Der Mensch als Täter — und als Opfer zugleich — hat es heute geschafft, dank seiner zweckgerichteten und linearen Güterproduktion für die Ausbreitung toxischer Substanzen in der Umwelt und für die Säuerung von Seen und Wäldern zu sorgen, die oberen Schichten der Atmosphäre durch Fluorkohlenwasserstoffe zu verseuchen und den Treibhauseffekt in Gang zu setzen.
Viele Indizien und Analysen vieler Autoren bestätigen, dass die Erdsysteme inzwischen durch den in der kapitalistischen Gesellschaftsformation extrem gesteigerten Naturverbrauch — sowohl auf der Seite der Ressourcen aus der lebendigen wie aus der nicht lebendigen Natur, als auch auf der Seite der Senken, wo die Schadstoffe abgelagert werden — bis zu den Kipppunkten der Tragfähigkeit überlastet sind (Elmar Altvater, Wertform, Naturform, der Doppelcharakter der Ware und das ökologische Weltsystem. Ein vorausschauender Rückblick auf das Kapitalozän)
(Sämtliche Auszüge aus Alexander von Pechmann, Die Eigentumsfrage im 21. Jahrhundert)
2016 beschloss die Staatengemeinschaft auf der UN-Klimakonferenz in Paris, alles zu unternehmen, um den Anstieg der Erdtemperatur auf höchstens 2° Celsius zu beschränken. Mit diesem gemeinsamen Beschluss der Temparaturbegrenzung hat die Weltgemeinschaft hinsichtlich der ökologischen Krise anerkannt, dass erstens … die Funktionsweise des gegenwärtigen Systems der Produktion und Konsumtion mit den Gesetzmässigkeiten des irdischen Systems der Kreisläufe unverträglich ist, dass zweitens die Ursachen der anormalen Temperaturerhöhung die Exkremente des gegenwärtigen Wirtschaftssystems sind, insbesondere der CO2-Ausstoss in die Atmosphäre, und dass drittens das Gleichgewicht des Erdsystems das Ziel der Bemühungen ist, dem das Wirtschaftssystem anzupassen sei.
Das Problem ist, dass in der Regel zwischen Einsicht, Beschlüsse fassen und entsprechendem Handeln ein zeitlicher Graben existiert, und das ist auch bei der Bekämpfung der Erderwärmung nicht anders:
Realistische Prognosen nehmen daher an, dass — trotz des Bewusstseins der ökologischen Krise ‑der Kohlendioxydgehalt in der Atmosphäre durch das wachsende “System der Bedürfnisse” bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf ca. 4000 Gigatonnen steigen und die mittlere Temperatur sich um ca. 3° Celsius erhöhen wird — mit dramatischen Folgen für die Lebensbedingungen der künftigen Generationen.
Solche Prognosen fechten allerdings vor allem rechts-reaktionäre Kreise nicht an. Aktuellstes Beispiel: Die Weltwoche vom 2. Februar mit der Schlagzeile: “Der Mensch ist nicht am Klimawandel schuld. Hört auf mit dieser Umwelt-Hysterie”. Solche immer gut gelaunten Erdenbürger werden deshalb auch die folgenden Warnungen mit einem gelangweilten Scbultzerzucken abtun:
Schlicht katastrophal wäre es, wie Studien der Klimaforschung darlegen, wenn durch die vielfachen Exkremente des Produktions- und Konsumtionssystems — an den sogenannten “Kipppunkten” — das Gleichgewicht der irdischen Kreisläufe aufgehoben und ein sich verstärkender Progress positiver Rückkoppelungen einsetzen würde.
Dies wäre der Fall, wenn durch die Eisschmelze an den Polen und durch die damit abnehmende Reflexion des Sonnenlichts die Temperatur zusätzlich erhöht wird; oder wenn die im Permafrost gebundene Kohlendioxydmasse — schätzungsweise 1300–1600 Gigatonnen — durch die Erderwärmung als Treibhausgas freigesetzt und ihrerseits das Klima aufheizen würde. Im Fall eines solch unkontrollierten und sich beschleunigenden Progresses stiege die Erdtemperatur um über 10° Celsius und der Meeresspiegel bis zu 60 m. Unter diesen natürlichen Bedingungen wäre der Planet Erde für künftige Generationen der menschlichen Gattung wohl unbewohnbar. Die ökologische Krise wüchse sich aus zur ökologischen Katastrophe; sie wäre der Kollaps beider Systeme sowohl der Inbesitznahme wie der in Besitz genommenen Erde.
Womit wir endlich wieder zum Thema “Besitz”, resp. “Eigentum” zurückgefunden haben. Denn dass es mit dem Anpassen des Wirtschaftssystems an die natürlichen Kreisläufe — wie an der UN-Klimakonferenz verlangt — heute noch gewaltig hapert, hängt zentral mit der bürgerlich-kapitalistischen Eigentumsordnung zusammen.
Dazu mehr in der nächsten Folge am kommenden Freitag, den 10. Februar.
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