(Ein bescheidener Ersatz zur ausgefallenen 1.August-Rede des Gemeindepräsidenten, auf dem Inseli, vor dem Feuer, zwischen den Grillplätzen, zwischen Schall und Rauch!)
„Ich bin ein Schweizer Knabe und hab die Heimat lieb“. Das durften (mussten) wir singen als Erstklässler in der Gemeinde Binningen. Sechzig Jahre ist das her. Ich war mächtig stolz. Anschliessend verbrannte mein roter Lampion mit dem weissen Kreuz auf dem Heimweg zum Allschwiler Weiher. Mein Vater warf die brennende Papierkugel in den Dorenbach. Daran kann ich mich gut und genau erinnern: Es knallte nicht, es zischte, ich heulte.
Damals bewunderte ich den Walterli, der seinem Vater Wili den Kopf als Obstschale und Zielscheibe für einen Apfel mit Bolzen hingehalten hatte und sicher auch noch möglichst bewegungslos stehen bleiben musste. Ritalin gab’s noch nicht.
Walterlis Verhalten war meiner Meinung doch um einiges mutiger, als einem Filzhut mit Gamsbart auf einer Bohnenstange den Gruss zu verweigern.
“Tell missachtet den Hut” nach einem Stich von H.Courvoisier
An Walterli dachte ich auch, wenn ich jeweils in der Mitte des Badezimmers ruhig und bewegungslos auf einem Schemel Platz nehmen musste, damit mein Vater mir die Haare schneiden konnte. Ritalin gab’s noch immer nicht, dafür Lebertran und Minvitin.
Der monatliche Horror; aber, Walterli blieb mein Held, nicht dessen Vater. Bis heute.
Als Jugendliche deckten wir „Buebe“ uns im „Zauberlädeli“ mit sog. „Schweizer Krachern“ ein. Das „Zauberlädeli“ in der Spalenvorstadt gibt’s noch, die „Schweizer Kracher“ wurden irgendwann verboten. “Frauenfürze” (sorry Annacarla, so hiess das damals) gibts noch heute, die heissen aber sicher anders, habe schon lange keine mehr gekauft. “Frauenfürze” und bengalische Zündhölzer waren was für „Maitli“.
„Buebe und Maitli“ gibts auch nicht mehr. Dafür gibts Jungs und Mädels mit Böllern und Pyros, unabhängig vom helvetischen Kalender, abhängig vom Spielplan des SFV.
Wir sangen damals „Heil dir Helvetia“, Das „Morgenrot“ kannten wir gar nicht, weil wir es verschliefen. (Zur aktuellen Diskussion “neue Nationalhymne” habe ich bereits geschrieben: Hier.) Heute singen sie in der Muttenzerkurve “Mr glaube nit an Gaischter”. Die neuen Helden schiessen mit Bällen, nicht mit Bolzen.
Diese Kracher aus dem “Zauberlädeli” zündeten wir allerdings nicht am 1.August, sondern wir horteten sie für spätere Einsätze. Spass machte es, solche Kracher unerwartet nachts in die Dolen zu werfen. Es knallte dann durch die Kanalisation aus allen Dolen und Gullis des Quartiers.
Wie wir damals in Binningen mit Krachern die Gemeindepolizisten ärgerten, werde ich im nächsten Jahr, aus sich wiederholendem Anlass erzählen. Die birsfälder.li-Leser mögen mich rechtzeitig daran erinnern.
Den wirklichen August-Knaller aus aktuellem Anlass offeriert uns aber verspätet am 28. August das Birsfelder Museum. Es zeigt zum ersten Mal etwa 50 Bilder, die der Fotograf Heinz Dürrenberger in den letzten 20 Jahren in seinem Balkonatelier an der Hofstrasse in Birsfelden gemalt hat, weil er die Motive nicht fotografieren konnte.
Das Titelbild zu diesem Text wird man dort im Original sehen können. Das dräuende Morgenrot (links oben), den Herrlichen (rechts oben), den Jodler, der die Hände traditionsgemäss in den Hosentaschen hält, um die Obertöne bei seinem Juchzer sicher zu treffen (“Ich bin ein Schweizer Knabe…”) und ganz bescheiden, am rechten Bildrand ein weiteres Schweizer Schmelz-Käse Produkt: “La vache qui rit”.
Weisheit zum Artikel
“Abendrot — Schönwetterbot”
“Morgenrot — Schlechtwetter droht”Bauernweisheit
Andrea Scalone
Aug 4, 2015
Dazu fiel mir ein:
während wir mädchen in der handarbeit mit stricknadeln kämpften, durften die buben werken und sonstige buben-aktivitäten machen, zum beispiel ein lied lernen: das sempacherlied. Darin kam blut vor und schlacht- oder pulverdampf und es war echt grauselig – damals wunderte ich mich, ob sich in diesem lied die männlichkeit verstecke und wieso wir mädchen davon ausgeschlossen wurden?
Habe aber immerhin stricken gelernt und knöpfe annähen – auch ganz nützlich 😉
as