Der grosse Stolperstein für einen radikalen Wandel hin zu einer sozial wirklich gerechten Gesellschaft ist laut Alexander von Pechmann die aktuelle bürgerlich-kapitalistische Eigentumsordnung. Deren Garant ist der Nationalstaat, wie er in seinem Buch “Die Eigentumsfrage im 21. Jahrhundert” detailliert aufgezeigt hat. Deshalb sind die Strategien der vielen Gruppierungen, die im Kleinen an neuen Gemeinwohl-Konzepten arbeiten, oft zum Scheitern verurteilt, denn sie verkennen
… den »Doppelcharakter« der bestehenden Nationalstaaten, die, wie gesagt, zwar als Rechtspersonen anerkannt sind, weil und insofern sie das Allgemeinwohl der jeweiligen Nation repräsentieren und daher für ihr Handeln der demokratischen Legitimation durch die Öffentlichkeit bedürfen. Sie fungieren zum anderen jedoch hinsichtlich der Rechtsordnung als Garanten der bürgerlich-kapitalistischen Eigentumsordnung. Von diesem Doppelcharakter aber haben wir gesagt, dass die Gewährleistung des privaten Eigentums das Primäre, die Verfolgung des sich öffentlich artikulierenden Allgemeinwohls jedoch das Sekundäre ist. Die Umsetzung sozial verträglicher und ökologisch nachhaltiger Praxis findet daher notwendig ihre Grenzen und Schranken an der Gewährleistung des kapitalistischen Eigentums. Die Nationalstaaten setzen folglich die erhobenen globalen Ansprüche aus der Zivilgesellschaft nur in dem Maße um, in dem sie den Verwertungsinteressen der Kapitaleigentümer entsprechen oder ihnen zumindest nicht widersprechen. In Hinsicht auf die Lösung der globalen Menschheitsprobleme reicht diese nationalstaatliche Praxis bei weitem nicht aus.
Zum anderen fällt eine solche Strategie politischen Handelns wieder in den nationalstaatlichen Rahmen zurück, der erklärtermaßen nicht mehr in der Lage ist, die global gewordenen Zukunftsprobleme zu lösen. Sie setzt sich damit der Gefahr und dem Vorwurf aus, den globalen Charakter sowohl der ökologischen Krise als auch der sozialen Schere zwischen Reich und Arm nur im nationalen Rahmen und das heißt oft genug, wieder nur auf Kosten anderer Nationen zu bearbeiten. … Eine solche politische Praxis reproduziert damit in ihrer Ambivalenz nur erneut den Gegensatz zwischen einer Weltöffentlichkeit, die das gegenwärtige und künftige Wohl der Menschheit repräsentiert und artikuliert, und dem bestehenden System souveräner Nationalstaaten.
Zusammenfassend müssen wir daher feststellen, dass auf der einen Seite die gegenwärtig vielfältigen, lokalen wie globalen, Aktivitäten der Weltgesellschaft zur ›Rettung des Planeten‹ die Eigentumsfrage und damit die Frage nach der Verfügungsmacht über die erforderlichen Ressourcen weitgehend ausblenden und politisches Handeln durch guten Willen und hohes Engagement ersetzen, dass andererseits die sich politisch artikulierenden Bewegungen jedoch im jeweils nationalen Rahmen befangen bleiben und Gefahr laufen, die globale durch die nationale Perspektive zu ersetzen.
Wenn dem so ist, wenn also weder eine zerstreute und machtlos bleibende Zivilgesellschaft noch der souveräne und exklusive Nationalstaat der Ort sein kann, an dem sich das erforderliche globale Denken in verbindliches Recht umsetzt, dann kann nach allem, was wir erörtert haben, dieser Ort nur die zu den Vereinten Nationen zusammengefasste Menschheit sein. Diese haben wir als den rechtlichen Eigentümer der Erde beschrieben, dessen Sache weder die Vermehrung des Kapitals noch das Wohl der je eigenen Nation, sondern das Wohl der gegenwärtigen und zukünftigen Menschheit ist. Der wirkliche Eigentümer dieser Sache aber sind die Vereinten Nationen nur dann, wenn und weil ihnen von der Völkergemeinschaft die Macht und die Mittel zuerkannt werden, um eine ökologisch nachhaltige Inbesitznahme der Erde und eine sozial verträgliche Verteilung des global produzierten Reichtums in allgemein verbindliches Recht umzusetzen.
“Die zu den Vereinten Nationen zusammengefasste Menschheit” erscheint zurzeit angesichts der aktuellen politischen Krisen und der völligen Ohnmacht der UNO allerdings wie eine ferne Fata Morgana. Mit den Folgerungen, die Alexander von Pechmann daraus zieht, schliesst die Zusammenfassung seines Buchs. Dies wie immer am kommenden Freitag, den 27. Oktober.
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