Im 21. Jahrhundert sieht sich die Menschheit vor zwei grosse, sie selbst betreffende Aufgaben bestellt: die Lösung der ökologischen und der sozialen Frage. Die eine Aufgabe betrifft ihr Verhältnis zur Natur, die andere die Beziehungen der Menschen zueinander. Beide Verhältnisse sind in den vergangenen Jahrzehnten aus den Fugen geraten.
Mit diesen beiden Sätzen beginnt die Einleitung in “Die Eigentumsfrage im 21. Jahrhundert. Ein rechtsphilosophisches Traktat über die Zukunft der Menschheit” ** von Alexander von Pechmann. Und der Autor führt die These anschliessend etwas konkreter aus:
Zum einen prognostizieren Umwelt- und Klimaforscher, dass das globale System der Produktion und Konsumtion in wachsendem Masse seine Grundlagen gefährdet, dass der Verbrauch der natürlichen Ressourcen ihr Potential übersteigt, dass die Berge des Produktions- und Konsumtionsmülls den Grund und Boden sowie die Meere zu ersticken droht, dass durch die Art der Energiegewinnung die Erdatmosphäre aufgeheizt wird, mit erwartbar katastrophalen Folgen für das Leben auf dem Planeten. Das ökonomische System, so das Fazit, überbeansprucht das ökologische System.
Zum anderen stellen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler:innen fest, dass bei aller Vermehrung des produzierten Reichtums seit einigen Jahrzehnten die Schere zwischen den Wenigen, die über diesen Reichtum verfügen, und der Masse derer, die von seiner Nutzung ausgeschlossen sind, gewachsen ist. Während die Reichen reicher geworden sind, werden immer neue und weitere Schichten der Weltbevölkerung von der Armut erfasst.
Beide Prozesse entwickeln sich nicht unabhängig voneinander, denn
… wächst die soziale Kluft zwischen den Reichen und den Armen weiterhin, ist absehbar, dass mit ihr auch die Abholzung der Wälder, die Überfischung der Meere sowie die Verkarstung und Verschmutzung fruchtbarer Böden zunehmen wird. Hält umgekehrt die globale Klimaerwärmung an, ist damit zu rechnen, dass Hunderte von Millionen Menschen an den Küsten wie auf dem Land ihre Lebensgrundlagen verlieren und in die bewohnbaren Gebiete emigrieren, sodass die sozialen Konflikte sich verstärken und Kriege um Boden und Wasser die Völker und Nationen entzweien werden.
Übertriebene Schwarzmalerei? — Eindrücklich immerhin, dass sich die Diagnose des Professors an der Universität München verdächtig mit der Kritik zu decken beginnt, die Indigene wie Oren Lyons seit vielen Jahren äussern.
Und Alexander von Pechmann ist mit seinem Mahnfinger, dass in unserer Weltsicht, in unserer Wirtschaft und in unserer Art zu leben seit Längerem etwas grundsätzlich schief läuft, bei weitem nicht allein. Bleiben wir bei einem Mahner in der Schweiz:
Anlässlich der Verleihung des Erich Fromm-Preises an den Basler Soziologen Ueli Mäder im März dieses Jahres in Stuttgart hielt dieser in seiner Dankesrede u.a. fest:
Finanzgetriebene Regimes legitimierten soziale Ungleichheiten und ökonomisierten wichtige Lebensbereiche. Sie überlagerten politisch-liberale Konzepte, die noch einen gewissen Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit akzeptierten.
Spätestens seit dem eigentlich erfreulichen Aufbrechen der Berliner Mauer (1989) fliesst das Kapital nun noch direkter dorthin, wo es sich möglichst optimal verwerten lässt. Seither erhöht sich erstens die Erwerbslosigkeit. Zweitens halten niedrige Löhne mit steigenden Lebenshaltungskosten kaum Schritt. Drittens orientiert sich die soziale Sicherheit vermehrt an flexibilisierter Erwerbsarbeit. Viertens konzentrieren sich private Vermögen. Und fünftens ökonomisiert die finanzgetriebene Politik schier sämtliche Arbeits- und Lebensbereiche …
… die Ökonomisierung zielt auf kurzfristige Nützlichkeit ab. Sie favorisiert den homo oeconomicus. Gut ist, was mir nützt. Fromm beschreibt, wie der Marketing-Charakter die industrielle Gesellschaft im 20. Jahrhundert durchdringt. Der Mensch wird selbst zur Ware. Er kümmert sich um seine Verkäuflichkeit, hat keine tiefe Bindung, weder zu sich selbst, noch zu anderen. Ziel ist das optimale Funktionieren.
Auch hier: übertriebene Schwarzmalerei? — Als Fromm den Marketing-Charakter der Gesellschaft anprangerte, hatte er noch keine Ahnung von Werbe-Mikrotargeting im Internet …
Im Grunde haben wir heute genau zwei Möglichkeiten: Entweder blenden wir all diese Kassandrarufe aus und machen es uns so gemütlich, wie es unser Portemonnaie erlaubt. Heute ist heute, und morgen ist morgen. Wir können den Schalmeienklängen des immer gut gelaunten SVP-Sprachrohrs, Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel, Glauben schenken, dass wir in der besten aller Welten leben und hier lediglich negative linke “Gutmenschen”-Propaganda am Werk ist.
Oder wir stellen uns diesen Kassandrarufen. Und wieder gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir legen angesichts all der dräuenden Katastrophen, die auf uns zukommen, resigniert die Hände in den Schoss. Oder wir überlegen, wie wir als einfache Zeitgenossen auf je unsere eigene Weise für eine alternative und positivere Zukunft aktiv werden können. Dabei gilt es gleichzeitig, sich Schritt um Schritt der Entfremdung von unserem wahren Wesen und von der Natur bewusst zu werden. Eine regelmässige meditative Praxis kann dabei sehr hilfreich sein.
In der Buchreihe “Gespräche mit Gott” von Neale Donald Walsch heisst es, dass wir als Menschheit gerade daran sind, unseren Kinderschuhen zu entwachsen und jetzt lernen müssen, bewusst die Verantwortung für die Schöpfung und unsere Erde zu übernehmen. Indigene wie Oren Lyons haben das schon lange erkannt, wenn sie darauf hinweisen, dass wir mit unserem Handeln die Verantwortung für das Wohlergehen der nächsten sieben Generationen tragen.
Eine kleine Gelegenheit dafür bietet sich für die geneigten birsfaelder.li-Leserinnen und Leser, am Samstagvormittag, den 20. August, beim Sammeln von Unterschriften für eine Petition an den Bundesrat, im Nachgang zur Konzernverantwortungsinitiative-Abstimmung seine Versprechen einzulösen, dabei zu sein. Interessierte wenden sich an Elisabeth Hischier (e.hischier@bluewin.ch).
** Eine PDF-Gratisversion des Buchs kann hier heruntergeladen werden.
Wir bleiben in der nächsten Folge noch beim Buch von Alexander von Pechmann, — und dies wie immer am kommenden Freitag, den 19. August.
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