Zu Beginn eine Meldung aus dem Tagblatt:
»Für den Bundesrat ist Kaffee nicht mehr lebenswichtig — nun geht die Branche auf die Barrikaden.
Branchenvertreter wehren sich gegen den Plan des Bundesrates, Pflichtlager für Kaffee aufzuheben. Zu wichtig sei das Getränk in einer Krise.
Es kommt nicht oft vor, dass eine so kleine Nachricht aus den Berner Amtsstuben international so grosse Schlagzeilen macht: «Kaffee-Pflichtlager in Frage gestellt», teilte der Bundesrat im April mit. Kaffee gehört heute zu jenen Produkten, von denen die Privatwirtschaft im Auftrag des Bundes einen Notvorrat lagert, den dieser bei einer Krise freigeben kann.
Konkret liegen in den sogenannten Pflichtlagern heute Säcke mit rund 15 000 Tonnen Kaffee. Damit könnte der Durst der Schweizer Bevölkerung nach dem Wachmacher für knapp drei Monate gestillt werden. Und dieser Durst ist gross: Im Schnitt trinken die Schweizer mehr als drei Tassen Kaffee pro Tag. Damit gehören sie zur Weltspitze.
Doch nun will der Bundesrat diese Pflichtlager abschaffen — und die Bevölkerung in einer Krise also auf Entzug setzen. Die Landesregierung begründet ihr Vorhaben damit, dass Kaffee «nach den heute massgebenden Kriterien» nicht mehr lebenswichtig sei.
Das Getränk enthalte fast keine Kalorien und leiste daher “aus ernährungsphysiologischer Sicht” keinen Beitrag zur Ernährungssicherung«. Zudem sei das Risiko einer Unterversorgung der Schweiz mit Kaffee gering. Die Anbaugebiete verteilten sich auf drei Kontinente und die Ernten seien rund ums Jahr möglich, heisst es im erläuternden Bericht.«
Nun so weit kam es nicht und das war auch für Birsfelden keine unwichtige Sache, lagern doch in Säcken in Birsfelden in den Pflichtlagern rund 7000 Tonnen Kaffe. Das sind 43% der Schweizerischen Pflichtlager-Menge.
Hier die Grundsätze und das System der Pflichtlagerhaltung aus einer Präsentation des Bundes, wie Pflichtlager organisiert sind und funktionieren. Ein Ausschnitt davon:
• Das System basiert auf der Kooperation zwischen dem Staat und
privaten Firmen (Milizprinzip).
• Die Versorgung des Landes mit Gütern und Dienstleistungen ist
Aufgabe der Privatwirtschaft (Primat der Wirtschaft). Der Staat kommt nur subsidiär zum Zug.
• Der Bundesrat schreibt vor, von ihm festgelegte lebenswichtige Güter an Pflichtlager zu halten. Der Pflichtlagerhaltung unterstehen Produkte aus den Bereichen Ernährung, Energie, Heilmittel und Industrie.
• Die Pflichtlager werden nicht vom Bund, sondern von privaten
Unternehmen gehalten, die solche Güter importieren oder im Inland erstmals in Verkehr bringen.
• Die Pflichtlagerwaren sind Eigentum dieser Firmen, welche für einen regelmässigen Warenumschlag sowie eine marktkonforme Qualität verantwortlich sind. Für die Pflichtlagerhalter gilt dabei das Prinzip der Gewinn- und Verlustlosigkeit.
Und da viele dieser Güter auch mit dem Schiff in die Schweiz kommen, wurde der Birsfelder Hafen auch zu einem Schweizerischen Pflichtlager. Und die Gemeinde Birsfelden zu einem Dienstleister der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Diese Pflichtlager umfassen:
Beim Kaffee sehen wir, wie abhängig die Schweiz von Birsfelden ist 🙂
Nach einem Vierteljahr, ein bisschen länger, wenn wir ihn strecken wie zu Grossmutters
Zeiten, wären alle Kaffeejunkies auf Entzug.
Zu den Pflichtlagern Energie gehören aber nicht nur Diesel & Co., sondern auch Ersatzbrennstäbe für die AKWs.
Zu den Pflichtlagern Industrie gehören Polystyrol und Polyethylen sowie Zusatzstoffe.
Und dann gibt es noch die Pflichtlager Heilmittel. Dazu gehören unter anderen Antiinfektiva, Neuraminidasehemmer, Analgetika und Opiate, Impfstoffe, Insulin, etc. jeweils in Verbrauchsmengen zwischen2‑6 Monaten.
Auf der Liste sind auch Atemschutzmasken und Untersuchungshandschuhe (Bedarfsdeckung für Pandemien). Hier muss das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) vielleicht in der nächsten Zeit wohl über die Bücher gehen und die bei bevorstehenden oder realen Pandemien erfolgenden Hamsterkäufe berücksichtigen.
