Man kann fast fra­gen, wen man will, die meis­ten Birs­felder und Birs­felderin­nen sagen, nach den denkmalgeschützten Gebäu­den Birs­feldens gefragt: Kilcher­hof, katholis­che Kirche, Kraftwerk, Roxy. Stimmt fast, nur das Kraftwerk gehört (lei­der) nicht dazu. Im ISOS (Inven­tar der schützenswerten Orts­bilder der Schweiz) ist das Kraftwerk Birs­felden als schützenswert aufge­führt, unter Denkmalschutz ist es noch lange nicht.

Aber das ISOS enthält einen wun­der­baren Text zum Kraftwerk Birs­felden, der Ihnen hier präsen­tiert wer­den soll.

Sied­lungsen­twick­lung
Geschichte und his­torisches Wach­s­tum

Birs­felden, der Vorort Basels am linken Rhein­ufer, ent­stand auf dem ebe­nen Gelände zwis­chen Hard­wald und Birsmündung. Spuren aus der Bronze- und Latènezeit sowie Reste ein­er römis­chen Warte im Ster­nen­feld, der sump­fi­gen Ebene im Rheinknie, zeu­gen von ein­er frühen Besied­lung. Ursprung des heuti­gen
Dorfs war jedoch eine Strassen­sied­lung am Über­gang über die Birs, die um 1274 erst­mals erwäh­nt und seit etwa 1500 als Birs­feld beze­ich­net wurde. Während
Jahrhun­derten war das Dorf auf die Birs und die seit 1425 beste­hende Birsbrücke in die Stadt aus­gerichtet. Es gehörte zur Gemeinde Mut­tenz und löste sich erst 1867 kirch­lich und 1875 poli­tisch von ihr.

Mit Aus­nahme des abgele­ge­nen Birs­felder­hofs, eines grossen Land­wirtschaftsguts am Rhein, blieb das Ster­nen­feld nun­mehr bis ins 20. Jahrhun­dert in weit gehend unver­bautem Zus­tand, wie ihn auch die Erstaus­gabe der Siegfried­karte von 1882 doku­men­tiert. Von 1923 bis 1947 befand sich hier der inter­na­tionale Basler Flughafen Ster­nen­feld. Nach dem Zweit­en Weltkrieg entwick­elte sich die Gemeinde zum Industrieort.1937–41 wurde der Rhein­hafen angelegt und 1940 sein Gleisan­schluss zum Rang­ier­bahn­hof Mut­tenz eröffnet. Beim Hafen ent­stand nach 1945 eine grosse Indus­triezone.

Der Kraftwerk­bau

Mit dem indus­triellen Auf­schwung nach dem Zweit­en Weltkrieg und dem demografis­chen Wach­s­tum der Agglom­er­a­tion Basel ver­grösserte sich auch der Bedarf an Elek­triz­ität. Um die Wasserkraft des Rheins zu nutzen, erbaute die dazu gegründete Kraftwerk Birs­felden AG zwis­chen 1951 und 1954 ein gross­es
Nieder­druck-Laufkraftwerk. Für den Bau musste der Birs­felder­hof abge­brochen wer­den. Den Auf­trag für die architek­tonis­che Gestal­tung sämtlich­er Hochbaut­en
erhielt Pro­fes­sor Hans Hof­mann, der Che­far­chitekt der Lan­desausstel­lung von 1939. Hof­mann hat­te sich als Ver­trauensmann der Schweiz­erischen Vere­ini­gung
für Heimatschutz seit 1942 mit den Prob­le­men des Stan­dorts und der Neugestal­tung der Flus­sland­schaft beim Bau eines Kraftwerks bei Birs­felden auseinan­derge­set­zt. Aus­masse, Unter­niveaukon­struk­tio­nen und Dis­po­si­tion der Anlage waren durch die tech­nis­chen Anforderun­gen fest­gelegt. Im Unter­schied zu den früheren Kraftwerk­baut­en, die als mon­u­men­tale Balken­riegel in den Fluss gebaut wur­den, so in Augst/BL, Rhe­in­felden und Laufenburg/AG oder Rheins­felden bei Eglisau/ZH, ent­warf Hof­mann eine luftige und trans­par­ente Anlage. Schon in den ersten Entwürfen schlug er für das 120 Meter lange Maschi­nen­haus eine längs­seit­ig vol­lver­glaste Halle vor, um – wie er es ausdrückte – «die Land­schaft gle­ich­sam durch die Halle blick­en» zu lassen.

