In Sankt-Peters­burg wurde Laharpe mit offe­nen Armen emp­fan­gen und sogle­ich in das von vier Fre­un­den Alexan­ders gebildete “Geheimkomi­tee” aufgenom­men, wo er seinem ehe­ma­li­gen Schüt­zling im täglichen Aus­tausch bera­tend bei­s­tand. Doch die Tat­sache, dass ein Aus­län­der einen solch mas­siv­en Ein­fluss auf  das zukün­ftige rus­sis­che Staat­sober­haupt ausübte, löste am Hof Unwillen und Intri­gen aus. Es nützte auch nichts, dass Laharpe der Inthro­ni­sa­tion Alexan­ders im März 1801 bewusst fern­blieb. So beschloss er, um den jun­gen Zaren nicht in Schwierigkeit­en zu brin­gen, schon nach zehn Monat­en wieder nach Frankre­ich zurück­zukehren und sich erneut seinen Stu­di­en und Lieb­habereien zu widmen.

1813 brach das napoleonis­che Kaiser­re­ich nach der Völk­er­schlacht von Leipzig zusam­men. Im April 1814 dank­te Napoleon offiziell ab und zog sich auf sein neues Liliput-Reich auf Elba zurück. Damit war das Ver­sprechen Laharpes, sich nicht mehr poli­tisch zu betäti­gen, hin­fäl­lig gewor­den. Im Jan­u­ar 1814 traf er den Zaren erneut, der ger­ade daran war, in Frankre­ich einzurück­en. Als dieser Laharpe dem preussis­chen König Friedrich-Wil­helm III. vorstellte, tat er es mit den Worten:
Alles was ich bin und was ich — vielle­icht — wert bin, ver­danke ich Her­rn de la Harpe.

Noch ein­mal schlüpfte Laharpe in die Berater­rolle des rus­sis­chen Zaren und kon­nte ein gutes Wort für seine Heimat, die Waadt, ein­le­gen. Das war auch bit­ter nötig, denn inzwis­chen hat­ten die Gnädi­gen Her­ren zu Bern Mor­gen­luft gewit­tert: Als die alli­ierten Trup­pen unter Mis­sach­tung der Neu­tral­ität am 21. Dezem­ber 1813 eid­genös­sis­chen Boden betrat­en, über­nah­men an Wei­h­nacht­en die Patrizier in Bern die Macht und verkün­de­ten sogle­ich, dass ihre “lieben und ehrwürdi­gen Unter­ta­nen in der Waadt und im Aar­gau” sich wieder unter die gottgegebene Autorität ihrer Exzel­len­zen zu stellen hätten …

Bei diesem reak­tionären Unter­fan­gen kon­nten sie auf die Unter­stützung des öster­re­ichis­chen Aussen­min­is­ters Met­ter­nich zählen, der das Rad der Geschichte so rasch und so radikal wie möglich zurück­zu­drehen gedachte. Die ganze Hoff­nung aller lib­er­al Denk­enden ruhte damals auf dem rus­sis­chen Zaren, der gewichtig­sten Stimme inner­halb der Allianz. Als die Gnädi­gen Her­ren schliesslich real­isierten, dass ihnen die Felle davon zu schwim­men dro­ht­en, unter­bre­it­eten sie Laharpe, um etwas Zeit zu schin­den, das Pro­jekt, die Kan­tone Bern, Waadt und Aar­gau zu einem Grosskan­ton Bern zusam­men­zufü­gen, in denen alle gle­ich­berechtigt wären. Laharpe war inter­es­san­ter­weise dur­chaus bere­it, den Vorschlag zu prüfen, denn ihm waren weniger geografis­che Abgren­zun­gen, als vielmehr die Prinzip­i­en Frei­heit und Gle­ich­berech­ti­gung wichtig. Dass aber sowohl die Waadt als auch der Aar­gau darauf höchst empört reagierten, braucht wohl kaum erwäh­nt zu werden.

Im April 1814 traf Laharpe den rus­sis­chen Zaren erneut in Paris, wo es ihm gelang, ein weit­eres Bern­er Manöver, wenig­stens den Aar­gau für sich zu ret­ten, zu hin­tertreiben. Im Okto­ber schliesslich kämpfte er am Wiener Kongress zusam­men mit dem Aar­gauer Abge­ord­neten Albrecht Reng­ger für die defin­i­tive Anerken­nung der Kan­tone Waadt, Aar­gau, St. Gallen und Tessin inner­halb des hel­vetis­chen Staatenbundes.

Ein let­ztes Tre­f­fen mit seinem ehe­ma­li­gen Schüt­zling Ende Sep­tem­ber 1815 in Paris machte ihm aber deut­lich, dass sich der Zar nach dem napoleonis­chen Inter­mez­zo der “Hun­dert Tage”  zum Kon­ser­v­a­tiv­en gewan­delt hat­te: Alexan­der I. hat­te soeben mit dem preussis­chen König und dem öster­re­ichis­chen Kaiser die Heilige Allianz gegrün­det. Hauptziel diese Bünd­niss­es war die Sicherung eines sta­bilen Friedens nach den Grund­sätzen des Gottesgnadentums.

Laharpe kehrte 1816 nach einem dreis­sigjähri­gen Exil endlich wieder in seine Heimat, die Waadt, zurück, wo er sich weit­er­hin poli­tisch betätigte und uner­müdlich für Reli­gions­frei­heit und lib­erale Werte ein­trat. Er starb im März 1838 hochbe­tagt im Alter von 84 Jahren. In seinem Tes­ta­ment hielt er in ein­er Art Auto­por­trait noch ein­mal fest, welchen Ide­alen er sein Leben gewid­met hatte:
Er liebte sein Land sehr und beschäftigte sich unabläs­sig mit der Frage, mit welchen Mit­teln er dessen Unab­hängigkeit erre­ichen kön­nte, und welche Insti­tu­tio­nen zu schaf­fen seien, ohne die wed­er wahre Frei­heit noch Gemeinsinn existieren. Möge das wahre Licht sich in die entle­gen­sten Orte ver­bre­it­en und die Men­schen aller Klassen erleucht­en, die alle ein gle­ich­es Recht auf Bil­dung haben, und sie so weis­er, gerechter und men­schlich­er machen … Mit dem Glauben an diese Zukun­ft, die mich über die Gegen­wart hin­wegtröstet, schliesse ich mein Testament.

Im Juni 1798 war Laharpe über­raschend iin das hel­vetis­che Direk­to­ri­um berufen wor­den, — zusam­men mit dem Basler Peter Ochs. Er ist neben Pictet de Rochemont und Laharpe die dritte ein­drück­liche Per­sön­lichkeit, die in der rev­o­lu­tionären Umbruch­szeit Ende des 18. Jahrhun­derts Entschei­den­des für die Schweiz  geleis­tet hat. Ihm ist die näch­ste Folge

am kom­menden Don­ner­stag, den 17. Feb­ru­ar gewidmet.

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