Römi­sches Recht? — Was kann ein Rechts-Laie wie der birsfaelder.li-Schreiberling mit die­sem Begriff anfan­gen? Spre­chen wir hier von einem alten Hut, oder spielt er auch heu­te noch eine Rol­le in unse­rem Rechts­le­ben? Pas­cal Pichon­naz, Pro­fes­sor für römi­sches Recht an der Uni Frei­burg, bejaht dies ganz klar. Und so lohnt sich viel­leicht doch ein Blick auf die Ent­ste­hung die­ses Rechts.

Wer im Unter­richt zur Römi­schen Geschich­te auf­ge­passt hat, dem sind viel­leicht neben Remus und Romu­lus, Cäsar, Augus­tus und Nero auch noch die bei­den Grac­chen in Erin­ne­rung, die im 2. Jhdt. v.Chr. mit ihrer Land­re­form schei­ter­ten. Um zu ver­ste­hen, war­um es damals ging, ist ein klei­ner Exkurs zu die­ser Reichs­idee-Fol­ge sinnvoll.

Die Macht des pater fami­li­as fuss­te auf sei­nem Grund­be­sitz, dem “ager pri­va­tus”. Dane­ben gab es aber auch den “ager publi­cus”:
Der ager publi­cus … war das Land, das durch die Erobe­run­gen Roms erwor­ben wur­de, und das recht­lich dem römi­schen Staat, dem popu­lus roma­nus, als Grund­ei­gen­tum gehör­te. Die Ver­tei­lung die­ses öffent­li­chen Lan­des, das sich schliess­lich über ganz Ita­li­en erstreck­te, war eines der zen­tra­len, wenn nicht das zen­tra­le Kon­flikt­feld der römi­schen Geschich­te, an dem die römi­sche Repu­blik zerbrach.
Nach den Puni­schen Krie­gen wur­den gros­se Tei­le des neu erober­ten öffent­li­chen Bodens gegen Gebühr zur Besitz­nah­me frei­ge­ge­ben. Nutz­nies­ser die­ser Frei­ga­be durch den Staat wur­den rei­che Grund­ei­gen­tü­mer und Unter­neh­mer, die auf dem Boden zuneh­mend eine markt- und pro­fit­ori­en­tier­te Land­wirt­schaft betrieben.
Die ab 133 v.Chr. dann von den Grac­chen­brü­dern initi­ier­te Agrar­re­form, die eine Neu­ver­tei­lung des ager publi­cus zuguns­ten  der Klein­bau­ern sowie der besitz­lo­sen und besitz­los gewor­de­nen Armen anstreb­te, schei­ter­te durch die Ermor­dung bei­der
.
(Sämt­li­che Aus­zü­ge aus Alex­an­der von Pech­mann, Die Eigen­tums­fra­ge im 21. Jahrhundert)

Der grie­chi­sche Schrift­stel­ler Plut­arch hat­te Tibe­ri­us Grac­chus fol­gen­de Wor­te in den Mund gelegt:
Die wil­den Tie­re, die Ita­li­en bevöl­kern, haben ihre Höh­len, und für jedes von ihnen gibt es eine Lager­stät­te, einen Schlupf­win­kel. Die Män­ner aber, die für Ita­li­en kämp­fen und ster­ben, haben nichts als Luft und Licht; unstet, ohne Haus und Heim zie­hen sie mit Kin­dern und Frau­en im Land umher. Die Feld­her­ren lügen, wenn sie in der Schlacht ihre Sol­da­ten auf­ru­fen, Grä­ber und Hei­lig­tü­mer gegen die Fein­de zu ver­tei­di­gen: Kei­ner von die­sen armen Römern hat ja einen väter­li­chen Altar, kei­ner ein Grab sei­ner Ahnen. Für Wohl­le­ben und Reich­tum ande­rer kämp­fen und ster­ben sie. Her­ren der Welt wer­den sie genannt – in Wirk­lich­keit gehört ihnen aber kein Krü­mel Erde. (Wiki­pe­dia. Tibe­ri­us Sem­pro­ni­us Grac­chus)

