Max­i­m­il­ian I. gehört ohne Zweifel zu den faszinierend­sten und enig­ma­tis­chsten Fig­uren im grossen abendländis­chen Kaiser­reigen. Das wird auch in sein­er his­torischen Beurteilung deut­lich, die vom Bild eines sprung­haften, unsteten Phan­tas­ten in der klein­deutschen Geschichtss­chrei­bung bis hin zum grossen Visionär und Begrün­der der hab­s­bur­gis­chen Vorherrschaft reicht, welche die Geschichte Europas über Jahrhun­derte prä­gen sollte.

Max­i­m­il­ian war wie sein Vater Friedrich III. vom uner­schüt­ter­lichen Erwäh­lungs­glauben seines Haus­es erfüllt, der im Mot­to A.E.I.O.U sicht­bar wird. Gle­ichzeit­ig hielt er an der Vision eines Europa umfassenden heili­gen Reich­es fest und richtete sein ganzes Streben sowohl auf dem Schlacht­feld als auch in sein­er Heirat­spoli­tik auf dieses Ziel aus. Ja, er dachte sog­ar daran, sich angesichts der kirch­lichen Missstände die Papst­würde anzueignen und sich so zum “priester­lichen” Kaiser zu machen. Er träumte davon, die Türken wieder aus dem Balkan zurück­zu­drän­gen, Kon­stan­tinopel zurück­zuer­obern, das byzan­ti­nis­che Kaiser­re­ich wieder­herzustellen, mit dem Heili­gen Römis­chen Reich zu vere­ini­gen und so der Chris­ten­heit einen uni­ver­salen Frieden zu bringen.

Doch die Wider­stände waren gross: Die Reichsstände und Reichs­fürsten ver­fol­gten ihre eige­nen Inter­essen. Der franzö­sis­che König Lud­wig XI. und sein Sohn Karl VIII. erwiesen sich als hart­näck­ige Geg­n­er, die es auf das dem Reich zuge­hörige Bur­gund abge­se­hen hat­ten und die tra­di­tionelle Vorherrschaft des Reichs in Ital­ien zu brechen tra­chteten. Die flan­drischen Städte pocht­en auf ihre Selb­stver­wal­tung, mit den Ungarn war nicht gut Kirschen essen, — und da gab es auch noch ein paar ren­i­tente Eidgenossen, die kein Musikge­hör für seine geplante Reich­sre­form hat­ten. Immer­hin entspan­nte sich sein Ver­hält­nis mit den “groben puren” nach dem Schwabenkrieg dank der Erbei­n­ung 1512 definitiv.

Dazu kam der ewige Geld­man­gel, der zur Folge hat­te, dass er mehr als einen Feldzug abbrechen musste, weil er die Söld­ner und Land­sknechte nicht mehr bezahlen kon­nte. Was für ein Unter­schied zu dem reichen Bur­gund und dessen raf­finiert­er höfis­ch­er Kul­tur, die für den jun­gen König zum grossen Vor­bild wurde. Als Glücks­fall erwies sich für ihn die dynas­tisch seit langem geplante Hochzeit mit Maria, der einzi­gen Tochter und Erbin Karls des Küh­nen. Die weni­gen Jahre, die Max­i­m­il­ian mit ihr bis zu ihrem tragis­chen Unfall­tod ver­brachte, gehörten dank ihrer gegen­seit­i­gen tiefen Zunei­gung zu den schön­sten seines Lebens.

Man nen­nt ihn oft “den let­zten Rit­ter”. Tat­säch­lich liess er die langsam verblassende rit­ter­liche Tra­di­tion mit ihren grossen Fes­tlichkeit­en und Turnieren ein let­ztes Mal in aller Pracht aufleben. Gle­ichzeit­ig erkan­nte er aber schon früh, welch neue Möglichkeit­en der Pro­pa­gan­da und der königlichen Insze­nierung ihm die auf­blühende Druck­erkun­st ermöglichte:
Die Pro­pa­gan­da wurde eine Macht ersten Ranges, welche sich die öffentliche Mei­n­ung fast ganz unterwarf.
Der Kaiser wies der poli­tis­chen Wer­bung die grosse Rich­tung, lieferte Ideen und wün­schte alles — bis zur Gestal­tung der Flug­blät­ter — per­sön­lich zu begutacht­en. Öfter dik­tierte er sel­ber die Entwürfe, welche von den höfis­chen Pub­lizis­ten aus­gear­beit­et und, mit Holzschnit­ten illus­tri­ert, gedruckt wur­den. … Wir ste­hen an den Anfän­gen der ”mod­er­nen“ Presse. Durch den neuen Buch­druck kon­nte der Kaiser alles, was ihm geeignet schien, unmit­tel­bar unter das Volk brin­gen. … Zeitweilig kam es zu hefti­gen Pressekriegen mit den auswär­ti­gen Geg­n­ern, meist mit Frankre­ich und Venedig, aber auch mit den Eidgenossen, die nicht ger­ade fein aus­ge­tra­gen wurden.
(alle Auszüge aus Her­mann Wies­fleck­er, Max­i­m­il­ian I.)

