Bei der Durchsicht des »Legislaturplan der Wirtschaft« kam mir ein alter Slogan wieder hoch, der besagte »Mehr Freiheit und Selbstverantwortung — weniger Staat«.
Heute fordern die selben Leute nicht einfach »mehr Staat«, sie nennen dieses »mehr Staat« einfach anders:
• Impuls für das Regierungsprogramm
•Legislaturplan
• Rahmenbedingungen schaffen
• Zusammenarbeit fördern
• MINT-Förderung verstärken
usw.
Und »die Wirtschaft« fordert zum Beispiel …
… die Förderung der Zusammenarbeit in Clustern
… gute Rahmenbedingungen für neue Geschäftsmodelle durch Digitalisierung (ja keine Vorschriften)
… eine pragmatische Klimapolitik (hmm also keine?)
… verstärkte MINT-Förderung an den Schulen
… die Universität stärken (kein Abbau)
… die FHNW unterstützen (kein Abbau)
… Schulden Abbauen
… Förderprogramme optimieren
… eine lösungsorientierte Verkehrspolitik
… einen Ausbau der Hochleistungsstrassen
… einen Bahnanschluss an den EuroAirport
… usw.
Mit all diesen Forderungen kann kein Geld für den Schuldenabbau gespart werden. Die meisten sind sogar mit enormen Kosten verbunden. Und irgendwie müssen diese Kosten bezahlt werden. Doch mit was?
Und es kommen natürlich noch zwei wesentliche Forderungen aus dem »Legislaturplan« dazu:
Die Steuervorlage 17
kantonal möglichst schnell umsetzen.
Einkommens- und Vermögenssteuern
senken. Im Baselbiet werden die natürlichen Personen überdurchschnittlich belastet.
Das heisst schlussendlich, dass die Steuervorlage 17 sicher weniger Einnahmen bringen wird. Und auch die Steuersenkungen senken die Einnahmen. Alles Steuergeschenke.
Und wie die Steuersenkung passieren soll, scheint für den Direktor der Handelskammer auch klar, gemäss Schweiz am Sonntag 10.8.2019:
»… dass man dabei vor allem die Gutverdienenden im Auge habe, die aktuell überproportional belastet würden. Die Steuerkurve kann nicht einfach überall gesenkt werden, sondern es braucht einen Ausgleich.«
Man könnte sich ja auch einmal fragen, ob nicht überproportionale Steuern die Folge von überproportionalen Einkommen und Vermögen sind.
Zurück zum Anfang: Freiheit ist mehr als weniger Staat. Wir brauchen den Staat, um die Grundrechte zu schützen, den Wettbewerb zu garantieren und Marktversagen (2008!) zu korrigieren. Tun wir das nicht, regiert das Recht des Stärkeren!
In dieser Hinsicht hat der Staat schon gestern und heute versagt. Wie anders konnte es möglich sein, dass Firmen mit solcher Marktmächtigkeit entstehen wie Google und Facebook als Beispiele des Bereichs Digitalisierung oder z.B. Nestlé im Trinkwasserbereich? Wie kann es sein, dass Herr Ermotti dauernd über Vorschriften jammert und ihm der Finanzminister Maurer mit der Zügelung der Finma noch nachhilft?
Dagegen ist der Legislaturplan direkt bescheiden könnte man denken. Ist er aber nicht, denn er schliesst genau an die Aussagen von Matthias Zehnder an:
»Politik beschäftigt sich mit dem,
was die Wirtschaft ihr von der Welt übrig lässt.«