Fast gle­ichzeit­ig wie das Kraftwerk Birs­felden baute die Muster­messe Basel (muba) am Basler Messe­platz nach Plä­nen des­sel­ben Architek­ten ihre neuen Ausstel­lung­shallen, das berühmte Rund­hofge­bäude mit der grossen Uhr. Zu Hof­manns Spätwerk gehören auch das Ver­wal­tungs­ge­bäude der Alusu­isse und das Club­haus der Schweiz­erischen Rückversicherungsanstalt in Zürich. Kaum ein anderes Werk von Hof­mann, von den Baut­en für die Lan­desausstel­lung 1939 ab gese­hen, erlangte aber eine der­ar­tige Pop­u­lar­ität wie das Kraftwerk Birs­felden.

Um die Güterschifffahrt zu den Häfen Au und Birs­felden sowie den Pas­sagierverkehr nach Rhe­in­felden aufrechter­hal­ten zu kön­nen, musste eine Schleuse­nan­lage gebaut wer­den. Durch das Aus­graben des Schleusenkanals ent­stand eine Rheinin­sel, die so genan­nte Kraftwerkin­sel. Die erste Schleuse wurde zusam­men mit dem Kraftwerk 1954 in Betrieb genom­men, die zweite 1979. Die ursprüngliche Pla­nung hat­te den Bau ein­er Autobahnbahnbrücke quer über
die Kraftwerkin­sel vorge­se­hen. Sie wurde aber nie real­isiert. Die A2 quert den Rhein über die 900 Meter weit­er west­lich 1973 eröffnete Basler Schwarzwaldbrücke.

Grossüberbauungen in Birs­felden

Während der Hochkon­junk­tur beschle­u­nigte sich das Sied­lungswach­s­tum Birs­feldens. Seit 1960 zählt die Vororts­ge­meinde über 10’000 Ein­wohn­er. Die
Wohn­quartiere dehn­ten sich bis zum Rhein­ufer beim Kraftwerk aus. Die Wohn­blöcke und Hochhäuser der Grossüberbauungen Rhein­park und Ster­nen­feld
hiel­ten aber Dis­tanz zum Flus­sufer; so ent­stand zwis­chen dem Indus­triehafen und der Birsmündung eine öffentliche Ufer­an­lage von min­destens 80 Metern Bre­ite.

Der heutige Ort
Räum­lich­er Zusam­men­hang der Ort­steile

Das Kraftwerk Birs­felden wirkt als klare Lin­ie in der Land­schaft. Es überquert den Rhein in sein­er ganzen Bre­ite, tren­nt das Ober­wass­er vom Unter­wass­er und verbindet gle­ichzeit­ig die Ufer von Birs­felden und Klein­basel. Das Stauwehr misst in sein­er Länge 157 Meter, die Fall­höhe des Wassers schwankt je nach Wasser­stand zwis­chen 3,9 und 9,3 Metern. Die vier
Kaplan­tur­binen liefern Strom für über 200 000 Haushal­tun­gen der Region. Jedes Jahr wer­den über 10’000 Schleusun­gen vorgenom­men. Eine Fuss­gänger- und Velobrücke durch­quert sowohl das Kraftwerk als auch die Schleuse­nan­lage.

