Das Kon­zept Hegels, dass ein Mensch über­haupt erst dank der Insti­tu­ti­on des Eigen­tums zu einem frei­en Sub­jekt wer­den kann, ver­wirk­licht sich in der bür­ger­li­chen Gesell­schaft:
Weil Eigen­tum für die Rea­li­sie­rung per­sön­li­cher Frei­heit kon­sti­tu­tiv ist, muss es für jedes Mit­glied der bür­ger­li­chen Gesell­schaft prin­zi­pi­ell mög­lich sein, Eigen­tum zu erwer­ben. Das ein­zi­ge Recht, das den Eigen­tums­er­werb garan­tie­ren kann, ist das Recht der Ein­zel­nen inner­halb die­ses Sys­tems, durch Arbeit für ihren eige­nen Unter­halt zu sorgen. (…)
Indem die Ein­zel­nen ihren frei­en Wil­len durch Arbeit kon­sti­tu­ie­ren, tra­gen sie in einer arbeits­tei­li­gen Öko­no­mie zugleich zur Repro­duk­ti­on aller ande­ren bei. Ver­mit­telt durch die Ver­wirk­li­chung der beson­de­ren Indi­vi­du­en ver­wirk­licht sich auf die­se Wei­se auch der Zweck der Gesell­schaft insgesamt.

Hegel muss­te sich aller­dings ein­ge­ste­hen, dass in die­ser bür­ger­li­chen Gesell­schaft die Mög­lich­keit der Teil­ha­be am “all­ge­mei­nen Ver­mö­gen” sehr ungleich ver­teilt war. Er führ­te den Unter­schied auf die unglei­che Ver­tei­lung der “kör­per­li­chen und geis­ti­gen Anla­gen” zurück. Des­halb sei mit dem Recht auf Eigen­tums­er­werb weder ein Prin­zip der Gleich­heit noch eine Pflicht zur Umver­tei­lung oder zur Armen­hil­fe ver­bun­den;  dies, so Hegels volks­wirt­schaft­lich frag­wür­di­ge Zusatz­be­haup­tung, wür­de viel­mehr die Flei­ßi­ge bestra­fen und die Fau­le belohnen.

Bei­des zusam­men, die Hypo­st­asie­rung eines Arbeits­zwangs und die Natu­ra­li­sie­rung von Ungleich­heit, resul­tie­ren in einer spe­zi­fi­schen kapi­ta­lis­ti­schen Ideo­lo­gie. Denn auf die­se Wei­se wird von Hegel (wie schon von Locke) die Her­aus­bil­dung eines Ver­hält­nis­ses von Herr­schaft und Knecht­schaft ver­deckt: Das schlech­ter­dings vor­aus­ge­setz­te Pri­vat­ei­gen­tum an Pro­duk­ti­ons­mit­teln führt dazu, dass die Arbei­ter­jn­nen ihre Arbeits­kraft nicht frei ein­set­zen, son­dern zu Mark­te tra­gen müssen. 

Zum Ver­kauf ihrer Arbeits­kraft sind sie des­halb in der Lage, weil sie als Sub­jek­te ihren eige­nen Kör­per wie ein Ding in Besitz genom­men und for­miert haben, nur so konn­ten sie sich ja laut Hegel über­haupt als eigen­stän­di­ge Sub­jek­te kon­sti­tu­ie­ren. Die Ent­äu­ße­rung ihres Kör­pers führt zum einen dazu, dass die Arbei­ter­jn­nen gezwun­gen sind, Din­ge zu pro­du­zie­ren, die dann von ande­ren ange­eig­net und von ihnen selbst nicht mehr gebraucht wer­den kön­nen. Zum ande­ren eig­nen sich die Kapi­ta­list­jn­nen somit aber nicht nur die von den Arbei­ter­jn­nen pro­du­zier­ten Sachen an, son­dern auch deren Arbeits­tä­tig­keit — und damit deren Kör­per und Subjektivität.

Hegel kann nur regis­trie­ren, hat aber kei­ne Erklä­rung dafür, dass die ‚Anhäu­fung der Reich­tü­mer“ der einen mit einer „Abhän­gig­keit und Not“ der ande­ren Klas­se ein­her­geht, „womit die Unfä­hig­keit der Emp­fin­dung und des Genus­ses der wei­te­ren Frei­hei­ten […] der bür­ger­li­chen Gesell­schaft zusam­men­hängt“. Hegel hat damit impli­zit zuge­ge­ben, dass die Frei­heit, die die bür­ger­li­che Gesell­schaft pro­du­ziert, von ihr immer zugleich rui­niert wird.

Der Kri­ti­ker an Lockes Eigen­tums­theo­rie C.B. MacPh­er­son zeig­te auf, dass in der kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft der Gebrauch von Gütern durch die einen von der Ver­hin­de­rung des Gebrauchs für ande­re abhängt. Sein Kol­le­ge James Tul­ly ver­wies auf die ver­hee­ren­den Fol­gen die­ser Theo­rie im Umgang mit den indi­ge­nen Völ­kern Nord­ame­ri­kas.
Die­se Kri­ti­ken muss­ten sich nur um die objek­ti­ve (Un-)Möglichkeit des Gebrauchs küm­mern, nicht jedoch um die sub­jek­ti­ve Sei­te, das heißt um die men­ta­le, psy­chi­sche und affek­ti­ve Struk­tur des Indi­vi­du­ums, das sich eigen­tums­för­mig auf die ande­ren und auf die Welt bezieht.

Die Kri­tik am Hegel’schen Kon­zept des Eigen­tums fragt also danach, was es mit den Men­schen macht, die es ver­in­ner­licht haben. Hat tat­säch­lich erst das Eigen­tum sie, wie von Hegel moniert, zu eigen­stän­di­gen und frei­en Indi­vi­du­en gemacht? Ein Blick auf die inne­re Befind­lich­keit unse­rer west­li­chen Gesell­schaft belehrt uns eines besseren.

Eine Kri­tik an der Hegel’schen Eigen­tums­theo­rie muss ihr auf die­ser Ebe­ne ant­wor­ten: Sie muss zei­gen, dass die durch Eigen­tum erzeug­te Sub­jek­ti­vi­tät kei­ne gelun­ge­ne, son­dern eine defi­zi­tä­re Sub­jek­ti­vi­tät ist, zu der es bes­se­re Alter­na­ti­ven gibt.

Erich Fromm lässt grüssen …

Dazu mehr in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Frei­tag, den 26. Januar.

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