Die Druck­kun­st erlaubte ihm auch, sich mit seinen wun­der­schön illus­tri­erten Biogra­phien, dem “Weis­sku­nig”, “Theuer­dank” und “Frey­dal”, ein lit­er­arisches Denkmal zu setzen.

A pro­pos Kaiser: Im Gegen­satz zu Friedrich III., der die Kaiser­würde 1452 noch vom Papst in Rom ent­ge­gen­nehmen kon­nte, gelang seinem Sohn der tra­di­tionelle Romzug nicht mehr, — zuviele Feinde auf dem Weg. Dank päp­stlichem Segen durfte er sich in Tri­ent trotz­dem den Titel eines “Erwählten Römis­chen Kaisers” zulegen.

Wenn sich auch seine hochfliegen­den Pläne, dem Heili­gen Römis­chen Reich zu neuem Glanz zu ver­helfen, trotz der in die Wege geleit­eten Reich­sre­for­men nicht erfüll­ten, so ist sein Name doch mit seinem grosszügi­gen Mäzena­ten­tum ver­bun­den geblieben. Max­i­m­il­ian inter­essierte sich für Musik, Kun­st und Wissenschaft:
Die Kun­st war dem Kaiser so unent­behrlich wie das tägliche Brot, weil sie ihn über die Hässlichkeit und Feind­seligkeit des täglichen Lebens hin­wegtröstete. Wahrschein­lich hat ihm die Musik am meis­ten geholfen … Wenn ihm über­mächtige Gefüh­le Herz und Phan­tasie bewegten, brachen sie unaufhalt­sam her­vor, selb­st während mörderisch­er Kriege, poli­tis­ch­er Rückschläge und schw­er­er finanzieller Krisen.
Das Auf­blühen der Kün­ste und Wis­senschaften ist mit dem Namen Max­i­m­il­ians untrennbar ver­bun­den. Er gab dem ganzen geisti­gen und kün­st­lerischen Leben sein­er Zeit starke Impulse … Ohne den Kaiser wür­den selb­st Dür­er, Celtis oder Hut­ten ihre volle Ent­fal­tung kaum gefun­den haben.

Obwohl er tief im tra­di­tionellen kirch­lichen Glauben ver­ankert blieb, war sein Inter­esse für die “ver­bote­nen Kün­ste” gross:
Den geheimnisvollen Abt Johannes Trithemius, einen human­is­tis­chen Tausend­kün­stler, der sich mit Medi­zin eben­so befasste wie mit Natur­philoso­phie, Astrolo­gie und Magie, der dem Kaiser ange­blich die Erschei­n­ung sein­er ersten Gemahlin her­beiza­uberte, der auch Geschicht­squellen erfand, wie er sie brauchte, hätte der Kaiser gerne an seinen Hof gezo­gen. Aber der Wun­der­mönch lehnte ab.
Auch der geheimnisvolle Agrip­pa von Nettesheim, Arzt, His­torik­er, Hebräist und Philosoph, den man öfter als Zauber­er verdächtigte (Vor­bild des Dok­tor Faust), soll zeitweilig im Hof- und Kriegs­di­enst des Kaisers ges­tanden sein.

Im grossen Stre­it zwis­chen dem berühmten Judais­ten Johannes Reuch­lin und christlichen Eifer­ern, die alle hebräis­chen Büch­er ver­nicht­en woll­ten, weil sie ange­blich die Chris­ten ver­höh­n­ten und die Bekehrung der Juden ver­hin­derten, stellte er sich auf die Seite des human­is­tis­chen Gelehrten und ver­hin­derte so dessen kirch­liche Verurteilung.

Mit seinem Tod im Jan­u­ar 1519 ging eine Epoche zu Ende. Zwei Jahre zuvor hat­te Mar­tin Luther seine 95 The­sen an die Türe der Schlosskirche in Wit­ten­berg genagelt und damit eine Entwick­lung aus­gelöst, welche die Idee eines geein­ten Reich­es für alle Chris­ten defin­i­tiv als uner­füll­baren Wun­schtraum platzen liess …

Nach diesem kleinen Exkurs über den tem­porären Geg­n­er der Eidgenossen im Schwabenkrieg, den sie nicht als Kaiser, son­dern als hab­s­bur­gis­chen Fürsten bekämpften, kehren wir in der näch­sten Folge zur Frage zurück, wie sich die Beziehung der Eidgenossen­schaft zum europäis­chen Umfeld weit­er entwick­elte, und dies wie immer

am kom­menden Don­ner­stag, den 30. Sep­tem­ber.

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