Hören wir Mari­an­ne Wil­liam­son noch etwas wei­ter zu. In ihrem News­week-Essai vom Novem­ber 2021 ana­ly­siert sie, war­um die ame­ri­ka­ni­sche Demo­kra­tie auch nach der Abwahl von Donald Trump noch lan­ge nicht aus der Gefah­ren­zo­ne ent­kom­men ist:

Auto­ri­tä­re Kräf­te sind heu­te auf dem Vor­marsch — nicht nur in Län­dern wie Ungarn, Polen, der Tür­kei, den Phil­ip­pi­nen und in eta­blier­ten Län­dern wie Russ­land und Chi­na. Sie sind auch in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten auf dem Vormarsch.

Auto­ri­tä­re Bewe­gun­gen sind wie ein Virus, der dazu neigt, sich welt­weit aus­zu­brei­ten. Aber im Gegen­satz zu Viren, die den Kör­per befal­len, ist der Auto­ri­ta­ris­mus ein Virus, der nicht nur sei­nen Wirt angreift. In vie­len Fäl­len wird er gera­de­zu ein­ge­la­den. Wie bei Krank­hei­ten des Immun­sys­tems, die auf­tre­ten, wenn Immun­zel­len begin­nen, den Kör­per anzu­grei­fen, den sie eigent­lich schüt­zen sol­len, sind Mil­lio­nen ame­ri­ka­ni­scher Bür­ger auf per­ver­se Wei­se moti­viert, den Auto­ri­ta­ris­mus anzu­neh­men, ja sie schei­nen ihn sogar zu genie­ßen. Und damit auch, unse­re Demo­kra­tie anzugreifen. …

Ari­zo­na Janu­ar 2022

Die Bewe­gung, die Trump ins Leben geru­fen hat, ist leben­dig und gesund, nicht zer­stört durch die Wahl­nie­der­la­ge des ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten, son­dern, wenn über­haupt, sogar noch moti­vier­ter. Sie mar­schiert wei­ter und setzt die Arbeit dort fort, wo Trump auf­ge­hört hat. Von Geset­zen zur Unter­drü­ckung von Wäh­lern bis hin zur Säu­be­rung der Repu­bli­ka­ni­schen Par­tei von allen, die auch nur den Hauch von Illoya­li­tät gegen­über dem ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten an den Tag legen, wächst die auto­ri­tä­re Bewe­gung, die der Ex-Prä­si­dent her­vor­ge­bracht hat, mit ihren Ten­ta­keln und metastasiert.

So wie nur weni­ge gedacht hät­ten, dass ein ein­zel­ner Mann die­sem Land inner­halb von vier Jah­ren so viel Scha­den zufü­gen könn­te, hät­te auch nie­mand das Aus­maß sei­nes anhal­ten­den Ein­flus­ses seit sei­nem Aus­schei­den aus dem Amt vor­her­sa­gen kön­nen. Von sei­nem poli­ti­schen Außen­pos­ten in Mar-a-Lago aus, ohne Face­book, ohne Twit­ter, ohne irgend­ei­ne poli­ti­sche Macht, übt er wei­ter­hin uner­klär­li­chen Ein­fluss auf Mil­lio­nen von Men­schen aus.

Schwarz­ma­le­rei? Wir wer­den dar­über in weni­ger als drei Jah­ren ent­schei­den kön­nen. Wil­liam­son sieht die USA an einem Schei­de­weg, wie ihre scho­nungs­lo­se Ana­ly­se deut­lich macht:

Von der Skla­ve­rei über die insti­tu­tio­na­li­sier­te Unter­drü­ckung von Frau­en und Far­bi­gen bis hin zum Völ­ker­mord an den ame­ri­ka­ni­schen Urein­woh­nern haben die Ver­ei­nig­ten Staa­ten im Lau­fe ihrer Geschich­te einen stän­di­gen Kampf zwi­schen den Dämo­nen der Grau­sam­keit und Unter­drü­ckung und den Engeln der Gerech­tig­keit und Frei­heit erlebt. Aber unser Traum ist eine Welt, in der die Engel unse­rer bes­se­ren Natur gesiegt haben. Es ist der Kampf selbst, der dem Traum sei­ne Bedeu­tung ver­leiht. Von der Aboli­ti­on über die Frau­en­wahl­rechts­be­we­gung bis hin zur Bür­ger­rechts­be­we­gung haben Men­schen gekämpft, geop­fert und sind in vie­len Fäl­len gestor­ben, damit der Traum wei­ter­le­ben kann.

