Fortsetzung der Bilanz von Pechmanns, in welcher er die Folgerungen aus seiner Analyse des Eigentumbegriffs zieht:
So konsequent mir diese Argumentation zu sein scheint, die von den tatsächlichen Besitzverhältnissen auf die rechtlich-normative Ordnung schließt, so illusionär muss das gewonnene Resultat freilich dann erscheinen, wenn man jene methodische Trennung des Normativen vom Faktischen nicht vollzieht. Denn in diesem Fall erscheint die Eigentumsordnung nicht als etwas Normatives, das allein dadurch existiert, dass es willentlich anerkannt wird. Sie erscheint vielmehr als etwas Vorhandenes und Gegebenes. Auf dieser Grundlage muss es in der Tat als realitätsfremd und illusionär erscheinen, der bestehenden Ordnung des bürgerlich-kapitalistischen Eigentums und der nationalstaatlichen Souveränität eine Rechtsordnung entgegenzusetzen, in der nicht Individuen oder Staaten, sondern, in Gestalt der Vereinten Nationen, die Menschheit als Eigentümer der Erde gilt. Denn wie und wodurch sollten sich die vorhandenen, privat- wie völkerrechtlich verfassten Strukturen des Weltmarkts und der internationalen Verträge, in denen sich das globale System der Produktion und Konsumtion derzeit bewegt, auf die Weise wandeln, dass an ihre Stelle eine andere Rechtsordnung, ein global geltendes Recht, tritt?
Doch diese Sicht auf die Eigentumsordnung ist dem Vorwurf der »Verdinglichung« oder gar »Fetischisierung« ausgesetzt, weil sie das, was ontologisch unterschieden ist, in eins setzt. Sie behandelt das, was nur dadurch und solange Bestand hat, als es allgemein anerkannt ist, als etwas, das an und für sich existiert. Sie verleiht den gesetzten Eigentumsverhältnissen, wie einem Fetisch, den Charakter einer objektiv vorhandenen, naturgegebenen Sache, deren Gewalt man sich folglich zu fügen hat.
Hält man hingegen am normativen Charakter des Eigentumsrechts fest, dann löst sich die Beantwortung der Eigentumsfrage nicht in der Entgegensetzung von Realität und Illusion, sondern im politischen Kampf auf. Sie besteht dann in der Konfrontation der zwei globalen Handlungssubjekte des 21. Jahrhunderts: zwischen einer sich herausbildenden Weltgemeinschaft als Partei, die will, dass die Menschheit als dasjenige Rechtssubjekt allgemein und verbindlich anerkannt wird, dem das Wohl der gegenwärtigen wie der kommenden Generationen als Sache rechtlich zugehört, und die, wie ich zu zeigen versucht habe, die Vernunft auf ihrer Seite hat; und einer Weltgemeinschaft als Gegenpartei, die in theoretischer wie praktischer Hinsicht an der bestehenden Eigentumsordnung, an den kapitalistischen Formen des Eigentumsrechts sowie am Souveränitätsrecht der Nationalstaaten als Prinzipien der Exklusion, festhält, sie weiterhin als verbindlich anerkennt und sich damit der Vernunft und Einsicht widersetzt.Die Lösung der Eigentumsfrage besteht so gesehen im politischen Kampf ums Eigentumsrecht und damit über die Verfügungsmacht über den global produzierten Reichtum.
Sein Buch endet mit Überlegungen, auf welche Weise(n) sich dieser politische Kampf in Zukunft manifestieren könnte. Dazu mehr in der nächsten Folge
am kommenden Freitag, den 29. September.
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