Die Gegen­über­stel­lung der mensch­li­chen zweck­ge­rich­te­ten und linea­ren Pro­duk­ti­on mit den natür­li­chen Pro­duk­ti­ons-Kreis­läu­fen lässt von Pech­mann schlies­sen, dass in den Abläu­fen auf Basis ein und der­sel­ben phy­si­ka­li­schen, che­mi­schen und bio­lo­gi­schen Kau­sa­li­tä­ten zwei ganz ver­schie­de­ne “Logi­ken” am Werk sind. Wäh­rend die Abläu­fe nach der einen Logik so geord­net wer­den, dass an ihrem Ende nütz­li­che Güter für mensch­li­che Bedürf­nis­se ent­ste­hen, sind sie nach der ande­ren so geord­net, dass sich in ihnen und durch sie die Natur als Gesamt­sys­tem repro­du­ziert. Anschau­lich wird die­se Dif­fe­renz an den zeit­li­chen Abläu­fen: Die Men­ge Öl, die in einem Sys­tem für die Gewin­nung der Ener­gie im Lau­fe eines Jah­res ver­brannt wer­den, ist im ande­ren Sys­tem in 450’000 Jah­ren aus Algen und Plank­ton ent­stan­den.
(Sämt­li­che Aus­zü­ge aus Alex­an­der von Pech­mann, Die Eigen­tums­fra­ge im 21. Jahrhundert)

Auf der Grund­la­ge die­ser Gemein­sam­keit und Dif­fe­renz lässt sich die öko­lo­gi­sche Kri­se nun in der Wei­se erklä­ren, dass bei­de Sys­te­me, das linea­re Sys­tem der Bedürf­nis­se und das zir­ku­lä­re Erd­sys­tem, auf­grund ihrer inne­ren Logik unver­träg­lich oder anti­no­misch gewor­den sind. Ein und der­sel­be Vor­gang gilt im einen Sys­tem als “gut”, im ande­ren Sys­tem hin­ge­gen als “schlecht”.
So ist die mas­sen­haft betrie­be­ne Res­sour­cen­ge­win­nung in einem Sys­tem gut, weil sie Roh­stof­fe erzeugt, aus denen eine Viel­falt nütz­li­cher Güter sowie die sowie die die Ener­gie zu ihrer Her­stel­lung gewon­nen wer­den; sie ist im andern Sys­tem schlecht, weil durch sie intak­te Öko­sys­te­me und Bio­to­pe in wüs­te Gebie­te ver­wan­delt werden.
Mono­kul­tu­ren sind nütz­lich, weil sie hohe Erträ­ge brin­gen; sie sind schäd­lich, weil sie die natür­li­che Arten­viel­falt zer­stö­ren und den Boden auslaugen.
Nütz­li­che Güter sind rich­tig, weil durch ihren Gebrauch mensch­li­che Bedürf­nis­se befrie­digt wer­den: sie sind im andern Fall falsch, weil sie sich am Ende in “toxi­sche Zeit­bom­ben” ver­wan­deln, die natür­li­che Kreis­läu­fe zerstören.

Von Pech­mann scheut sich nicht, die Anti­no­mie der bei­den Sys­te­me auf kras­se Wei­se aus­zu­drü­cken, näm­lich, dass die Exkre­men­te des Sys­tems der Bedürf­nis­se umso wider­na­tür­li­cher sind, je intel­li­gen­ter und effi­zi­en­ter die Pro­duk­ti­on und die Pro­duk­te sind. An der Naht­stel­le bei­der Sys­te­me voll­zie­hen die Pro­duk­te eine eigen­ar­ti­ge Meta­mor­pho­se: hoch­wer­ti­ge Güter des Kon­sums ver­wan­deln sich in destruk­ti­ven Müll. Die im Sys­tem der Bedürf­nis­se prä­zis kon­trol­lier­te Abfol­ge der Pro­duk­ti­on und Kon­sum­ti­on schlägt im Erd­sys­tem um in ein Gemisch chao­ti­scher und unkon­trol­lier­ba­rer Pro­zess­ab­läu­fe, das die Zir­ku­la­ri­tät der natür­li­chen Pro­zes­se ver­hin­dert oder zerstört.

Die­ser Gegen­satz gilt auch für die Posi­ti­on des Men­schen in der Natur: Als Trä­ger des Bedürf­nis­sys­tems ist er kein Teil der Natur, da er ihr frei gegen­über­tritt, um durch sie sei­ne Zwe­cke und Bedürf­nis­se zu ver­wirk­li­chen; ande­rer­seits ist er als bio­lo­gi­sches Wesen auch Teil der Natur und nimmt als Pro­dukt des irdi­schen Gesamt­sys­tems an des­sen Abläu­fen teil. Fazit von Pechmanns:
Wegen die­ser Gegen­sätz­lich­keit von frei­er Zweck­set­zung und Natur­ab­hän­gig­keit ist der Mensch Täter wie Opfer: Durch sein Han­deln gefähr­det er nicht nur das Gleich­ge­wicht der Natur, son­dern zugleich sich selbst, sei­ne Fort­exis­tenz als Naturwesen.

Ekla­tan­tes Bei­spiel ist die Gewin­nung elek­tri­scher Ener­gie mit­tels Atom­spal­tung. Dabei fällt das Ele­ment Plu­to­ni­um an, Es spielt eine wich­ti­ge Rol­le bei der Her­stel­lung von Kern­waf­fen, deren Exis­tenz heu­te wegen des Krie­ges in der Ukrai­ne wie­der stär­ker ins Bewusst­sein treten.
Was aber den meis­ten von uns nicht bewusst ist, ist des­sen für das Leben unfass­bar hohe Gif­tig­keit: Eine Men­ge im zwei­stel­li­gen Mil­li­gram­be­reich ist für einen Men­schen schon töd­lich. Schät­zun­gen gehen davon aus, dass wir zur­zeit auf etwa 1000 Ton­nen die­ses hoch­toxi­schen Mate­ri­als sit­zen. Was damit tun?
Das Zau­ber­wort heisst natür­lich “End­la­ger”. Damit sind wir alle Sor­gen los.

Oder viel­leicht doch nicht? Von Pechmann:
Die­se Art sei­ner Besei­ti­gung setzt … vor­aus, dass wir heu­te schon wis­sen, dass er (der ato­ma­re Müll) im Zeit­raum von einer hal­ben Mill­li­on Jah­re nicht in den natür­li­chen Stoff­wech­sel ein­ge­hen wird. Ein sol­ches Zukunfts­wis­sen ist jedoch unmög­lich, da ers­tens der Stoff­fluss zwi­schen Litho‑, Hydro‑, Atmo- und Bio­sphä­re heu­te weit­ge­hend uner­forscht ist, und zwei­tens die Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen Plu­to­ni­um und Man­tel­schutz wäh­rend eines Zeit­raums von Jahr­hun­dert­tau­sen­den nicht getes­tet wer­den können. …
Daher gibt es den Ort jen­seits der Örter, den Ab-Ort, nicht!
Und sar­kas­tisch fügt er hin­zu: Da eine tat­säch­li­che Besei­ti­gung des ato­ma­ren Mülls nicht mög­lich ist, bleibt nur die sym­bo­li­sche. Das Bes­te wäre, das Plu­to­ni­um umzu­eti­ket­tie­ren: statt nach Plu­to, dem Gott des Todes, nen­nen wir es nach der Göt­tin des Ver­ges­sens Lethe­si­um — und erzäh­len den Enkeln nichts davon …

Die nächs­te Fol­ge am kom­men­den Frei­tag, den 3. Februar!

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