Honnerlag, Zellweger, Tobler, Wetter, Battier, Bischof, Burckhardt, De Bary, Faesch, Falkner, Forcart, Fürstenberger, Hagenbach, Hoffmann, Merian, Mitz, Ochs, Ryff, Zaeslin, Schwab, Verden, Balbani, Burlamaqui, Calandrini, Cazenove, Diodati, Fatio, Fazy, Lullin, Micheli, Turrettini, Blumer, Tschudi, Becker, Jenny & Aebli, Oertli, Weber & Aebli, Bavier, Massner, Salis-Soglio, Bovet, Deluze, De Pury, Du Pasquier, Meuron, Pourtalès, Amman, Frey, Peyer, Schalch, Ziegler, de Albertis, von Bayer, Heer, Sulser, Custer, När, Stadler, Gonzenbach, Hochreutiner, Höger, Kunkler, Scherrer, Schlumpf, Zili, Zollikofer, Bébié, Escher, Füssli, Hess, Hirzel, Holzhab, Hottinger, von Muralt, Orelli, Pestalozzi, Werdmüller …
Ein kurzer Blick auf diese Namensliste lässt den einen oder anderen bekannten Familiennamen aufscheinen, — neben vielen in der Öffentlichkeit vergessenen. Quizfrage: Was haben sie alle gemeinsam? Antwort: Sie stehen für die vielen Handelshäuser, die im Ancien Régime von der Ostschweiz bis nach Genf international tätig waren. Und wie! Ein grosser europäischer Städtereigen — Paris, London, Amsterdam, Rotterdam, Genua, Venedig, Triest, Marseille, Lyon, Bordeaux, Barcelona, Frankfurt, Leipzig, Moskau — ist mit ihren internationalen Niederlassungen verbunden.
Gehandelt wurde mit Baumwolle- und Indiennestoffen, Garnen, Färbstoffen, Metallwaren, Uhren, Schmuck, Salz, Leder und Kolonialwaren wie Kaffee, Zucker und Gewürze.
Aber das war nicht alles. Viele dieser Handelshäuser nutzten ihre kommerziellen Beziehungen auch für Finanzdienstleistungen:
Sie waren Kredit- und Wechselgeschäfte mit verschiedenen Währungssystemen und den zahlreichen kursierenden Münzsorten gewohnt. Sie kannten sich mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr über Schuldverschreibungen und Wechselbriefe aus und verfügten über ein weitgespanntes Netz von Geschäftspartnern, was für die Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit wichtig war. Uhren- und Schmuckhersteller waren wegen ihres Handels mit Edelmetallen für das transnationale Münz- und Finanzgeschäft besonders geeignet, wussten sie doch um die Spekulationsgewinne, die sich aus den Preis- und Kursunterschieden bei Gold und Silber sowie bei den im Umlauf befindlichen Gold- und Silbermünzen erzielen liessen. (alle Zitate aus Holenstein. “Mitten in Europa”)
Die Tatsache, dass die Alte Eidgenossenschaft nicht in die grossen europäischen Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts verwickelt war, führte an vielen Orten zu einem Kapitalüberschuss. So beauftragte z.B. der Zürcher Rat eine Kommission, Staatsgelder gewinnbringend im Ausland anzulegen. Diese Möglichkeit stand auch vermögenden Bürgern offen. Die älteste Grossbank der Schweiz, die 2007 aufgelöste Bank Leu, ging direkt auf die Tätigkeit dieser Kommission zurück und stiess damit die Entwicklung der vielen ländlichen Ersparniskassen an. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts stammte ein Drittel des Bargeldeinkommens von Bern aus Investitionen in England!
