Ein altes Sprich­wort lau­tet: Das Hemd ist einem näher als die Hose, (ursprüng­lich der Geh­rock, was mehr Sinn macht).
Genau das ist das Dilem­ma des inter­na­tio­na­len Vertragssystems:
Die Staa­ten als sou­ve­rä­ne “Indi­vi­du­en” nach aus­sen … sind nur ver­pflich­tet, ihre Ver­trags­leis­tun­gen zu erfül­len, wenn und solan­ge die­se Leis­tun­gen nach innen dem natio­na­len Eigen­wohl ent­spre­chen. Denn von nie­man­dem, so der Rechts­grund­satz, kann nie­mand ver­lan­gen, gegen sein eige­nes Wohl zu han­deln und sich selbst zu schaden. 

Damit aber ste­hen sich völ­ker­recht­lich zwei staat­li­che Hand­lungs­prin­zi­pi­en gegen­über: Nach aus­sen gilt der Grund­satz, dass ein­ge­gan­ge­ne Ver­trä­ge gehal­ten wer­den müs­sen …; nach innen aber gilt der Grund­satz des Rechts auf Selbst­er­hal­tung … Da nun aber die ein­zel­nen Natio­nal­staa­ten als sou­ve­rä­ne Rechts­per­so­nen aner­kannt sind, liegt es in ihrem frei­en Ermes­sen, die ein­ge­gan­ge­nen Ver­trä­ge zu hal­ten oder sie gege­be­nen­falls zu kündigen.
(Sämt­li­che Aus­zü­ge aus Alex­an­der von Pech­mann, Die Eigen­tums­fra­ge im 21. Jahrhundert)

Da nun aber auch den Natio­nen das Hemd — also das Eigen­wohl — näher liegt als die Hose — näm­lich das supra­na­tio­na­le Gemein­wohl -, steht das inter­na­tio­na­le Ver­trags­sys­tem gera­de auch in Kon­flikt­fäl­len auf höchst wacke­li­gen Füssen:
In Hin­blick auf das gegen­wär­ti­ge wie künf­ti­ge Wohl der Mensch­heit (wer­den) von den ein­zel­nen Staa­ten nur sol­che Ver­trä­ge abge­schlos­sen …, die den eige­nen natio­na­len Inter­es­sen ent­spre­chen, und sie (wer­den) von ihnen zudem nur solan­ge als bin­dend aner­kannt …, solan­ge sie im eige­nen Inter­es­se lie­gen; andern­falls wer­den sie gekündigt. (…)
Die volon­té géné­ra­le exis­tiert in die­sem Ver­trags­sys­tem folg­lich nur in der Gestalt einer volon­té de tous, als ein Kon­sens vie­ler ein­zel­ner und par­ti­ku­la­rer Willen. 

Die Kon­se­quenz dar­aus liegt auf der Hand, nämlich
dass die Ver­ein­ten Natio­nen von Staa­ten­ge­mein­schaft zwar for­mell als Eigen­tü­mer der Erde aner­kannt sind, dass sich der tat­säch­li­che Gebrauch die­ser Sache gegen­wär­tig jedoch auf der Grund­la­ge eines höchst kom­ple­xen und fra­gi­len, auf einem gran­dio­sen Gescha­cher des Gebens und Neh­mens gegrün­de­ten Ver­trags­werks voll­zieht, in das nicht nur die die Natio­nal­staa­ten, son­dern auch glo­ba­le und regio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen wie die Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on, die Welt­bank, der Mer­co­sur oder die Ara­bi­sche Liga ein­be­zo­gen sind. (Inzwi­schen gibt es 200’000 inter­na­tio­na­le Ver­ein­ba­run­gen und mehr als 37’000 inter­na­tio­na­le Organisationen).
In die­sem Gescha­cher spie­len die Ver­ein­ten Natio­nen gros­sen­teils nur die Rol­le des Anre­gers, Mah­ners und Bitt­stel­lers sowie des Mode­ra­tors und Mediators. 

So kommt es, dass im Hin­blick auf auf die Her­aus­for­de­run­gen der Mensch­heit in all den Kon­fe­ren­zen und Abkom­men der Staa­ten und Ver­bän­de viel zu wenig erreicht wird, wäh­rend die Akteu­re und Akteu­rin­nen umge­kehrt als Ver­tre­ter des Wil­lens aller mit glei­chem Recht ver­si­chern, das in der Situa­ti­on Best­mög­li­che erreicht zu haben. Die Kla­ge der einen und die Genug­tu­ung der andern spie­geln jedoch nur das völ­ker­recht­li­che Dilem­ma wie­der, in dem die Welt­ge­mein­schaft sich gegen­wär­tig befindet. 

Wenn es dar­um geht, Lösun­gen für zer­brech­li­che und nur halb­wegs funk­tio­nie­ren­de Sys­te­me zu fin­den, lohnt sich manch­mal, einen Blick auf deren Ent­ste­hungs­ge­schich­te zu wer­fen. Genau das tut Alex­an­der von Pechmann

in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Frei­tag, den 26. Mai.

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