Der moder­ne Natio­nal­staat ist sowohl ein Rechts­staat, der das pri­va­te Eigen­tum schützt und för­dert, als auch ein “Steu­er- und Abga­ben­staat”. Und mit ihm die Debat­te, was gerech­ter­wei­se des pri­va­ten Eigen­tü­mers und was des Staa­tes ist.
Die­se Fra­ge stellt sich lei­der auch dem birsfaelder.li-Schreiberling jedes Jahr neu, wenn ihm nach dem bra­ven Aus­fül­len des Steu­er-Apps der aus­ge­druck­te Steu­er­be­trag all­zu hoch erscheint …

Nach dem zwei­ten Welt­krieg bis in die 60er-Jah­re funk­tio­nier­te das Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen “gewähr­leis­ten” und “soll die­nen” leid­lich gut, wie von Pech­mann ausführt:
Im Zen­trum der natio­na­len Poli­tik stand am Anfang die quan­ti­ta­ti­ve wie qua­li­ta­ti­ve Ver­meh­rung der Güter­pro­duk­ti­on. Die­se belas­te­te zwar in wach­sen­dem Mas­se die Umwelt, aber sie garan­tier­te sowohl den Kapi­ta­lis­ten als Eigen­tü­mern der Pro­duk­ti­ons­mit­tel die Ver­wer­tung ihres Kapi­tals als auch den Nicht-Eigen­tü­mern durch den Ver­kauf ihrer Arbeits­kraft den Zugang zum Kon­sum der nöti­gen Güter. Wäh­rend die­ser Pha­se über­nahm der Staat im natio­na­len Gemein­wohl­in­ter­es­se die Wirt­schafts­wachs­tums- sowie die Vollbeschäftigungsgarantie.
Unter die­sen Bedin­gun­gen, dem öko­no­mi­schen Wachs­tum und der Ver­drän­gung der Umwelt­be­las­tun­gen, schie­nen sich daher das gewähr­leis­te­te Recht auf pri­va­tes Eigen­tum und die All­ge­mein­wohl­ver­pflich­tung wun­der­bar zu ergänzen. …
Die kapi­ta­lis­ti­sche Pro­duk­ti­on schien in der Tat durch die ste­ti­ge Ver­meh­rung der nütz­li­chen Güter den “Wohl­stand für alle” zu erzeu­gen. Es bewähr­te sich der alte Grund­satz Man­de­villes, dass nicht die Tugend, son­dern pri­va­te Las­ter wie Pro­fit­gier und Aus­beu­tung die Quel­le des Gemein­wohls sei­en. Sie schie­nen jene Kraft zu sein, “die stets das Böse will und stets das Gute schafft”.

Ber­nard Man­de­ville, ein nie­der­län­di­scher Arzt und Sozi­al­theo­re­ti­ker, der aber in Eng­land leb­te, mach­te anfangs des 18. Jahr­hun­derts Schlag­zei­len mit sei­nem Pam­phlet Die Bie­nen­fa­bel, oder Pri­va­te Las­ter, öffent­li­che Vor­tei­le. Kein Wun­der, dass er von neo­li­be­ra­len Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lern wie Fried­rich Hayek als gros­ser Vor­den­ker geprie­sen wurde.
In die glei­che Kate­go­rie gehört die neo­li­be­ra­le “Trickle-Down”-These:
(Sie) beschreibt die Über­zeu­gung, dass der Wohl­stand der Reichs­ten einer Gesell­schaft nach und nach durch Kon­sum und   Inves­ti­tio­nen in die unte­ren Schich­ten der Gesell­schaft durch­rie­seln und so zu Wirt­schafts­wachs­tum füh­ren wür­de, von dem dann alle pro­fi­tie­ren  (…) Eine dar­aus abge­lei­te­te Kern­for­de­rung der Anhän­ger die­ser Über­zeu­gung ist die finan­zi­el­le Ent­las­tung der Wohl­ha­ben­den durch Steu­er­sen­kun­gen. (Wiki­pe­dia)

Doch anschlies­send an die 60-er Jah­re geriet immer mehr Sand in das “Kapi­tal-Staat-Getrie­be”, denn die Gegen­sät­ze zwi­schen den pri­va­ten Kapi­tal­in­ter­es­sen und den Gemein­wohl­in­ter­es­sen (tra­ten) zuneh­mend her­vor. Die Arbeits­lo­sig­keit und die damit ver­bun­de­ne Armut der Nicht-Eigen­tü­mer sowie die Kos­ten der öko­lo­gi­schen Schä­den wuch­sen. Um in die­ser Kri­sen­la­ge der ver­fas­sungs­recht­li­chen Gewähr­leis­tung der Ver­wer­tung des pri­va­ten Kapi­tals wie der All­ge­mein­wohl­ver­pflich­tung wei­ter­hin nach­kom­men zu kön­nen, waren die Staa­ten gezwun­gen, sich zu verschulden.

Und damit begann eine höchst ungu­te Entwicklung:
Die Staa­ten als Reprä­sen­tan­ten des natio­na­len Gemein­wohls gerie­ten in wach­sen­de Abhän­gig­kei­ten von den Ver­wer­tungs­in­ter­es­sen der pri­va­ten Eigen­tü­mer. Sie wur­den erpress­bar.
Aber nicht nur das:
Schliess­lich erlang­ten die Kapi­tal­ei­gen­tü­mer auch die Defi­ni­ti­ons­macht über das All­ge­mein­wohl: Gut ist für die Nati­on, was gut ist für das Kapi­tal. Seit­her wer­den die Staa­ten durch die pri­va­ten Eigen­tü­mer gezwun­gen, ihre Haus­hal­te zum Wohl der Kapi­tal­ver­wer­tung und auf Kos­ten der Nicht­ei­gen­tü­mer zu kon­so­li­die­ren. (…) Und mit die­ser Ver­wand­lung wer­den … die pri­va­ten Kapi­tal­ei­gen­tü­mer ste­tig rei­cher, die Natio­nen jedoch und die aus­ge­schlos­se­nen Nicht-Eigen­tü­mer wer­den ärmer.

Das Kapi­tal hat das All­ge­mein­wohl in Gei­sel­haft genommen.

Quiz­fra­ge: Wie kom­men Staa­ten aus die­ser Sack­gas­se wie­der heraus?
Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Frei­tag, den 23. Juni.

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