Die Menschheit steht in den kommenden Jahren vor einem Scheideweg. Das macht Alexander von Pechmann deutlich, wenn er er schreibt, dass im einen Fall
der Souveränitätsverlust der Nationen und ihr Zusammenschluss zu den Vereinten Nationen in einem Fall als evolutionärer Prozess des allmählichen Hineinwachsens der partikularen Nationalstaaten in eine umfassende “Weltrepublik” verstanden (wird). Im anderen Fall hingegen wird die Transformation als eine gleichsam revolutionäre Situation des künftigen Zusammenbruchs des bestehenden Rechtssystems konzipiert, der die Menschheit zu dem Schritt bewegen wird, den ihr “die Vernunft auch ohne die traurige Erfahrung hätte sagen können”. Dieser Schritt wäre der “Griff des in diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse”, wie es Walter Benjamin einmal formulierte.
Was “revolutionär” und “Zusammenbruch des bestehenden Rechtssystems” in diesem Zusammenhang bedeutet, wagt man sich gar nicht konkret auszumalen: Kampf der Machtblöcke untereinander, Kampf um Ressourcen aller Art, Migrationsströme, … kurz: eine darwinistische Dystopie globalen Ausmasses.
Unsere Vernunft sagt uns, dass der evolutionäre Weg der Menschheit unendliches Leid ersparen könnte. Was hindert uns denn daran, ihrer Stimme zu folgen?
Von Pechmann nennt den wichtigsten Stolperstein beim Namen. Es ist der Stolperstein, mit dem er sich von der ersten bis zur letzten Seite seines Buches “Die Eigentumsfrage im 21. Jahrhundert” beschäftigt: unser Eigentums-Konzept. Es ist in unseren Köpfen sozusagen “in Stein gemeisselt”. Deshalb beginnt er das letzte Kapitel mit dem Titel “Rechtfertigung” so:
Die vorgelegte Beantwortung der Eigentumsfrage als globaler Eigentumsordnung mag den Leser:innen, die bis hierher gefolgt sind, nicht nur realitätsfern, sondern auch als begrifflich abwegig erscheinen. Denn die Vorstellungen vom Eigentum sind gewöhnlich so sehr mit der Frage nach der privaten und exklusiven Verfügungsmacht einzelner über gewisse Dinge und Werte verbunden, dass es offenbar leichter fällt, sich den Ruin der Lebenswelt auf unserem Planeten vorzustellen oder eine soziale Welt ohne Eigentum auszudenken als eine solche Alternative zur bestehenden Eigentumsordnung in Betracht zu ziehen.
Und doch kommt die Zeit, in der wir eine solche Alternative definitiv in Betracht ziehen müssen.
Hans Jürgen Krysmanski schreibt in seinem Bestseller “0,1%. Das Imperium der Milliardäre” im Vorwort u.a.
Das vorliegende Buch entstand einerseits aus einem privaten Interesse an Macht- und Herrschaftsfragen (…). Im Hintergrund ging es aber auch um die historische Entfaltung des “privaten Eigentums” an diesem Planeten, der doch uns allen gehört. Und es ging um “Big History”, um Grundstrukturen der Menschheits- und Naturgeschichte. (…)
Die politische Klasse macht den Eindruck, als blicke sie nicht mehr durch. Demokratie ist käuflich geworden. In den USA schicken Cliquen von Superreichen vierzigtausend Lobbyisten nach Washington und in die Think Tanks, während “das Volk” es gerade mal auf auf sechshundert Abgeordnete bringt. Von der Wahlkampffinanzierung ganz zu schweigen. Staatliche Regulierungsbehörden dämmern dahin. Gewaltentrennung wird durch Korruption zur Farce.
Für das alles ist Privatisierung das Schlüsselwort, von der Privatisierung des Krieges bis zur Privatisierung der Kunst. Vor den schönsten Flecken unseres Planeten stehen die Schilder “Privat — betreten verboten”. Wenige tausend Personen vefügen über jeweils mehr als eine Milliarde (und bis zu sechzig Milliarden) Dollar Privatvermögen. Umgeben sind sie von ein paar hunderttausend hochspezialisierten Helfern (vom Vermögensverwalter bis zum Bodyguard) und von den zehn Millionen Millionären dieses Planeten.
Privateigentum dieser Grössenordnung kann durch keine Rechts- oder Völkerrechtsordnung mehr eingebunden werden. Bei allen konstruktiven Möglichkeiten, die es birgt, wirkt diese Form privatisierter gesellschaftlicher Macht letztendlich destruktiv. Denn in dieser Welt der Milliardäre und Oligarchen gibt es globale Interessengegensätze und Konkurrenzen, die mit allen, aber auch allen Mitteln ausgetragen werden. Diese Konflikte erzeugen das eigentliche Milieu des unbeschränkten Privateigentums: das ökonomische und politische Chaos. Zugleich signalisiert diese Chaotisierung das Ende des Privateigentums, wie wir es kannten. Der Kapitalismus geht über in einen Transkapitalismus mit neofeudalen Strukturen.
Wollen wir das? Und was hat Alexander von Pechmann dazu zu sagen?
Dazu mehr in der nächsten Folge am kommenden 15. September 2023
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