Heute hat der Ständerat ein weiteres Mal erfolgreich eine Abstimmung der Konzernverantwortungsinitiative verhindert. Dies mit der Hilfe von Ruedi Noser, Mitglied der »Kommission Wettbewerb« von economiesuisse & Verwaltungsratsmitglied der Crédit Suisse und mit der Bundesrätin Keller-Sutter (diese mit der Ausrede sie sei halt neu im Bundesrat).
Damit Sie sich selbst ein Bild machen können mit welchen Scheinargumenten der Entscheid herbeigeführt wurde hier ausnahmsweise das Protokoll der Kurzdebatte. Da haben also auch nicht die 55’000 Unterschriften der Petition an den Ständerat etwas geholfen.
»2. Obligationenrecht (indirekter Gegenentwurf zur Volksinitiative “für verantwortungsvolle Unternehmen — zum Schutz von Mensch und Umwelt”)
2. Code des obligations (contre-projet indirect à l’initiative populaire “Entreprises responsables — pour protéger l’être humain et l’environnement”)
Ordnungsantrag Noser
Absetzen des Geschäftes 16.077, Vorlage 2, von der Traktandenliste des Ständerates vom 26. September 2019, damit die RK-SR die Gelegenheit erhält, das Geschäft im Lichte des angekündigten bundesrätlichen Vorschlages nochmals zu beraten.
Noser Ruedi Ständerat Zürich FDP-Liberale Fraktion (RL)
Noser Ruedi (RL, ZH):
Ich bitte Sie, dem Ordnungsantrag zuzustimmen und damit der Kommission die Chance zu geben, die neuen Vorschläge des Bundesrates zu prüfen und allenfalls zu übernehmen. Dadurch könnte z. B. ein indirekter Gegenentwurf entstehen, der hier im Rat grossmehrheitlich unterstützt werden könnte. Wenn die Kommission die Vorschläge des Bundesrates nicht aufnehmen würde, hätte dieses Vorgehen immer noch den grossen Vorteil, dass der Rat, wenn er das Geschäft im Dezember behandelt, dies dann in Kenntnis dieser Vorschläge tun könnte.
Malgré toute l’émotion que les initiants veulent mettre dans ce débat, encore et encore, nous devons nous concentrer sur les faits. C’est ce qui me fait pencher en faveur du contre-projet du Conseil fédéral présenté à la mi-août par Madame la conseillère fédérale Karin Keller-Sutter.
Fakt ist, dass ich als Parlamentarier, wie jede und jeder hier drin, das Recht habe, in Kenntnis aller vorhandenen Tatsachen zu entscheiden. Die Initianten, die nun Lärm machen, machen es sich zu einfach. Mit ihrer Stellungnahme bringen sie nichts als Geringschätzung gegenüber dem Bundesrat und einer aufgeklärten und sorgfältigen Arbeit im Rat zum Ausdruck. Ich verlange nicht mehr und nicht weniger als eine Diskussion im Lichte aller Argumente. Ich möchte, dass der Ständerat die Möglichkeit hat, den bundesrätlichen Entwurf zu kennen und das Geschäft en connaissance de cause in der kommenden Wintersession zu behandeln.
Gestatten Sie mir hier noch eine persönliche Bemerkung. Ich zitiere: “Jetzt überrascht Ruedi Noser mit einem unanständigen Bubentrickli: Der Konzernlobbyist und Ständerat will die Abstimmung auf unbestimmte Zeit verschieben.” Das verschickten die Initianten in den letzten Tagen hunderttausendfach an Schweizerinnen und Schweizer. Ich halte fest:
1. Die Volksabstimmung über die Initiative verschiebt sich mit oder ohne diesen Antrag nicht.
2. Ich nehme mein verfassungsrechtliches Recht in Anspruch und handle als freier Mensch.
3. Ich habe eine andere Meinung als die Initianten und vertrete diese kämpferisch, habe aber meine Gegner noch nie persönlich angegriffen.
Liebe Initianten: Ich kann gut einstecken, aber wer sich glaubwürdig für Menschenrechte einsetzt, der muss sich daran messen lassen, wie er mit Andersdenkenden umgeht.