Obwohl das Bauw­erk die Bedin­gun­gen des Flusses in diesem Abschnitt nach­haltig verän­dert hat, wirkt es aus der Sicht von heute har­monisch in die Strom -
land­schaft einge­bet­tet. Das Wasser­wehr nimmt un gefähr die vor­ma­lige Bre­ite des Fluss­bettes ein und bildet eine künstliche Bucht, auf deren Wasser­fläche
sich die ele­gan­ten Hochbaut­en des Kraftwerks stim­mungsvoll spiegeln. Darüber ragt das fil­igran und luftig wirk­ende Maschi­nenge­bäude auf. Im Nor­den erhebt sich das begrünte steile Ufer­bord zur Basler Gren­zach­er­strasse hin, im Süden das parkar­tig aus­gestal­tete Ufer Birs­feldens. Auch die neu geschaf­fene Insel trägt zumin­d­est flus­saufwärts vom Kraftwerk zum natur­na­hen Gesamtein­druck bei, während ihr schmaler, schnurg­er­ad­er Aus­läufer, der den Vorhafen fasst, trotz sein­er Begrünung deut­lich als von Men­schen­hand gestal­tet erkennbar ist.

 

Kraftwerkge­bäude

Die Beson­der­heit der Kraftwerkan­lage (1) beste­ht in ihrer Leichtigkeit, exem­plar­isch aus­ge­bildet in der grossen Maschi­nen­halle (1.0.2). Das gefal­tete Dach ist nur punk­tweise auf gega­bel­ten Pfeil­ern aufgelegt. Die grossen Fen­ster­flächen erhöhen den Aus­druck der Kon­struk­tion. Nachts schwebt das aus­geleuchtete Gebäude als kristalliner Lichtkör­p­er über dem Wass­er. Das Stauwehr (1.0.1) nördlich der Halle gliedert sich in fünf von Pfeil­ern flankierte Wehröff­nun­gen. Sechs Häuschen überragen die Wehrpfeil­er. Sie erhöhen noch den Ein­druck der Offen­heit der Anlage, da sie
den Blick vol­lends freigeben auf die dahin­ter beziehungsweise davor liegende Wasser­fläche. Das V‑förmige Dach und die bei­den Bul­lau­gen geben den
Pfeil­er­häuschen ein eule­nar­tiges Gesicht.

Die Kraftwerkin­sel nimmt an der flussab­wär­ti­gen Veren­gung das Wehr auf, dort befind­en sich auch alle übrigen Baut­en des Kraftwerkkom­plex­es. Das Dienst- und Ver­wal­tungs­ge­bäude (1.0.3) ist im recht­en Winkel an das Maschi­nen­haus ange­baut, das Schalthaus (1.0.4) übernimmt diese Aus­rich­tung. Das Pumpen- und das Abwärme­haus (1.0.5) schliessen wie ver­streute, niedrigere Bauk­lötze an. Alle sind ein- bis dreigeschos­sige Betonkon­struk­tio­nen, deren Ober­fläche – wie beim Stauwehr und der Maschi­nen­halle – nicht roh belassen, son­dern grün gestrichen und durch weisse Bän­der unterteilt ist. Die run­den oder qua­dratis­chen Fen­steröff­nun­gen erlan­gen durch ihre weisse Umrah­mung ein beson­deres optis­ches Gewicht.

Schleusen und Insel

Auf die Far­bge­bung legte Hof­mann grossen Wert. Zu den nuancierten Grüntönen, die mit der Wasser­fläche har­monieren, ja diese sog­ar ein­fär­ben, und den weiss gestrich­enen Lin­ien gesellt sich bei den Bedi­enungsk­abi­nen der Schleuse­nan­lage die Sig­nal­farbe Rot: Bei den Hub­senk­toren der oberen Zugänge ste­hen zwei rote Dien­sthäuschen (0.0.5), bei den Stemm­toren am unteren Ende drei (0.0.3). Ein markan­ter Kon­troll­turm, dessen auskra­gende Hochk­abine eben­falls rot gestrichen ist, überragt bei­de Schleusenkam­mern (0.0.4). Alle Hochbaut­en der Schleusen sind mit den eigen­willi­gen, für die ganze Anlage charak­ter­is­tis­chen V‑förmigen Däch­ern gedeckt.

Die durch den Bau des Schleusen­werks ent­standene künstliche Insel ist vom dama­li­gen Stadt­gärt­ner R. Ari­oli als öffentlich­er Naher­hol­ungs­bere­ichgestal­tet. Die Anlage umfasst Rasen­flächen, ver­schlun­gene
Wege, Club­pavil­lons von Rud­ervere­inen (0.0.6) und einen auf­fäl­lig reichen Baumbe­stand.