Damit aber ver­lor die recht­lich kla­re Unter­schei­dung zwi­schen staat­li­chem Gemein­ei­gen­tum und indi­vi­du­el­lem Pri­vat­ei­gen­tum ihre Bedeu­tung. (…) Die­se Pri­va­ti­sie­rung des öffent­li­chen Bodens höhl­te die bäu­er­lich-repu­bli­ka­ni­sche Ver­fas­sung des römi­schen Staa­tes aus. Der Staat wur­de von den rei­chen und mäch­ti­gen Grund­ei­gen­tü­mern okku­piert, und die Repu­blik schliess­lich durch das Prin­zipat ersetzt.

Der berühm­tes­te Red­ner Roms, Mar­cus Tul­li­us Cice­ro, der die Rück­kehr zur Repu­blik pre­dig­te und schliess­lich ein Opfer des Prin­zi­pats wur­de, mahn­te des­halb, der pri­va­te Eigen­tü­mer sei im Gebrauch der indi­vi­du­ell ange­eig­ne­ten Güter dem gemein­sa­men Nut­zen verpflichtet:
“… so müs­sen wir dar­in der Natur als Füh­re­rin fol­gen, den gemein­sa­men Nut­zen in den Mit­tel­punkt stel­len, durch Gegen­sei­tig­keit der Leis­tun­gen — durch Geben und Neh­men — durch Fach­kennt­nis­se, Opfer­be­reit­schaft und Mit­tel das Band zwi­schen­mensch­li­cher Zusam­men­ge­hö­rig­keit festigen.”

Was hat die moder­ne Rechts­wis­sen­schaft vom Römi­schen Recht übernommen?
Das Kern­ele­ment der Über­nah­me bil­det die Bestim­mung des Eigen­tums als eines exklu­si­ven Rechts des Eigen­tü­mers, von sei­ner Sache einen belie­bi­gen Gebrauch zu machen. Dem Eigen­tü­mer kommt, wie dem römi­schen pater fami­li­as, das Recht der frei­en Ver­fü­gungs­macht über die Sache zu. (…) Die­se Ver­knüp­fung des pri­va­ten Eigen­tums mit der Frei­heit des Gebrauchs im Römi­schen Recht ist dann in der moder­nen Rechts­phi­lo­so­phie zur Grund­la­ge gewor­den, um die Insti­tu­ti­on des Pri­vat­ei­gen­tums mit der Idee der Wil­lens­frei­heit des Men­schen zu verbinden.
So etwa gilt in der Natur­rechts­leh­re J.G. Fich­tes das pri­va­te Eigen­tum als not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung und Bedin­gung der mensch­li­chen Hand­lungs­frei­heit, und G.W.F. Hegel begrün­det und legi­ti­miert in sei­ner Phi­lo­so­phie des Rechts das Pri­vat­ei­gen­tum als das äus­se­re Dasein des an und für sich frei­en Wil­lens. Ohne eine sol­che äus­se­re Sphä­re des exklu­siv Pri­va­ten, so die The­se, sei eine freie Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit nicht mög­lich. Durch die Über­nah­me die­ser The­se in die Ver­fas­sun­gen erhielt das pri­va­te Eigen­tum dann in den moder­nen Staa­ten sei­ne tat­säch­li­che recht­li­che Geltung.

Der moder­ne Begriff des Eigen­tums hat sich im Ver­gleich zum ursprüng­li­chen römi­schen Eigen­tums­recht selbst­ver­ständ­lich mas­siv aus­ge­wei­tet und umfasst heu­te neben mate­ri­el­len auch imma­te­ri­el­le “Din­ge” wie z.B. Akti­en, Paten­te, usw.

In der nächs­ten Fol­ge stel­len wir dem Römi­schen Recht die christ­lich-feu­da­le Eigen­tums­ord­nung gegen­über, und dies wie immer in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Frei­tag, den 30. September.

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