Ich habe vor den Sommerferien dazu aufgerufen, dass Sie sich weiterhin mit der Zentrumsplanung beschäftigen. Ich habe das unter Berücksichtigung der verschiedenen zugänglichen Vernehmlassungseingaben auch versucht zu machen. Hier meine Gedanken dazu:
Im Birsfelder Anzeiger vom 24. August 2018 wurde über die Vernehmlassung der Naturschutzorganisationen zum Zentrumsprojekt berichtet. Auch im www.birsfälder.li vom 25. Juni 2018 konnten Sie diese Eingabe detailliert nachlesen. Dort werden die beiden Zentrumsprojekte »Camillo«, das Siegerprojekt und »You’ll never walk alone« als zweitplatziertes Projekt verglichen. Dabei loben die Naturschützer das Projekt »You’ll never walk alone«.
Damit ein fairer Vergleich für alle möglich wird, habe ich die beiden Projekte grafisch etwas vereinheitlicht und in eine neutrale Umgebung gestellt.
Hier die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Projekten, die auf den ersten Blick ins Auge gehen:
1. Verkehrsflächen
Bei »Camillo« sind die Verkehrsflächen ziemlich grosszügig. Die schmalste Stelle, die am Dialoganlass von allen als zu schmal beurteilt wurde, entspricht etwa der Breite der Schulstrasse!
Bei »You’ll never walk alone« besteht ein Wegnetz, dessen Wegbreite grösstenteils in etwa einem Trottoir der Schulstrasse entspricht.
Hier stellt sich die Frage, wie hier der Fussgängerverkehr und der Langsamverkehr (Velo und ähnliches) konfliktfrei funktionieren soll. Vor allem der Langsamverkehr wird durch die direkte Verbindung der Hauptstrasse zur Migros wohl ziemlich zunehmen, ebenso der Fussgängerverkehr.
2. Taunerhaus Schulstrasse 9
Im Januar/Februar 2002 wurden in Birsfelden die »denkmalschutzwürdigen« Bauten für das Bauinventar des Kantons Basel-Landschaft erfasst.
Darin wurde dieses Haus folgendermassen gewürdigt (aus der Dokumentation):
»Das letzte, noch erhaltene Arbeiterhaus (Typus Mietskaserne) aus dem 19. Jahrhundert hat vor allem eine sozialgeschichtliche Bedeutung. Ein ähnliches Haus an der Kirchstrasse 12 ist baufällig. (Es musste in der Zwischenzeit einem Neubau weichen. Red.) Gut erhalten sind die rückseitigen Laubengänge und die bescheidenen Wohngrundrisse.
Nach mündlicher Überlieferung (Bewohner) befand sich auf der Rückseite eine Wäscherei. Diese wurde in den 1950er-Jahren abgebrochen und durch Garagen ersetzt.«
Baujahr: 1864
Bewertung: kantonal zu schützen
So weit die Dokumentation.
Das Taunerhaus wurde allerding »nur« dem kantonalen Schutz empfohlen, bis heute ist allerdings noch nichts passiert.
Dass im Studienauftrag der mögliche Einbezug dieses Hauses in die Planung erklärt wurde (also als Abbruchobjekt), hat im Projekt »You’ll never walk alone« seinen Niederschlag gefunden.
Im Projekt »Camillo« bleibt das Taunerhaus unberührt.
3. Die alte Turnhalle
Auch mit ihr befasst sich das Bauinventar: »Im Gegensatz zu den drei älteren, stark veränderten Schulbauten aus den 1930er-Jahren ist der Sportbau noch original erhalten.«
Baujahr: 1910
Bewertung: kommunal zu schützen
Bei »Camillo« mutiert die alte Turnhalle zur Stadthalle. Irgendwie scheint sie »identitätsstiftend« zu sein, wohl in der Erinnerung an viele Vereins- und Gemeindeanlässe.
Bei »You’ll never walk alone« fällt sie einem Wohnbau zum Opfer.
4. Das alte Schulhaus (Birsfelder Museum)
Im Bauinventar wurde das »Alte Schulhaus« nicht bewertet. Zuviele Umbauten und Veränderungen musste das Gebäude über sich ergehen lassen: Das Glockentürmlein wurde gekappt, die Fensterläden nach einem Sturm entfernt und nicht mehr ersetzt, ein Lift angebaut, der Keller zu einem Kommandostand der Gemeinde eingerichtet, usw.