Auch in diesem Geschäft spielte die “Hugenotten-Connection” eine herausragende Rolle:
Wie der grenzüberschreitende Warenhandel war auch das Banken- und Finanzgeschäft weitgehend in der Hand von protestantischen Privat- und Handelsbankiers aus dem hugenottischen Milieu, die vielfach familiär und geschäftlich miteinander verbunden waren. Von Genf, Lausanne, Neuenburg, Basel, Zürich und St. Gallen aus unterhielten sie, oft mit eigenen Niederlassungen in Finanzzentren wie Paris, London und Amsterdam, engste Beziehungen zur hugenottischen Hochfinanz in England, den Niederlanden, Frankreich und im Reich. Diese Financiers hatten Zugang zu ausländischen Regierungen und entwickelten neuartige, mitunter risikoreiche Anlage- und Kreditinstrumente. Ihre Niederlassungen in London, Paris, Lyon, Genua oder Amsterdam waren auf transnationale Finanz- und Kreditgeschäfte spezialisiert. Sie finanzierten wirtschaftliche Unternehmungen und den Kolonialhandel, sie boten ihrer Privatkundschaft vielfältige Anlagemöglichkeiten in Renten und Unternehmungen an. Ausländische Regierungen nahmen bei ihnen Kredite auf oder waren für die Kriegsfinanzierung auf deren Dienste angewiesen.
Mit dem Kolonialhandel traten wie auch im übrigen Europa allerdings auch die dunklen Seiten des Geschäfts ans Licht: So kauften 1771 Johann Jakob Thurneysen aus Basel und der Neuenburger Jacques-Louis Pourtalès auf der Insel Grenada von Sklaven bewirtschaftete Kaffee- und Zuckerplantagen. Der Neuenburger David de Pury und der Basler Christoph Burckhardt beteiligten sich am lukrativen und berüchtigten Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und der Neuen Welt. 2020 publizierte die Universität Zürich eine Untersuchung zur direkten und indirekten Involvierung der Stadt.
Schweizer Kaufleute profitierten mittels des Zwischenhandels mit Kriegsmaterial und lebenswichtigen Gütern aber auch von der günstigen Lage der Eidgenossenschaft inmitten kriegführender Mächte. Angeblich zum Eigengebrauch importierte Waren wurden mit gefälschten Attesten der eidgenössischen Obrigkeiten ins Ausland weiterverkauft. Das verstiess zwar gegen die Handelssperren der betroffenen Mächte, wurde aber trotz offizieller Proteste toleriert, weil diese unter dem Strich oft auch davon profitierten.
Profitiert haben ebenfalls Verkäufer und Käufer beim gross angelegten Schmuggelnetz zwischen Frankreich und der Eidgenossenschaft:
Schmuggler aus den Grenzregionen um Genf, aus dem Waadtländer, Neuenburger und französischen Jura brachten Indiennestoffe und Uhren illegal nach Frankreich und umgingen so die französischen Importbeschränkungen und Zölle. Von den Druckerpressen der Neuenburger Société typographique sowie von weiteren Verlagen in Genf, Lausanne und Basel brachten sie illegal nachgedruckte Bestseller oder zensurierte Bücher über die Grenze nach Frankreich. Schwunghaft war auch der Schmuggel mit Tabak, der aus dem Elsass oder der Pfalz in die Schweiz und von da aus nach Frankreich gelangte.
Ein hübsches Sümmchen brachte auch der illegale Verkauf des von Frankreich wegen des Söldner-Deals billig abgegebenen Salzes an die Einwohner der Franche-Comté zusammen, die wegen der hohen Salzsteuer dreimal soviel wie die Eidgenossen bezahlten.
Nach diesem kleinen Blick auf die kommerziellen Beziehungen der Eidgenossenschaft mit dem europäischen Umfeld insbesondere im Ancien Régime des 17. und 18. Jahrhunderts gehen wir in der nächsten Folge weiterhin mit Hilfe des Buchs “Mitten in Europa” von André Holenstein den damaligen aussenpolitischen und diplomatischen Verflechtungen nach.
Dies wie immer am kommenden Donnerstag, den 11. November
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