Wie soll nun eine zukünftige Eigentumsordnung aussehen, die von allen Menschen als gerecht empfunden wird und die gleichzeitig unseren schönen blauen Planeten vor einem ökologischen Kollaps schützt? Von Pechmann:
Die Eigentumsfrage besteht daher in der Suche nach einer normativ-rechtlichen Ordnung, in der sich die Inbesitznahme der Erde so vollzieht, dass die Produktion und Konsumtion der nützlichen Güter nach dem Grundsatz ökologischer Nachhaltigkeit und die Distribution dieser Güter nach dem Grundsatz sozialer Verträglichkeit geschehen. Diese beiden Grundsätze … formulieren keine Ideale, sondern haben ihr Mass am Leben und Wohl der künftigen Generationen.
Der Begriff “Postkapitalismus” ist in vieler Leute Munde. Aber wie sich dieses neue “Post”-Zeitalter konkret ausgestalten soll, versteckt sich noch hinter einer Nebelwand. Das Alternativ-Projekt im 21. Jahrhundert, der Kommunismus, ist krachend gescheitert, — zu Recht, weil darin die Würde und die Freiheit des Individuums mit Füssen getreten wurde. Als weitere Alternative meldete sich ab und zu als sowohl dem Kapitalismus und dem Kommunismus radikal entgegengesetztes Gesellschaftsmodell der Anarchismus in seinen verschiedenen Ausprägungen, — aber ob er sich in unserer hochkomplexen und vernetzten Gesellschaft überhaupt noch realisieren liesse, ist mit vielen Fragezeichen verbunden.
Bevor sich Alexander von Pechmann seine eigenen Gedanken zum Thema macht, stellt er heute in der Diskussion stehende alternative Projekte vor, die er allerdings als nicht tragfähig erachtet. Als ein Beispiel sei die “solidarische Ökonomie” vorgestellt, welche das Eigentum als Rechtskategorie prinzipiell ablehnt.
Nach ihr werden künftig weder Individuen noch Staaten das Recht der Kontrolle über die Herstellung und Zugang zu den Gütern besitzen. Als gemeinschaftlichen Gütern, den “Commons”, unterliege ihre Produktion wie ihre Verteilung weder den Regeln des Marktes (im Kapitalismus) noch den Vorgaben des Staates (im Kommunismus), sondern vollziehe sich nach Prinzipien einer solidarisch-demokratischen Willensbildung, die im Gegensatz zum Zwangscharakter einer verbindlichen Rechtsordnung stehen. In diesem Modell gilt daher das Eigentumsrecht als solches als das gegenwärtige Übel, das in einer künftigen Ökonomie überwunden sein werde. Es schliesst damit explizit oder implizit an die Idee einer Assoziation von Freien und Gleichen an, die über die Regeln der Güterproduktion und ‑distribution selbst bestimmen.
Der Anarchismus lässt grüssen …
Während einige ihrer Vertreter:innen das solidarische Handeln vor allem in der gemeinschaftlichen Gestaltung öffentlicher Räume wie des Internets, des Verkehrs, des Wohnens oder der Landschaft sehen, erwarten andere die Überwindung der bestehenden Eigentumsordnung von der “digitalen Revolution”, die herrschaftsfreie Netzwerke von Produzenten und Konsumenten entstehen lassen werde.
Dass ein solches Modell funktionieren kann, zeigten die anarchistischen Experimente im Spanien der Zwischenkriegszeit, als sich Kommunen in kürzester Zeit in herrschaftsfreie Gemeinschaften entwickelten, die auch ökonomisch rasch zur Blüte gelangten. Leider fegte sie die kommunistische Sabotage und der spanischen Bürgerkrieg hinweg.
Doch von Pechmann macht klar, dass ein solches Zukunftsmodell rasch an seine Grenzen stösst:
So sehr es sich zweifellos … in einem begrenzten sozialen Bereich bewährt, in dem das Band der Solidarität die Form eines arbeitsteiligen und dennoch gemeinsamen Handelns begründet und garantiert, so muss es doch als utopisch erscheinen, das Verfahren einer freien und selbstbestimmten Willensbildung auf das globale System der Produktion und Distribution zu übertragen. (…)
Zum zweiten garantiert das Modell einer solidarischen Ökonomie keine zeitliche Beständigkeit. Denn da die Regeln, nach denen die Güter hergestellt und verteilt werden, vom Willen aller und damit einer jeden Teilnehmer:in abhängen, haben sie die Form steter Revidierbarkeit. So vorteilhaft eine solche Flexibilität der Regeln in begrenzten und überschaubaren Bereichen zweifellos ist, so wenig wird einsichtig, wie auf diese Art diskursiver Willensbildung das globale System der Produktion, Distribution und Konsumtion dauerhaft ökologisch und sozial verträglich gestaltet werden kann.
Die Herausforderung besteht gemäss von Pechmann also darin, jene rechtlichen Eigentumsformen aufzufinden, die in der Sphäre des Tatsächlichen das globale System der Produktion, der Distribution und der Konsumtion der Güter nach den Kriterien der ökologischen Nachhaltigkeit und der sozialen Verträglichkeit zu regeln in der Lage sind.
Einen ersten Schritt in diese Richtung macht der Autor, indem er die Frage nach dem globalen Eigentum stellt.
Dazu mehr in der nächsten Folge am kommenden Freitag, den 14. April.
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Franz Büchler
Apr 8, 2023
Vielleicht müsste man sich endlich einmal einig werden: Was ist das Schaffen von Werten?
Was ist das Abschöpfen von Werten?
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Und solange das Abschöpfen von Werten als Normalität gilt, solange haben wir immer und immer wieder die gleichen Probleme …