Alle mal her­hö­ren: “Trump lag in eini­gen Swing-Sta­tes vor­ne. In den Mor­gen­stun­den wur­de die Zäh­lung aus­ge­setzt. Als sie nach ein paar Stun­den wie­der auf­ge­nom­men wur­de, lag Biden an der Spit­ze. In Wis­con­sin waren plötz­lich 140’000 Wahl­zet­tel auf­ge­taucht. Ähn­li­ches in Michi­gan. Dort wur­den 100’000 Stim­men “gefun­den”. In bei­den Fäl­len wur­den sie zu 100 Pro­zent für Biden aus­ge­wie­sen. So dreist fälsch­te nicht ein­mal Sad­dam Hus­sein. Trumps Anwalt Rudy Giu­lia­ni glaubt den Grund für die Unge­reim­hei­ten gefun­den zu haben: … “Kor­rup­te Maschi­nen” hät­ten Mil­lio­nen von Stim­men gelöscht und so Biden zum ver­meint­li­chen Sieg ver­hol­fen.” !!!

Moment mal: Sind wir da etwa in eine Info­wars-Sen­dung von Alex Jones gera­ten!? — Mit­nich­ten: Es ist Welt­wo­che-Kor­re­spon­dent Urs Geh­ri­ger, der uns nai­ve Schwei­zer über die him­mel­schrei­en­de Ver­schwö­rung der demo­kra­ti­schen Par­tei gegen den bes­ten ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten aller Zei­ten aufklärt.

Lei­der erle­ben wir “Auf­klä­rung” auf die­sem Niveau nicht nur vom krea­tivs­ten Wochen­blatt der Schweiz, son­dern inzwi­schen auch von einer Sei­te, wo wir es bis anhin nicht erwar­tet hät­ten. Aller­dings nicht zu Donald, dem Heils­brin­ger, son­dern zur Konzernverantwortungsinitiative.

- Nein, es geht weder um die schä­bi­ge SVP-Kam­pa­gne, noch um das Päck­li der Swiss­hol­dings — dem Wirt­schafts­ver­band der wich­tigs­ten Schwei­zer Gross­kon­zer­ne — mit der Goal-Agen­tur, die für ziem­lich alle üblen SVP-Pla­ka­te der letz­ten Jahr­zehn­te ver­ant­wort­lich zeichnet.

Es geht um unse­re Jus­tiz­mi­nis­te­rin, Bun­des­rä­tin Karin Kel­ler-Suter. Sie hat ihren Par­tei­ge­nos­sen Dick Mar­ty mit ihren Behaup­tun­gen zur KVI so her­aus­ge­for­dert und gereizt, dass die­ser in einem Inter­view von eigent­li­chen “Trump-Metho­den” gespro­chen hat:
“Ihre Argu­men­te ver­set­zen mich in Rage. Eine Bun­des­rä­tin hat kein Recht, Unwahr­hei­ten zu behaup­ten, geschwei­ge denn unse­re Hal­tung als neo­ko­lo­nia­lis­tisch zu bezeich­nen. … Wenn Kel­ler-Sut­ter behaup­tet, bei Annah­me der Initia­ti­ve wären wir das ein­zi­ge Land mit einem der­ar­ti­gen Rechts­rah­men, weiss sie, dass das nicht stimmt. … Wenn die Bun­des­rä­tin angibt, unse­re Gerich­te wür­den bei einem Ja mit Beschwer­den über­schwemmt, weiss sie auch, dass das nicht stimmt.”

Nun könn­te man natür­lich ent­ge­gen­hal­ten, dass Dick Mar­ty Par­tei und sei­ne Bril­le dem­entspre­chend gefärbt ist.