Bei »Camillo« wird das Museum durch den Kastanienhof verdrängt.
Bei »You’ll never walk alone« fristet das Museum im Schatten eines mehrstöckigen Wohngebäudes sein Dasein weiterhin.
5. Biotop neben der alten Turnhalle
Bei »Camillo« bleibt das Biotop vollumfänglich erhalten.
Bei »You’ll never walk alone« fällt das Biotop einem Wohngebäude zum Opfer. Ob tatsächlich irgendwo im Projekt eine gleichwertige Ruderalfläche geschaffen werden kann, bezweifle ich, denn einige der Grünflächen in diesem Projekt werden wohl auch dem Bedürfnis der Fussgänger nach Abkürzungen zum Opfer fallen.
6. Neubebaute Flächen
Für »Camillo« wurde im Gegensatz zu »You’ll never walk alone« immer der ominöse »zu grosse Fussabdruck« angeführt. Im Vergleich mit »You’ll never walk alone« ist aber die neubebaute Fläche bei beiden Projekten praktisch gleich.
7. Bäume / Grünflächen
Im Vergleich fällt auf, dass bei »Camillo« der Zentrumsplatz, der Brunnenplatz und auch der Pausenplatz des Schulbezirks recht dünn mit Bäumen bestückt ist.
Bei »You’ll never walk alone« sind jedoch alle verbleibenden Plätze oft recht dicht bebaumt. Hier stellt sich tatsächlich die Frage nach möglichen Flächen für Chilbi, Konzerten, etc.
Wenn ich die so hochgelobten Grünflächen von »You’ll never walk alone« betrachte, frage ich mich, wo tatsächlich der ökologische Wert dieser Flächen ist, der rund um die Wohnbauten angesiedelt ist.
Mein Schluss daraus
Bei »You’ll never walk alone« bewundere ich den Mut der Planer, ein Gebäude direkt an die Hauptstrasse zu stellen und damit den Zentrumsplatz etwas gegen den Verkehrslärm abzuschirmen. Ich bezweifle allerdings den ökologischen Wert vieler Grünflächen im Projekt. Manchmal empfinde ich es sogar ein bisschen als Schummeln, das das Grün so grünt und sogar die versiegelten Verkehrswege einen Grünstich haben.
Bei »Camillo« sehe ich eine gute städtebauliche Lösung mit dem Schaffen von Plätzen und Gassen. Birsfelden ist grün genug, wie ich schon früher gezeigt habe. Wir planen doch hier ein »Stadtzentrum« und keinen »botanischen Garten«.
Ich plädiere dafür für ein etwas verbessertes Projekt Camillo. Wenn Birsfelden ein bisschen mehr zur Stadt wird, geht die Welt nicht unter! Und Birsfelden gewinnt in mancher Hinsicht …
Und die Weisheit zur Sache:
Sie meinen, die Welt gehe unter,
nur weil ihre Welt untergeht.
Alex Capus
Meury Christoph Meury
Sep 15, 2018
Die Gegenüberstellung zeigt, dass »You’ll never walk alone« keine Alternative ist. Das steht aber auch nicht zur Diskussion. Den Wettbewerb gewonnen hat das Projekt «Camillo«.
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Das Mitwirkungsverfahren hat eine Menge Verbesserungshinweise ergeben. Die PlanerInnen haben diese Vorschläge jetzt aufgenommen und «Camillo« adäquat adaptiert. Jetzt warten wir’s also ab, was uns Harry Gugger Studio präsentieren wird. Ich freue mich auf die neue «Camillo«-Version.
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Man munkelt, dass die BLKB aus dem Gebäude auszieht und die Bankfiliale frei wird. Ergo kann die Gemeindeverwaltung dort einziehen. Damit verändert sich die Bausituation im Zentrum wesentlich. Es gibt mehr Luft. Das Museumsgebäude — keine architektonische Trouvaille — wird uns erhalten bleiben. Dies als Hommage an die GegnerInnen. Ich bin darüber wenig begeistert.
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Mein Wunsch insgesamt: Lasst uns endlich über die Baufelder reden. Die Parzellenstruktur. Den gemeinnützigen Wohnungsbau. Die 165 neuen Wohnungen. Die 350 neuen BewohnerInnen. Die Finanzierung des Zentrumsprojektes und den qualitativen & finanziellen Mehrwert für die Gemeinde.