sehen.
Nachtrag: Nicht nur die bz zeigt sich fehlerstrotzig, nein auch unser Dribblingkünstler und Fachkundiger für Archivierungsfragen erlaubt sich da und dort mal einen kleinen Fauxpas:
Auch Verwalter können sich bei komplizierten juristischen Fragestellungen schliesslich mal einen Aussetzer erlauben. Sichere Archivierung bitte nicht vergessen! Gut weiss der Verwalter wenigstens, dass Verwalter auf der Verwaltung arbeiten. Fragt sich nur, ob das wirklich der richtige Posten ist.
P.Büschi (Ex-Birsfelder)
Dez 18, 2014
Ca. 300 GVS-TeilnehmerInnen ist nicht gerade ein Vertrauensbeweis der Birsfelder Stimmbevölkerung an den Gemeinderat und ihre Budget-Sparspielchen. Und was haben die sozialdenken Parteien dort getrieben? Warum werden keine fakultativen Referenden dieser Parteien ergriffen. Soll also in Birsfelden weitergewurstel werden auf Kosten des Service Public? Tja unter der Ära des Birsfelder Einwohnerrats war mehr los in der Birsfelder Politik, anscheinend ist die Lethargie-Politik auch in Birsfelden sesshaft geworden — Schade!
Arthur Caccivio
Dez 18, 2014
Im Beschlussprotokoll der Gemeindeversammlung steht unter Traktandum 3. wortwörtlich, dass der Souverän mit 115 Ja-Stimmen, 151 Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen beschlossen hat:
“Die Teilrevision der Gemeindeordnung (§ 2, Absatz 1: Verringerung der Anzahl Mitglieder des Gemeinderates von sieben auf fünf) wird a b g e l e h n t.” Was soll denn das heissen?
Wir haben doch den Antrag des Gemeinderates, die Gemeindeordnung n i c h t zu ändern, es also bei sieben Gemeinderäten zu belassen, abgelehnt. Nach Meinung des Souveräns sollten also, vorbehältlich der Abstimmung, ab Mitte 2016 nur noch fünf Personen im Gemeinderat mitarbeiten.
Arthur Caccivio
Dez 18, 2014
Sorry, mein Kommentar und der Nachtrag von Florian Dettwiler haben sich gekreuzt. Beide sagen aber das Gleiche: Die Protokollierung ist grundfalsch und hält genau das Gegenteil von dem fest, was die Gemeindeversammlung beschlossen hat. Der Souverän hat beschlossen, die Anzahl Sitze im Gemeinderat, vorbehältlich der Abstimmung, von sieben auf fünf zu reduzieren. Schlimm ist es aber, dass “man” (?) nicht einsichtig ist und den Fehler nicht korrigieren will.
Arthur Caccivio
Dez 18, 2014
Sofern man an der Gemeindeversammlung anwesend war und den Erklärungen des Gemeindepräsidenten aufmerksam zugehört hat, stimmt die “Schlussfolgerung” im Protokoll “Die Teilrevision der GO wird … abgelehnt” einfach nicht. Punkt. Christof Hiltmann hat ausführlich erklärt, wenn man jetzt den Antrag des Gemeinderates, nämlich die GO n i c h t zu ändern, ablehnt, dann werde der Gemeinderat reduziert. Es stimmt schon deshalb nicht, weil ein Ablehnungsbeschluss nie einem Referendum, ob obligatorisch oder fakultativ, unterstellt werden kann.
Noch einmal, im Protokoll steht: “Die Teilrevision der GO und damit die Reduzierung der Anzahl der Sitze im Gemeinderat wird abgelehnt.” Das Gegenteil ist der Fall. Die Anzahl Sitze wird, vorbehältlich der Abstimmung, von sieben auf fünf reduziert. Es ist an der Gemeindeversammlung nicht das “Geforderte”, nämlich die Reduktion der Sitze, abgelehnt worden, sondern der Antrag des Gemeinderates auf N i c h t ä n d e r u n g der GO und damit Belassung der sieben Sitze.
Franz Büchler
Dez 19, 2014
Das ist eben wieder der Scheiss mit der doppelten Verneinung.
Es gab die Teilrevison, die eine Reduktion der Gemeinderäte vorgesehen hat.
Der Antrag des Gemeinderates war, diese Teilrevision nicht durchzuführen, diese Teilrevision abzulehnen.
Die Gemeindeversammlung hat diese Ablehnung abgelehnt.
Also die Reduktion angenommen.
Also braucht es eine Änderung der Gemeindeordnung, darüber muss immer abgestimmt werden.
Also obligatorisches Referendum.
florian dettwiler
Dez 19, 2014
Ein Beschlussprotokoll sollte in erster Linie verständlich und nachvollziehbar sein. Das ist es in dieser Form nicht. Zudem: Wäre diese Formulierung richtig, ist die Formulierung im Protokoll zum 31.10.2011 (http://www.birsfelden.ch/dl.php/de/4ec4c251d1652/Protokoll_GVS_2011_10_31.pdf) falsch und wir hätten jetzt eigentlich den Einwohnerrat:
Mit 188 Ja und 383 Nein wird beschlossen:
Die Änderung der Gemeindeordnung der Einwohnergemeinde Birsfelden vom 26.
Oktober 1998 für die Einführung des Einwohnerrates wird abgelehnt.
Ist doch auch ein doppeltes Nein, oder?
P.Büschi (Ex-Birsfelder)
Dez 19, 2014
Weiss da in Birsfelden die linke Hand nicht mehr was die rechte macht? Und warum wurde damals von der SP und Grünen nicht das fakultative Referendum betr. für Einwohnerrat ergriffen? Dann hätte die gesammte Birsfelder Stimmbevölkerung darüber abstimmen können und die doch eher undemokratische Gemeindeversammlung wohl bachab geschickt. Doch anscheinend wollte das niemand oder?
florian dettwiler
Dez 19, 2014
Änderungen der Gemeindeordnung unterstehen dem obligatorischen Referendum. Dazu ist es aber nicht gekommen, denn gegen Ablehnungsentscheidungen gibt es kein Referendum. Die ganze Sache ist aber hier juristisch völlig verwirrend formuliert, so dass wohl jede Stimmrechtsbeschwerde erfolgreich wäre.