Ufer­bere­iche

Das rechte Rhein­ufer wirkt, obwohl zur Stadt Basel gehörig, mit sein­er baum­re­ichen Böschung fast ländlich; der Klein­basler Ufer­streifen ist mehrheitlich mit Sport­plätzen und Fam­i­liengärten belegt (0.0.15, 0.0.17). Demgegenüber set­zen auf der Birs­felder Fluss­seite die normierten Wohn­blöcke der Über­bau­un­gen Ster­nen­feld (Architek­ten U. Löw und T. Manz) und Rhein­park Akzente. Die drei markan­ten, schiefwin­klig am Rhein­ufer gestaffel­ten Wohntürme des Rhein­parks (0.0.10) bilden einen span­nungsvollen Kon­trast zur Hor­i­zon­tal­en der Kraftwerkan­lage. Alle drei Gross überbauungen der 1960er Jahre im Birs­felder Nordquarti­er – Rhein­park, Ster­nen­feld und Lärchen­garten
(ausser­halb des Plans) – besitzen je drei Hochhäuser von 16 bis 20 Geschossen; das optis­che Span­nungs­dreieck von Hochhaus-Dreier­grup­pen prägt den Ort­steil der Agglom­er­a­tions­ge­meinde in Kraftwerknähe.

Empfehlun­gen
Die Far­bgestal­tung gehört zu den Hauptvorzügen des Bauw­erks und darf nicht verän­dert wer­den.
Jede bauliche Mass­nahme an den bei­den Ufer­zo­nen sollte gründlich auf deren Auswirkun­gen auf die Kraftwerkan­lage geprüft wer­den.

Bew­er­tung
Beson­dere Lage­qual­itäten dank der gle­ichzeit­ig kom­pro­miss­losen wie betont har­monis­chen Ein­bet­tung von Kraftwerk und Schleusen in die grossar­tige Flus­sland­schaft des Hochrheins mit der natur­nah gestal­teten Insel zwis­chen Strom und Schleusenkanal.
Hohe räum­liche Qual­itäten infolge der kon­se­quent lin­earen Anlage und dem Kon­trast zwis­chen dem mächti­gen, durch seine Trans­parenz jedoch leicht wirk­enden Maschi­nen­haus und den kom­pak­ten Pfeil­er­häuschen über dem Stauwehr ein­er­seits sowie zwis­chen den schnurg­er­aden Schleuse­nan­la­gen mit den imposan­ten Höhen­dif­feren­zen des Wasser­stands und den san­ften Lin­ien des Flus­sufers und der künstlichen Rheinin­sel ander­er­seits. Gross­räu­mige Qual­ität auch durch die Span­nung zwis­chen der Hor­i­zon­tal­en der Kraftwerkan­lage und der Ver­tikalen der Hochhäuser von Birs­felden.
Beson­dere architek­turhis­torische Qual­itäten als ein­ma­lig präg­nante Anlage eines bekan­nten Schweiz­er Architek­ten, als architek­tonis­che Insze­nierung der Tech­nik mit zeichen­haft überhöhter Zweck­form sowie als Sym­biose von Architek­tur und Land­schaft, die nicht nur in Fachkreisen, son­dern auch bei der bre­it­en Bevölkerung höch­ste Anerken­nung gefun­den hat.

So weit also das Bun­desin­ven­tar.
In der let­zten Zeit wur­den einige Pro­jek­te pub­lik, wie etwa die Pro­jek­t­studie von Losinger Marazzi (die nie­mand bestellt haben will), oder die Her­stel­lung von Wasser­stoff auf der Kraftwerkin­sel von Kraftwerk Birs­felden AG/IWB/Fritz Mey­er AG, die jemand bestellt hat.
Doch dazu im näch­sten Artikel ...

Bilder: Titel und Kraftwerk frontal: Franz Büch­ler, Kraftwerk von oben: Eck­hard Rothe

Rudolf Bussmann liest eigene Texte (35)
Mattiello am Mittwoch 20/27

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