Dass dem aber nicht so ist, beweist die Stel­lung­nah­me von drei Rechts­pro­fes­so­ren und einem Ober­rich­ter in einem Kom­men­tar der NZZ. Dar­in zer­pflü­cken sie die Argu­men­te unse­rer Jus­tiz­mi­nis­te­rin und wer­fen ihr gar eine Ver­wechs­lung von Straf- und Zivil­recht vor:
“Der Boden ernst­haf­ter recht­li­cher Ana­ly­se wird mit der Fest­stel­lung ver­las­sen, die Initia­ti­ve ent­hal­te eine Beweis­last­um­kehr. Der Scha­den, die Kau­sa­li­tät, die Wider­recht­lich­keit und das Kon­troll­ver­hält­nis müs­sen auch unter der Initia­ti­ve vom Klä­ger bewie­sen wer­den. Dass sich das beklag­te Unter­neh­men durch Nach­weis ange­mes­se­ner Sorg­falt von sei­ner Haf­tung befrei­en kann, ent­spricht einer Befrei­ungs­mög­lich­keit und nicht einer Beweis­last­um­kehr. Beson­ders irri­tie­rend sind die dies­be­züg­li­chen Dar­le­gun­gen der Jus­tiz­mi­nis­te­rin: «Eigent­lich muss mir der Staat bewei­sen, dass ich einen Scha­den ver­ur­sacht habe, und nicht umge­kehrt, dass ich bewei­sen muss, dass ich unschul­dig bin.» Die­se Ver­wechs­lung von Straf- und Zivil­recht ver­un­mög­licht eine nüch­ter­ne recht­li­che Ein­ord­nung der Haf­tungs­re­ge­lun­gen der Initiative.”

Der wie immer trä­fe Kom­men­tar von Dani­el Bins­wan­ger in der REPUBLIK dazu:

“Mit spür­ba­rem Grau­sen hal­ten die Jus-Pro­fes­so­ren der Justiz­ministerin zudem vor, dass sie über die Beweislast­umkehr in einer Wei­se schwa­dro­niert, die nicht nur halt­los ist, son­dern den drin­gen­den Ver­dacht auf­kom­men lässt, es sei noch nicht ein­mal der Unter­schied zwi­schen Zivil- und Straf­recht sau­ber geklärt: «Die­se Ver­wechs­lung von Straf- und Zivil­recht ver­un­mög­licht eine nüch­ter­ne recht­li­che Ein­ord­nung der Haftungs­regeln der Initia­ti­ve.» Das Pro­blem mit alter­na­ti­ven Fak­ten ist nun ein­mal, dass es, wenn man sich erst ein­mal in ein Parallel­universum ver­ab­schie­det hat, über­haupt kein Hal­ten mehr gibt. Vier Jah­re Trump-Prä­si­dent­schaft haben vor Augen geführt, wo so etwas enden kann.

Zum Bei­spiel bei der Bana­li­sie­rung von faschis­to­ider Hetz­propaganda. Etwas vom Unap­pe­tit­lichs­ten am dies­jäh­ri­gen US-Wahl­kampf war Trumps Ver­such, mit gro­tes­ken Verschwörungs­erzählungen über die «Anti­fa» sei­ne Basis zu fana­ti­sie­ren. Mit iden­ti­schen Mit­teln wird jetzt auch im Kovi-Abstim­mungs­­­kampf gear­bei­tet. Die Face­book-Sei­te «Like Schweiz» hat Vide­os gegen die Initia­ti­ve ins Netz gestellt, die eine bil­li­ge Kopie die­ser Hass­propaganda dar­stel­len und jetzt auch hier­zu­lan­de viral gehen. Über 300’000 Mal wur­de ein Video ange­klickt, das NGOs als Orga­ni­sa­tio­nen mor­den­der Ver­ge­wal­ti­ger dif­fa­miert. Das ist Neu­land für Schwei­zer Abstimmungskämpfe.”

Fazit: Lang­sam, aber sicher scheint auch bei uns der “Trumpis­mus” Wur­zeln zu schla­gen. Das wäre für die Schweiz höchst bedau­er­lich. Aber es gibt auch klei­ne Licht­bli­cke: In der neu­en Welt­wo­che erschien par­al­lel zur obi­gen Geh­rig-Hiobs­bot­schaft eben­falls ein bis­si­ger Arti­kel über Roger Köp­pels Trump-Schwär­me­rei: Trump­fie­ren mit der Welt­wo­che. Wie es die­ser Text in die aktu­el­le Aus­ga­be schaff­te, bleibt wohl das Geheim­nis der krea­tivs­ten Zeit­schrift der Schweiz 😉 .…

 

Simone Weil - Wanderin zwischen den Welten 11
Wochenrückblick

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