Aber das BWL hat überhaupt etwas gegen Hamsterkäufe. Und sicher wären bei Coop und Migros manche Regale nicht so schnell leer gestanden, hatten sich die Haushalte an die Alte Regel gehalten »Kluger Rat — Notvorrat«. Die Broschüre dazu gibt es hier.
TitelBild und Tabelle: Büchler, Frankaroma zVg
In der nächsten Ausgabe erfahren Sie, wie die SRH Infrastruktur verschenken und wie der Regierungsrat weiterhin die Baurechtszinsen intransparent und geheim hält.
Dies ist eine Artikelserie.
Mit Klick auf diese Zeile erhalten Sie alle bis jetzt erschienenen Artikel.
Christoph Meury
Apr 28, 2020
Andreas Stöckli, CEO des Logistikdienstleisters Rhenus Alpina AG kürzlich in der Basellandschaftlichen Zeitung (bz vom 23.4.2020):
.
“Aktuell ist es nicht attraktiv, wir sind der Meinung, dass es Systemfehler gibt in diesem Pflichtlagerbereich”, so der CEO. Jede Tonne Vorrat werde pro Jahr mit 30 bis maximal 60 Franken vergütet. “Der Aufbau eines Pflichtlagers kostet rund 1200 Franken pro Tonne (?); es lohnt sich also aktuell nicht, neue Kapazitäten aufzubauen.” Deshalb fordert Stöckli, die Entschädigungen für Pflichtlager auf 90 Franken pro Tonne und Jahr zu erhöhen. Nur so könnten die wegfallenden Mengen ersetzt werden.
.
Doch die Zukunft des Pflichtlagers im Basler Rheinhafen ist ungewiss. Die Lagerhallen auf dem Areal sollen bald Wohnungen weichen. Das Pflichtlager an einem anderen Ort neu aufzubauen, lohnt sich laut Stöckli allerdings nicht.
.
CEO Stöckli ist natürlich ein schlauer Fuchs und möchte die Coronakrise nutzen, um die Preise für die Bundespflichtlager hochzupokern. Daher stellt er die Pflichtlager zur Disposition. Was die Coronakrise uns aber auch gezeigt hat: Obwohl die Lebensmittellager voll waren (im Turm von Swissmill lagern u.a. Tonnen von Mehl), mussten keine Güter aus dem Lager geholt werden.
Dafür fehlte es an Ethanol (für die Herstellung von Desinfektionsmitteln), an Schutzmasken (oder Rohmaterialien für die Herstellung). Im Gegenzug lagert im Birsfelder Hafen immer noch genügend Diesel, Benzin und Kerosin. Wir hätten also mindestens für 4 Monate autonom fliegen und autofahren können. Fazit: Entweder hat uns die falsche Krise erwischt, oder wir hatten dafür keine adäquaten Pflichtlager.
.
Für die Lagerfirmen sind die Pflichtlager ein gutes Geschäft. Seit Jahren! Die subventionierte Lagerhaltung (Bundessubventionen) ist, zusammen mit dem Schnäppchenbodenpreis des Kantons Baselland (Baurechtszinsen), für die Logistiker mit Sicherheit ein gutes & robustes Geschäft. Wenn wir jetzt die Unternehmenssteuern noch ein 4. Mal senken und die Firmen weiterhin mit Krisengeldern & Nullzinskrediten überschütten, ist der Birsfelder Hafen für die domizilierten Firmen das perfekte Eldorado. Quasi eine Lizenz zum Gelddrucken!
.
Wer bei der Übungsanlage allerdings leer ausgeht, ist die Gemeinde Birsfelden. Quasi ein politischer Kollateralschaden.
Christoph Meury
Apr 28, 2020
Pflichtlager
.
Kleines Zahlenbeispiel: Die Schweiz verpflichtet Lebensmittelgrosshändler zur Lagerung von 183’000 Tonnen Getreide, 55’000 Tonnen Zucker, 16’400 Tonnen Reis, 35’500 Tonnen Speiseöl und ‑fett, 17’000 Tonnen Kaffee (Angaben aus der ZEIT vom 23. April 2020). Zusammen also 306’900 Tonnen Lebensmittel als Pflichtlager. Nimmt man die Angabe von CEO Stöckli und rechnet mit den geforderten 90.- Franken Entschädigung pro Jahr und Tonne, kommt man gesamtschweizerisch auf die stolze Summe von 27 Mio. Franken. Im Moment bekommen die Grossverteiler lediglich im Schnitt rund 14 Mio. Franken. Das ist natürlich ein stolzer Batzen, wenn man bedenkt, dass die Grossverteiler dieses Geld als diskrete jährliche Subvention (A‑fonds-perdu-Beitrag) für die Lagerung (eigentlich: Zwischenlagerung) erhalten, die Ware aber weiterhin verkaufen können und ihr Geschäft dadurch nicht eingeschränkt wird.