Motion d’ordre Noser
Supprimer l’objet 16.077, projet 2, de l’ordre du jour de la séance du Conseil des Etats du 26 septembre 2019, afin que la CAJ-CE puisse le réexaminer à la lumière de la proposition que le Conseil fédéral a annoncée.
Noser Ruedi (RL, ZH):
Abbiamo il tempo. Il tema è importante e merita che ci prendiamo questo tempo.
Oder auf Deutsch: Wir haben Zeit, um meinen Ordnungsantrag zu behandeln. Das Thema ist wichtig und verdient es, dass wir uns diese Zeit nehmen.
Engler Stefan Ständerat Graubünden CVP-Fraktion ©
Engler Stefan (C, GR), per la commissione:
Discutiamo il progetto sulla responsabilità delle imprese e cerchiamo risposte alle seguenti domande: fino a che punto dovrebbe spingersi la responsabilità delle imprese in Svizzera quando le filiali all’estero violano i diritti umani? Dovrebbe essere sufficiente che le imprese svizzere riferiscano su tutto ciò che fanno per evitare i danni o dovrebbero essere responsabili dei danni causati da filiali all’estero?
Il presidente (Stöckli Hans, primo vicepresidente): La mozione d’ordine Noser chiede che questo progetto non venga trattato oggi, che non sia all’ordine del giorno.
Janiak Claude Ständerat Basel-Landschaft Sozialdemokratische Fraktion (S)
Janiak Claude (S, BL):
Lieber Kollege Noser, Frau Bundesrätin Keller-Sutter hat uns im August an der Sitzung gesagt, was sie vorschlagen will. Wir haben dort in der Kommission einen Ordnungsantrag gehabt, das hinauszuschieben, und wir haben diesen Ordnungsantrag abgelehnt. Also, wenn Sie das wieder an die Kommission zurückschicken, sind wir genau gleich weit wie wir schon im August waren. Die Meinungen in der Kommission werden sich in dieser Frage nicht mehr ändern.
Haben Sie doch den Mut; stimmen Sie heute der Minderheit zu, wenn Sie die Minderheit unterstützen wollen! Aber jetzt einfach zu verlangen, dass man das dann erst nach den Wahlen wieder bringt — das ist also sehr, sehr durchsichtig! Im Dezember käme es dann auch nicht, es käme vielleicht frühestens im Frühjahr. Also ist es auf die lange Bank geschoben, und dann laufen die Fristen ab, bevor man überhaupt einen Gegenvorschlag machen könnte.
Sie haben gestern gesagt: “Ein Schritt ist immer ein Weg.” Als ich das gestern von Ihnen hörte, habe ich das gerade aufgeschrieben. Der Schritt, den Sie vorschlagen, ist definitiv kein Weg — im besten Fall ein Rückschritt.
Ettlin Erich Ständerat Obwalden CVP-Fraktion ©
Ettlin Erich (C, OW):
Je soutiens la proposition de Ruedi Noser. Le Conseil fédéral a présenté une proposition visant à s’aligner sur les normes internationales. Cette question doit être examinée avant de décider d’une contre-proposition indirecte.
Keller-Sutter Karin Bundesrat
Keller-Sutter Karin, conseillère fédérale:
Je ne veux pas prendre position concernant la motion d’ordre. Je crois que, selon la tradition de cette chambre, le Conseil fédéral ne s’exprime pas à ce sujet. Il appartient vraiment au Parlement de prendre une décision à ce propos.
Ich muss das vielleicht etwas einbetten und die Ausgangslage beschreiben. 2017 entschied der Bundesrat, dass er die Volksinitiative “Für verantwortungsvolle Unternehmen — zum Schutz von Mensch und Umwelt” ablehnt und ihr keinen Gegenvorschlag gegenüberstellen will. Der Bundesrat begründete das damals damit, dass auch die internationale Entwicklung es nicht gestatte, dass man sich beispielsweise der EU-Richtlinie zur Berichterstattungspflicht anschliesse. Es gebe noch keine Erfahrung. Das steht auch in der Botschaft. In der Botschaft steht auf Seite 6372 — ich habe das heute Morgen noch nachgeschaut -, dass der Bundesrat, wenn sich das ändern würde, eine Vernehmlassungsbotschaft präsentieren würde.