Jetzt steht der Kampf wie­der vor der Tür, so bös­ar­tig und bedroh­lich wie zu kei­ner Zeit in unse­rer Geschich­te. Der Auto­ri­ta­ris­mus kon­zen­triert sich heu­te nicht auf eine bestimm­te insti­tu­tio­nel­le Rea­li­tät, son­dern hat sei­ne Ten­ta­kel an vie­len Stel­len: von Geset­zen zur Unter­drü­ckung von Wäh­lern, zur Dämo­ni­sie­rung der Pres­se, zur Unter­drü­ckung von Gewerk­schaf­ten, zur Kor­rup­ti­on unse­rer poli­ti­schen Insti­tu­tio­nen, zur Kon­trol­le von Unter­neh­men über so gut wie alles, zur Bru­ta­li­tät der Poli­zei, zu sys­te­mi­schem Ras­sis­mus und wirt­schaft­li­cher Unge­rech­tig­keit und mehr. Am erschre­ckends­ten von allem ist jedoch die Ver­herr­li­chung eines Man­nes — trotz aller Ver­nunft -, des­sen Lügen so gut doku­men­tiert sind, des­sen Kor­rup­ti­on so klar zu Tage tritt und des­sen völ­li­ge Miss­ach­tung der Grund­sät­ze der Demo­kra­tie nicht deut­li­cher sein könnte.

Die uralte Ver­lo­ckung des Auto­ri­ta­ris­mus infi­ziert unse­ren poli­ti­schen Kör­per und inspi­riert Mil­lio­nen von Ame­ri­ka­nern, das kost­bars­te Geschenk, das uns ver­macht wur­de, freu­dig auf­zu­ge­ben: die Idea­le der Demo­kra­tie selbst. Sie schüt­zen unse­re Demo­kra­tie nicht nur nicht, sie geben sie sogar freu­dig auf. …  Mil­lio­nen von Ame­ri­ka­nern sind inzwi­schen , von auto­ri­tä­ren Kräf­ten radi­ka­li­siert wor­den, wel­che die Idea­le, für die die­ses Land steht, zer­stö­ren wol­len. Sie wer­den in eini­gen Fäl­len von den­je­ni­gen ermu­tigt, die es eigent­lich bes­ser wis­sen müss­ten, deren Macht­gier aber so groß ist, dass ihnen die Demo­kra­tie selbst nicht mehr wich­tig ist. Es geht hier nicht um einen Kampf zwi­schen links und rechts. Es gibt auf bei­den Sei­ten des poli­ti­schen Spek­trums hoch­ge­sinn­te und prin­zi­pi­en­treue Men­schen, wie der der­zei­ti­ge Kampf der loya­len Repu­bli­ka­ner im Kon­gress gegen die Lüge beweist, dass Trump die Wahl tat­säch­lich gewon­nen hat.…

Es spielt kei­ne Rol­le, ob die Fein­de der Demo­kra­tie aus dem Aus­land oder aus dem Inland kom­men, ob sie von einem glo­ba­len Virus oder von einem ganz und gar ame­ri­ka­ni­schen Auto­ri­ta­ris­mus her­rüh­ren — unse­re Genera­ti­on soll­te nicht weni­ger bereit sein als jede ande­re, es mit ihnen auf­zu­neh­men, ihnen das Gegen­teil zu bewei­sen und unse­re Frei­hei­ten für unse­re Kin­der und deren Kin­der zu ret­ten. Ja, unse­re Demo­kra­tie ist in gewis­ser Wei­se zer­rüt­tet. Ame­ri­ka hat es nie ganz rich­tig gemacht, und in man­cher Hin­sicht haben wir es furcht­bar falsch gemacht und machen es immer noch falsch. Aber Zynis­mus ist nur eine Ent­schul­di­gung dafür, nicht zu hel­fen. Der Punkt ist, dass wir den Kampf fort­set­zen. Ich weiß, dass ich für vie­le spre­che, wenn ich sage, dass wir jetzt nicht auf­ge­ben werden.

Eines ist sicher: Wenn die USA dem Auto­ri­ta­ris­mus zum Opfer fal­len soll­ten, wird es für die ver­blei­ben­den Demo­kra­tien welt­weit unge­müt­lich. Es gibt auch in der Schweiz Kräf­te, die ein Come­back eines Donald Trump freu­dig begrüs­sen wür­den. Was Wil­liam­son in ihrem Buch “Healing the Soul of Ame­ri­ca” aus­führt, könn­te des­halb auch für die Eid­ge­nos­sen­schaft von Inter­es­se sein. Wir wer­den des­halb einen Blick hin­ein­wer­fen, und zwar

am Frei­tag, den 28. Janu­ar 2022

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