Im letzten Jahr hat der Nationalrat direkt im Aktienrecht — also nicht über eine Kommissionsmotion oder eine parlamentarische Initiative — einen Gegenvorschlag konzipiert. Ihr Rat hat diesen Gegenvorschlag im Moment abgelehnt und ist im letzten Frühjahr nicht darauf eingetreten. Ich bin ja Anfang Jahr neu ins Amt gekommen, und ich war dann mit der Situation konfrontiert, dass dieser Gegenvorschlag umstritten ist. Die Volksinitiative ist ja weniger umstritten, deren Ablehnung hat ja eine deutliche Mehrheit gefunden. Auf der anderen Seite ist sie im Nationalrat noch nicht formell behandelt worden. Sie wurde zusammen mit dem Gegenvorschlag behandelt, aber es wurde noch nicht darüber abgestimmt. Ich war als neue Vorsteherin des EJPD in der Situation, dass ich nie Position für den Bundesrat beziehen konnte, weil Sie direkt im Aktienrecht legiferiert haben. Das ist sonst anders: Wenn Sie eine Kommissionsmotion oder eine parlamentarische Initiative einreichen, wird der Bundesrat zur Stellungnahme aufgefordert.
Ich habe das eigentlich nur ändern und mich rückversichern können, indem ich in den Bundesrat gegangen bin und dort die Frage gestellt habe, wie sich der Bundesrat zum aktuellen Gegenvorschlag stelle. Der Bundesrat hat am 14. August entschieden, dass er diesen Gegenvorschlag, so, wie er aus dem Nationalrat kommt, ablehnt. Er hat die Volksinitiative damals wegen der Haftungsbestimmungen und der Sorgfaltsüberprüfungspflichten, die auch mit dieser Frage verbunden sind, abgelehnt.
Der Bundesrat ist hier der Meinung, dass der indirekte Gegenvorschlag hier das gleiche Konzept erfüllt.
Der Bundesrat hat mich deshalb ermächtigt, diese Position bei einer allfälligen Detailberatung einzubringen. Ich würde dann die Minderheit Hefti zur Unterstützung empfehlen. Bei den anderen Positionen wäre es relativ schwierig. Ich möchte das auch klar sagen: Das Konzept des Bundesrates ist nicht ohne Weiteres mit dem Konzept der Räte vereinbar. Man könnte das also nicht tel quel erreichen.
Der Bundesrat hat im Weiteren gesagt: Wenn es keinen Gegenvorschlag gibt, dann bringen wir Ende Jahr selbst eine Vernehmlassungsvorlage. Es liegt jetzt an Ihrem Rat zu entscheiden, wie Sie damit umgehen möchten. Wenn Sie entscheiden, dass Sie jetzt die Eintretensdebatte führen, dann werde ich diese Haftungsbestimmung im Namen des Bundesrates bekämpfen. Wenn Sie anders entscheiden, wird mein Departement selbstverständlich zur Verfügung stehen und der Kommission die Vorschläge, die der Bundesrat in eine Vernehmlassungsvorlage packen würde, liefern. Das ist die Ausgangslage.
Ich bin froh — so muss ich Ihnen sagen -, dass ich jetzt überhaupt sprechen darf, da der Bundesrat eben aufgrund dieser etwas speziellen Konstellation bis jetzt schweigen musste. Er hat ein verfassungsmässiges Recht, sich in die Debatte einzubringen, und dieses nimmt er jetzt wahr.
Abstimmung — Vote
Für den Ordnungsantrag Noser … 24 Stimmen
Dagegen … 20 Stimmen
(1 Enthaltung)
Le président (Fournier Jean-René, président): L’objet est ainsi retiré de l’ordre du jour.«
Ein bisschen Französisch — sogar von Herrn Noser — weil heute Tag der Sprachen ist 😉
Eine echte Schweinerei,
wie von den Räten mit dieser Initiative umgegangen wird,
insbesondere von Bundesrat und Ständerat!